Smartphone oder Systemkamera?

Die meisten Fotos werden heute mit Smartphones aufgenommen. Wir wollten von den Kameraherstellern wissen, wie sie in der Zukunft die Rolle großer Kameras im Vergleich zu Fotohandys sehen.

Farbiges Porträt von Andreas Jordan vor neutralem Hintergrund

Andreas Jordan

Andreas Jordan leitet das Technik-Ressort beim fotoMAGAZIN.

Illustration Kamera und Smartphone

Kamera oder Smartphone? Wie sieht die Zukunft aus? Wir diskutieren mit Industrievertretern, wo zukünftig die Einsatzbereiche für große Kameras liegen und wo Smartphones weiter auf dem Vormarsch sind.

Illustration: © Getty Images/Ployaung

Weltweit wurden im Jahr 2010 ca. 121 Millionen Kameras verkauft. Seitdem sinken die Verkaufszahlen rapide: 2021 waren es nur noch 8,3 Millionen. Parallel dazu fand der Siegeszug der Smartphones statt.

Seit dem Marktstart des ersten iPhones 2007 stiegen die Verkäufe kontinuierlich, erreichten 2015 mit 1,4 Milliarden Geräten ein Plateau und sind seit 2018 leicht rückläufig. Trotzdem wurden 2021 mit gut 1,3 Milliarden etwa 160-mal so viele Smartphones abgesetzt wie „echte“ Kameras.

Dramatisch verbessert hat sich dabei auch die Bildqualität: Wiesen die ersten Handy-Kameras noch einen sehr geringen Dynamikumfang mit ausgefressenen Lichtern auf, so sorgen heute Techniken wie Multishot-HDR dafür, dass Tiefen und Lichter sehr gut durchzeichnet sind. In der Regel hat aber nur die Weitwinkel-Hauptkamera einen größeren Bildsen-
sor (bis zu 1 Zoll) mit entsprechender Qualität.

Deutliche Schwächen haben Smartphones noch bei den Objektiven. Mit Ausnahme von Sony (Xperia 1 IV) hatte bis Ende Januar 2023 noch kein Hersteller optische Zoomobjektive integriert und Teleobjektive über 100 mm sind selten und falls vorhanden lichtschwach (beim Samsung Galaxy S22 Ultra: 4,9/220 mm).

fotoMAGAZIN Anfrage an die großen Kamera- und Smartphone-Hersteller, Anfang Januar 2022:

„Das Smartphone hat die ‚große‘ Kamera in den meisten Bereichen als am häufigsten genutzter Bilderlieferant abgelöst. Haben vergleichsweise große und teure Kamerasysteme angesichts der Omnipräsenz von Smartphones überhaupt noch eine Zukunft und wenn ja, wo sehen Sie die unterschiedlichen Zielgruppen?“

Smartphone-Hersteller wollten keine Stellung nehmen

Leider haben nicht alle angefragten Hersteller geantwortet. Apple teilte uns mit, dass sie ungern in die Zukunft gerichtete Aussagen tätigen. Auch die Smartphone-Hersteller Samsung und Xiaomi haben kurzfristig aus Termingründen abgesagt.

Von Leica erreichte uns nur ein kurzes Statement: „Wir sehen Smartphones mit hochwertigen Kamera-Apps nicht als Ersatz von hochwertigen Kamerasystemen, sondern vielmehr als eine wertvolle Bereicherung/Ergänzung.“ Weitergehend wollte sich das Unternehmen, das bei Smartphones unter anderem mit Xiaomi kooperiert, nicht äußern.

Die Kamerahersteller Canon, Fujifilm, Nikon, Panasonic und Sony nahmen zu unserer Anfrage Stellung: 

„Es wird so viel fotografiert wie noch nie.
Das ist eine gute Nachricht.“

Sarah Stuwe,  Canon
Canon EOS R6 Mark II

Sarah Stuwe, PR & Communications Manager DE & CH, Canon.

Foto: © Canon

"Es wird so viel fotografiert wie noch nie, wodurch Menschen auch so früh wie nie in Berührung mit der Fotografie kommen. Das ist erst mal eine gute Nachricht und in unseren Augen eher Chance als Verdrängung – selbst wenn die 'erste Kamera' ein Smartphone sein mag. Auch geht es nicht mehr um die Frage, ob Smartphone oder Kamera, sondern differenzierter darum, wann ich was nutze und welche Bedürfnisse und Anwendungsszenarien gibt es.

Geht es um den schnellen Schnappschuss von unterwegs, für flüchtige Momentaufnahmen, die keinem großen Qualitäts- oder Anspruchsgedanken folgen, ist das Smartphone sicherlich das präferierte Device vieler Menschen. Sobald Kreativität, Qualität und gestalterische Flexibilität im Vordergrund stehen, beweisen sich die Vorteile von Systemkameras. Genau hier holen wir mit unserem breiten Produktportfolio jene Menschen ab, die feststellen, dass ihnen ihr Smartphone nicht mehr ausreicht.

Dies beobachten wir u. a. bei jüngeren Konsument:innen und Content Creators, die ihre Geschichten in sozialen Netzwerken teilen. Sie setzen verstärkt auf exzellente Bildqualität. Hier reicht die Smartphone-Qualität schon lange nicht mehr aus.

Für Profis oder ambitionierte Hobbyisten aus unterschiedlichen Genres der Fotografie (Sport, Natur, Landschaft etc.) hat das Fotografieren mit einem Smartphone und dessen Qualität noch nie ausgereicht, da den gestalterischen Möglichkeiten Grenzen gesetzt sind. Somit steht fest: Kamerasysteme und somit Qualität werden immer Zukunft haben."

Markus Nierhaus, Senior PR Manager, Fujifilm Electronic Imaging Europe GmbH

Seit 2018 setzt Canon auf spiegellose Vollformatkameras: hier das neuste Modell, die EOS R6 Mark II.

Foto: © Canon

„Das Gefühl einer ‚richtigen‘ Kamera ist beim Fotografieren nicht durch ein Smartphone zu ersetzen.“

Markus Nierhaus,  Fujifilm
Fuji X-T5

Markus Nierhaus, Senior PR Manager, Fujifilm Electronic Imaging Europe GmbH.

Foto: © Fujifilm

"In der Anfangszeit von Smartphones war es noch eine klare Sache – die verbauten Kameras eigneten sich für den Party-Schnappschuss zwischendurch, für viel mehr reichte es meist nicht. Heutzutage sind die Smartphone-Kameras ohne Zweifel besser geworden und eignen sich durchaus, um qualitativ solide Aufnahmen anzufertigen.

Hier sind hohe Auflösungen keine Seltenheit und auch hinsichtlich des Funktionsumfangs machen die verbauten Kameras häufig einen respektablen Job. Allerdings sehen wir auch, dass es sich bei Smartphones um keine auf die Fotografie spezialisierten Geräte handelt, sondern vielmehr um Multifunktionsgeräte, bei denen die Kamera nur eine Funktion von vielen ist. Hierbei wird auf eine schlanke Bauweise Wert gelegt, was in Kombination mit der Multifunktionalität zu technischen Einschränkungen führt.

Die in Handys eingesetzte Kamerasoftware realisiert nur digitale Varianten für Zoom oder Bildstabilisierung und kann Effekte wie ein Bokeh in Porträtaufnahmen häufig nur digital simulieren – und das oftmals auf Kosten der Bildqualität. Manuelle Einstellungsmöglichkeiten und die richtige Hardware, insbesondere in Form von Objektiven, eröffnen Fotografinnen und Fotografen bei der Nutzung unserer Digitalkameras einen viel größeren kreativen und technischen Gestaltungsspielraum und führen so zu qualitativ hochwertigeren Aufnahmen.

Für Momentaufnahmen sind Smartphone-Kameras daher sicherlich eine sehr geeignete Alternative, doch sobald es um Details geht, sind ihnen spiegellose Digitalkameras nach wie vor überlegen. Neben den rein technischen und qualitativen Unterschieden ist aber auch das Gefühl einer ‚richtigen‘ Kamera beim Fotografieren nicht durch ein Smartphone zu ersetzen.

Bei Fujifilm-Kameras ist hier insbesondere das beliebte Bedienkonzept, das auch die analogen Wahlräder miteinschließt, zu betonen. Insbesondere für ambitionierte Hobbyfotografen, semi-professionelle und professionelle Fotografen ist die klassische Kamera nicht wegzudenken."

Markus Hillebrand, Manager Communications & Public Relations, Nikon GmbH

Viele Kameras von Fujifilm – hier die X-T5 – setzen auf klassische, mechanische Bedienelemente, die Smartphones naturgemäß nicht mitbringen.

Foto: © Fujifilm

„Smartphones können beim Brennweitenspektrum nicht
mit Systemkameras mithalten.“

Markus Hillebrand, Nikon
Nikon Z9

Markus Hillebrand, Manager Communications & Public Relations, Nikon GmbH.

Foto: © Nikon

"Im Spannungsfeld zwischen Smartphone und Systemkamera geht es immer um die Motivation für und das Anspruchsdenken an die Fotografie. Sind diese gering, wird die Qualität eines Smartphones für manche Anwender sicher ausreichend sein.

Mit unseren Systemkameras bedienen wir die Ansprüche von echten Hobbyfotograf:innen und Profis. Dabei geht es auch um den Akt der Fotografie selbst, den Genuss der Haptik, das Spiel mit Blende, Verschlusszeit und ISO, das Sich-kreativ-Ausleben. Es geht einfach um den Spaß an der Fotografie und darum, tolle Fotos nach den eigenen Vorstellungen machen zu können. Das können Smartphones nicht bieten.

Einige Smartphones können zwar den Bildeindruck einer Systemkamera teilweise simulieren (zum Beispiel Bokeh), aber feine Strukturen bleiben dabei auf der Strecke. Amateure und Profis sehen das.

Mit unseren Systemkameras und Objektiven können Brennweiten bewusst eingesetzt werden, um eine bestimmte Bildwirkung zu erzielen. Dieses Brennweitenspektrum mit Top-Bildqualität können Smartphones schlicht nicht abbilden.

Nicht von ungefähr haben wir im Z-System bereits über 30 verschiedene Objektive im Angebot. Bei entsprechendem Anspruchsniveau bieten unsere Systemkameras perfekte Aufnahmen ohne Kompromisse. Wenn es um das Hobby oder die Berufung geht, leisten Systemkameras einfach mehr!"

Michael Langbehn, European PR Manager, Panasonic

Die Z9 ist Nikons professionelles Flaggschiff und ermöglicht beispielsweise in der Sportfotografie Aufnahmen, die mit einem Smartphone nicht möglich sind.

Foto: © Nikon

„Smartphones führen mehr und mehr Menschen an die Themen Foto- und Videografie heran und wecken kreative Leidenschaften.“

Michael Langbehn,  Panasonic
Panasonic Lumix S5IIx

Michael Langbehn, European PR Manager, Panasonic.

Foto: © Panasonic

"Es ist unbestritten, dass die immer besser werdenden Smartphone-Kameras die Verkaufszahlen im Segment der Einstiegs- und Mittelklassekameras sinken lassen haben. Als ‚Immer-dabei‘-Kamera decken Smartphones mittlerweile einfach alles ab, was lange Zeit als günstige ‚Schnappschusskamera‘ seine Daseinsberechtigung hatte.

Wir bei Panasonic freuen uns über diese Entwicklung. Denn moderne Smartphones mit ihren bereits meist wirklich hochwertigen Kameraelementen und kreativitätsfördernden Apps führen mehr und mehr Menschen an die Themen Foto- und Videografie heran. Sie wecken Leidenschaft, machen das Ausprobieren leicht und fördern Begehrlichkeiten.

Panasonic Lumix CM1

Die Lumix S5IIx wartet mit professionellen Funktionen wie Raw-Video auf und soll im Juni 2023 auf den Markt kommen.

Foto: © Panasonic

Und da kommen wir ins Spiel: Das Lumix G-System und insbesondere die GH-Serie mit ihrer einzigartigen Kombination aus erstklassiger Foto- und Videoqualität ermöglicht diesen Step-up-Usern den unkomplizierten Eintritt in die Welt der Systemkameras. Gerade Social-Media- und Computer-affine Menschen, für die hochwertige Bewegtbildaufnahmen mindestens genauso wichtig sind wie coole Fotos, begeistern sich für unser Lumix G-System.

Anfang des Jahres haben wir mit der Lumix S5II und der S5IIx aber auch unsere neuesten Vollformat-Kameramodelle vorgestellt. Hier stehen als Zielgruppe tatsächlich schon eher die ambitionierten Video Creator und Fotografen im Fokus, die eine Kamera mit Profi-Qualität und -Features suchen – und das im Übrigen zu einem Einstiegspreis, der nur 100 Euro über dem derzeit teuersten iPhone liegt."

Frederik Lange, Director of Etail, Fotoeinzelhandel und B2B, Sony Deutschland

Mit dem Lumix CM1 hat Panasonic Ende 2014 eine Mischung aus Android-Smartphone und 1-Zoll-Kompaktkameras vorgestellt. Das Konzept wurde allerdings nicht weitergeführt.

Foto: © Panasonic

„Sony integriert viele Technologien aus Alpha-Kameras in Xperia-Smartphones.“

Frederik Lange, Sony Deutschland
Sony Alpha 1

Frederik Lange, Director of Retail, Fotoeinzelhandel und B2B, Sony Deutschland.

Foto: © Sony

"Für uns stehen die Bedürfnisse und Anwendungsszenarien des Nutzers im Fokus. Wenn Größe und Handlichkeit für alltägliche Fotos wichtig sind, dann ist ein Mobiltelefon eine gute Wahl. Wir von Sony haben mit Xperia eine großartige Produktpalette.

Wir haben bereits vor langer Zeit erkannt, dass viele Menschen Smartphones vor allem auch zum Fotografieren verwenden und dies in Zukunft noch mehr tun werden. Das ist auch der Grund, warum wir viele unserer speziellen Alpha-Technologien in Xperia einsetzen. Wenn jedoch Kreativität und Flexibilität die Ziele des Nutzers ist, ist eine Systemkamera für diesen Zweck sicherlich besser geeignet. Damit hat der Anwender die Möglichkeit, je nach Situation verschiedenste Objektive zu nutzen, Filter einzusetzen, die Belichtung und viele andere Parameter zu bearbeiten.

Sony Xperia 1 IV Vorder- und Rückseite

Die Alpha 1 ist Sonys professionelles Spitzenmodell und vereint eine hohe Auflösung (50 Megapixel) mit sehr hoher Geschwindigkeit (30 Bilder/s).

Foto: © Sony

Wenn es um Geschwindigkeit geht, weil scharf fokussierte Bilder im Sportbereich wie beispielsweise der Formel 1 gefordert sind, dann ist eine High-End-Kamera wie die Alpha 1 mit einer enormen Serienbildgeschwindigkeit bei voller Auflösung die beste Wahl. Und schließlich: Wenn Sie Bilder und Videos aufnehmen, um sie mit Freunden oder Gemeinschaften zu teilen, zum Beispiel als Vlogger, dann sollten Sie eine spezielle Vlogging-Kamera für eine schnelle Verbindung, ein externes Mikrofon und eine Beleuchtungsausrüstung verwenden.

Die Frage ist also eher, welches Produkt am besten für den Nutzer und seine spezifischen Anforderungen geeignet ist. Wir sind überzeugt davon, dass Unternehmen, die in alten Segmenten und Silo-Denkweisen verharren, nicht auf die Verbraucherbedürfnisse der Zukunft vorbereitet sein werden."

Xiaomi 12S Ultra

Als einziger Kamerahersteller stellt Sony auch Smartphones her. Das Xperia 1 IV ist weltweit das erste Smartphone mit echtem Zoomobjektiv.

Foto: © Sony

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Zukunftskonzepte für Smartphones

Smartphone-Hersteller waren in den vergangenen Jahren äußerst innovativ und haben viele Hardware-seitige Schwächen per Software und künstlicher Intelligenz ausgeglichen. In letzter Zeit entdecken aber immer mehr Hersteller, dass auch Verbesserungen bei der Hardware notwendig sind, um die Qualität weiter anzuheben.

So kommen zunehmend größere Bildsensoren (1 Zoll) zum Einsatz und vereinzelt auch echte optische Zoomobjektive. Als erster Hersteller hat Sony im Xperia 1 IV ein optisches Telezoom verbaut, das – im Vergleich zum Kleinbild – 85-125 mm bei einer variablen Lichtstärke von 2,3-2,8 abdeckt. Der Sensor des Telezooms im 1/3,5-Zoll-Format ist allerdings sehr klein.

Zukünftig dürften mehr Smartphones mit echten Zooms ausgestattet sein. Oppo hatte eine entsprechende Entwicklung schon vor längerem angekündigt und Anfang 2023 stellte auch LG Innotech auf der CES in Las Vegas optische Zoommodule für Smartphones vor.

Xiaomi 12S Ultra mit Leica-Objektiv.

Foto: © Xiaomi

Das vielleicht ungewöhnlichste Konzept hat Xiaomi präsentiert. Die Chinesen kooperieren bei Objektiven mit Leica. In einem Video stellt der Hersteller ein Smartphone-Konzept vor, das einen 1-Zoll-Sensor mit einem Bajonett bspw. für Leica-Wechselobjektive kombiniert. Bedenken sollte man dabei, dass der Cropfaktor des 1-Zoll-Sensors bei 2,7 liegt, die Leica-Objektive also am Smartphone keinen Weitwinkel mehr bieten.

Ob sich dieses und andere Konzepte zeitnah konkretisieren, wird sich vielleicht schon Ende Februar auf dem Mobile World Congress in Barcelona zeigen.

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