Leica M EV1: erste M ohne Messsucher im Praxistest


Leicas M-Serie stand bisher für optische Messsucher. Die M EV1 kommt nun erstmals mit einem internen elektronischen Sucher. Wir konnten die 60-MP-Vollformatkamera bereits einem ersten Praxistest unterziehen.

Farbiges Porträt von Andreas Jordan vor neutralem Hintergrund

Andreas Jordan

Andreas Jordan ist freier Journalist und Mediendesigner.

Das Gehäuse der Leica M EV1 ist mit einer Oberfläche mit Rautenmustern versehen.

Das Gehäuse der Leica M EV1 ist mit einer Oberfläche mit Rautenmustern versehen.

Foto: Leica

Die Leica M EV1 dürfte für gemischte Reaktionen bei Leica-Fans sorgen, schließlich geht das Alleinstellungsmerkmal der M-Serie – der optische Messsucher – verloren. Laut Leica steht M aber auch für andere Eigenschaften, beispielsweise „Meisterstück“ oder „Minimalismus“. Anders als Fujifilm bei der X100- und X-Pro-Serie verbaut Leica keinen Hybrid-Sucher, der sich zwischen optisch und digital umschalten lässt. Wer eine Hybrid-Lösung bevorzugt, kann schon seit Längerem zur M11 greifen und den Messsucher durch den elektronischen Visoflex-2-Aufstecksucher ergänzen, der 3,68 Millionen Bildpunkte auflöst.

Der integriert OLED-Sucher der M EV1 lösstelltt nun wie in der Kompaktkamera Q3 mit 5,76 Millionen Bildpunkte dar. Weitere Daten: Vergrößerung: 0,76fach, Austrittspupille: 20,75 mm, Dioptrienausgleich: -4 bis +2, Frequenz: 60 B/s. 120 B/s – wie andere Spitzenkameras – beherrscht er also nicht. Ansonsten liefert er ein angenehmes, scharfes Bild, das weitgehend frei von Artefakten ist. Auf Knopfdruck lässt sich eine Kantenmarkierung („Peaking“) einblenden, die das manuelle Scharfstellen vereinfacht. Wenn das nicht reicht, gibt es zusätzlich eine digitale Lupe mit zwei Vergrößerungsstufen. Während beim optischen Messsucher das manuelle Scharfstellen viel Übung erfordert (vor allem mit sehr lichtstarke Objektiven und längeren Brennweiten), gelingt es bei der M EV1 immer problemlos und sehr präzise. Tatsächlich haben wir im Test der Kamera im Bereich der Architektur- und Street-Photography den Autofokus nicht vermisst – das gilt natürlich nur, solange man keine sich schnell bewegenden Objekte fotografiert.

Der Funktionshebel neben dem Objektiv schalten zwischen den Crop-Modi um (Vollformat, 1,3x, 1,8x) und aktiviert das Fokus-Peaking.

Der Funktionshebel neben dem Objektiv schalten zwischen den Crop-Modi um (Vollformat, 1,3x, 1,8x) und aktiviert das Fokus-Peaking.

Bild: Leica

Gegenüber dem Messsucher hat der E-Sucher die bekannten Vorteile. Es gibt kein Parallaxe – wichtig vor allem im Bereich Makro –, auch bei langen Brennweiten sieht man ein großes Vorschaubild ohne Leuchtrahmen und der Sucher zeigt eine Echtzeit-Belichtungsvorschau inklusive Helligkeit, Weißabgleich und Farben. So sehen Schwarzweiß-Fotografen das Bild auch im Sucher monochrom. Der Nachteil des E-Suchers ist, dass die Akkulaufzeit mit Sucher von rund 700 auf 237 Aufnahmen gemäß CIPA-Standard sinkt.

Bedienung

Wie schon bei den Q3-Kompaktkameras lässt sich ein Crop-Zoom nutzen. Hierfür steht ein Hebel auf der Vorderseite zur Verfügung. Bewegt man ihn nach links wird das Bild zunächst um den Faktor 1,3 (39,2 MP) beschnitten, beim zweiten Mal um den Faktor 1,8 (18,2 MP). Der Sucher zeigt aber weiter das volle Bildfeld an, der aufgenommene Bereich wird mit Leuchtrahmen kenntlich gemacht.

Die Rückseite der M EV1 ist Leica-typisch sehr aufgeräumt.

Die Rückseite der M EV1 ist Leica-typisch sehr aufgeräumt.

Bild: Leica

Das Design und die inneren Werte der M EV1 lehnen sich stark an die M11 an (hier im Test). Das Zeitenrad mit Automatik-Stellung und der Auslöser mit Gewinde sind vorhanden. Es fehlt allerdings das ISO-Rad auf der Oberseite. Die Anordnung der Bedienelemente auf der Rückseite ist identisch mit der M11. Das gilt auch für die Ergonomie: Leica-M-Typisch gibt es keinen Griff (erhältlich als Zubehör) und die Speicherkarte lässt sich nur herausnehmen, wenn der Akku entfernt wird – was wiederum nicht möglich ist, wenn eine Stativplatte montiert ist.

Der Fotograf kann aber auch den internen Speicher nutzen (64 GB) und die Daten dann per USB-C in den Rechner übertragen. Über die auf der Unterseite angebrachte USB-Schnittstelle lässt sich Kamera natürlich auch laden. Eine Ladeschale ist optional erhältlich. Ansonsten kann die Bedienung auch über den hochauflösenden 3,0-Zoll-Monitor mit 2,3 Mio. Punkten erfolgen: Die Icons des Kurz-Menüs sind berührungssensitiv, das Hauptmenü allerdings nicht.

Auf der Oberseite bringt die Leica M EV1 eine Zeitenrad, aber kein ISO-Rad mit.

Auf der Oberseite bringt die Leica M EV1 eine Zeitenrad, aber kein ISO-Rad mit.

Bild: Leica

Unterstützung für Content Credentials

Auch die inneren Werte sind weitgehend mit der M11 identisch – mit einer größeren Ausnahme: Die M EV1 unterstützt wie die M11-P Content Credentials, kann Bilder also mit einer digitalen Signatur versehen, die Herkunft sowie alle nachträglichen Änderungen fälschungssicher nachweisen soll.

Der mechanische Verschluss der M EV1 schafft als kürzeste Zeit 1/4000 s, mit elektronischem Verschluss lässt sich die Belichtungszeit auf 1/16.000 verkürzen. Die Empfindlichkeit reicht von ISO 64 bis 50.000. An Besonderheiten bietet die Kamera Belichtungsreihen, Intervallaufnahmen, diverse Bildstile, eine Dynamikerweiterung für JPEGs und eine Perspektivkorrektur, die stürzende Linie begradigt.

Außerdem gibt es WLAN und Bluetooth, um mit Leicas „Fotos“-App zu kommunizieren. Ähnlich wie bei Nikon lassen sich bei Bedarf im Hintergrund Bilder per Bluetooth an ein Smartphone übertragen. Vermissen könnte man beispielsweise einen Bildstabilisator, eine automatische Sensorreinigung und eine HDMI-Schnittstelle. Ganz Fotokamera nimmt die M EV1 wie die M11 kein Video auf.

Der elektronische Sucher bringt eine Dioptrien-Korrektur mit.

Der elektronische Sucher bringt eine Dioptrien-Korrektur mit.

Bild: Leica

Geschwindigkeit und Bildqualität

Im schnellen Serienbildmodus haben wir in der Spitze 4,2 Bilder/s gemessen (4,5 B/s laut Datenblatt), wobei die Kamera bereits nach 27 JPEGs oder 9 Raws in Folge langsamer wird. Mit reduzierter Geschwindigkeit und kleinen Aussetzern geht es dann ohne relevante Begrenzung mit rund 3 Bildern/s weiter.

Die Beurteilung der Bildqualität erfolgt zunächst auf visueller Basis, ein Labortest folgt voraussichtlich in fotoMAGAZIN 1/26. Als Objektiv stand uns das Leica Apo-Summicron-M 2/35 mm Asph. zur Verfügung. Diese Kombination löst abgeblendet sehr hoch auf – bei unserem visuellen Testchart wurden feinste Details, wie die Papierstruktur, wiedergegeben die mit dem menschlichen Auge kaum zu erkennen sind. Typisch Leica ist die zurückhaltende Rauschunterdrückung bei JPEGs. Ab ISO 1600 ist in der Werkseinstellung und bei 100 % Farbrauschen sichtbar, dass sukzessive steigt. Ab ISO 3200 fängt auch das Helligkeitsrauschen an zu stören. Texturen bleiben prinzipiell erhalten, werden aber im High-ISO-Bereich vom Rauschen überlagert. Die Kamera erlaubt zwar die Anhebung der Rauschunterdrückung auf +1, dann werden die Bilder aber verwaschener und das Rauschen nur wenig reduziert. Ganz anders sieht es aus, wenn die Raw-Dateien mit einem guten Raw-Konverter entrauscht werden. Dann sind selbst hohe ISO-Werte wie 12.500 noch gut nutzbar. Ein weiterer Grund für den Raw-Modus: Je nach Objektiv verzeichnen die JPEGs – bei Raws lässt sich das mit einem entsprechenden Korrekturprofil vermeiden.

Die Speicherkarte ist nur über das Akkufach zugänglich. Auf der Unterseite befindet sich außerdem die USB-C-Buchse.

Die Speicherkarte ist nur über das Akkufach zugänglich. Auf der Unterseite befindet sich außerdem die USB-C-Buchse.

Bild: Leica

Fazit

Der elektronische Sucher der M EV1 erleichtert den Einstieg in das M-System. Wer den Schritt wagt, und eine optimale Bildqualität erzielen will, sollte im Raw-Modus fotografieren. Im JPEG-Modus nutzt die Kamera das Potenzial des Sensors nicht aus und korrigierte die Verzeichnung nicht vollständig. Preislich liegt die neue Kamera 800 Euro unter der M11, ist mit 7950 Euro aber trotzdem jenseits der Konkurrenz angesiedelt.

Technische Daten zur Leica M EV1

Preis (Liste)ca. 7950 Euro
Sensor: Art/
Abmessungen/
Auflösung/ Pixelpitch
BSI-CMOS
ohne Tiefpassfilter/
35,8 x 23,9 mm/
60,3 MP/
3,76 µm
Bajonett/ Crop-FaktorM/ 1
Autofokuskein
Autofokus
IBIS/
Pixelshift
nein/
nein
Blitzkein Gehäuseblitz/
Blitzschuh/
Synchronzeit: 1/180 s
Belichtungszeiten1/16.000
(1/4000 mechan.) -
60 s,
Bulb (60 Min.)
EmpfindlichkeitISO 64 - 50.000
Videokein Video
SucherOLED (5,76 MP)/
Bildfeld: 100 %/
Vergrößerung: 0,76x
Monitor: Diagonale/
Auflösung
7,5 cm/
2,3 Mio. Punkte,
Touchscreen
Speicherintern: 64 GB,
SD (UHS-II)
Akkuleistung
nach CIPA
244 (Monitor),
237 (E-Sucher)
SchnittstellenUSB 3.1 (Typ C)
Abmessungen
(B x H x T)/
Gewicht
(mit Akku)
138,8 x
80,3 x
38,5 mm/
484 g

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