Ein ideales Objektiv würde alles Licht, das von einem Punkt ausgehend auf dessen Frontlinse trifft, in einem Punkt auf dem Sensor der Kamera bündeln. Weder der Weg des Lichts durch das Objektiv noch seine Wellenlänge sollte dabei eine Rolle spielen. Leider hat kein reales Objektiv diese idealen Eigenschaften und so entstehen Abbildungsfehler (Aberrationen), darunter der berüchtigte Farblängsfehler und der Farbquerfehler.
So entstehen Farbfehler
Die Ursache beider Farbfehler ist dieselbe, nämlich die Dispersion: Glaslinsen brechen kurze Wellenlängen stärker als lange; blaues Licht wird also stärker abgelenkt als grünes und dieses wiederum stärker als rotes Licht. Ihr Erscheinungsbild und ihre Korrektur unterscheiden sich jedoch. Die grundlegenden Abbildungsfehler treten bereits auf, wenn nur eine einzige Wellenlänge im Spiel ist. Wenn wir es aber mit weißem Licht zu tun haben, das alle Wellenlängen enthält, zeigen sie sich je nach der Wellenlänge in anderer Form, und daraus entstehen die farbigen Abbildungsfehler.
Der einfachste Fall ist eine Fehlfokussierung
Meist wird eine Fehlfokussierung gar nicht zu den Abbildungsfehlern gerechnet, weil sie ja nicht dem Objektiv anzulasten und überdies leicht zu vermeiden ist. Komplexer ist die Situation, wenn wir ein Bild im weißen Licht aufnehmen. Aufgrund der Dispersion wächst die Brennweite des Objektivs mit der Wellenlänge. Wenn man für grünes Licht scharfgestellt hat, liegt das scharfe Bild blauer Motive ein Stück vor dem Sensor, während rote Motive erst dahinter scharf abgebildet würden.
Diese unvermeidliche Fehlfokussierung eines Teils der Wellenlängen bezeichnet man als Farblängsfehler oder longitudinale chromatische Aberration. Blendet man ab, wächst die Schärfentiefe und eine leichte Fehlfokussierung wird kaschiert. Da dies für alle Wellenlängen gilt, reduziert Abblenden auch den Farblängsfehler.
Abbildungsfehler: Verzeichnung
Ein anderer monochromatischer Abbildungsfehler ist die Verzeichnung: Der Abbildungsmaßstab ist nicht im ganzen Bild gleich, sondern wächst oder schrumpft von der Bildmitte zu den Rändern. Auch dieser Effekt ist abhängig von der Wellenlänge unterschiedlich stark, und so entstehen überall, wo es hohe Kontraste im Bild gibt, komplementärfarbige Farbsäume – am stärksten an den Bildrändern und -ecken, wo auch die Verzeichnung am stärksten ist. Dieser Farbquerfehler (die laterale chromatische Aberration) ist wie die zugrunde liegende Verzeichnung unabhängig von der Blende; Abblenden hilft daher nicht.
Die klassische Methode, Farbfehler zu verringern, ist die achromatische Korrektur
Bei Zerstreuungslinsen wirkt die Dispersion genau anders herum wie bei Sammellinsen; kombiniert man also eine Sammellinse mit einer gleich starken Zerstreuungslinse, hebt sich deren Dispersion auf. Da sich die Linsen in ihrer Wirkung aber insgesamt aufheben, entsteht kein Bild mehr.
Verwendet man für die Zerstreuungslinse aber eine andere Glasart mit stärkerer Dispersion, kann eine Zerstreuungslinse schwächerer Brechkraft die Dispersion kompensieren, während die Brechkraft der Sammellinse weiter überwiegt. Eine solche achromatische Linsengruppe bricht rotes und blaues Licht in gleichem Maße, aber die Brennweite für grünes Licht bleibt kürzer. Aus dem unterschiedlichen Verhalten grünen Lichts einerseits und rotem und blauem Licht (das sich zu Violett mischt) andererseits entstehen die grünen und violetten Farbsäume, wie sie manche Objektive erzeugen. Die Farbfehler sind nur unvollständig korrigiert.
Eine aufwendigere apochromatische Korrektur vereinheitlicht die Lichtbrechung für mindestens drei Wellenlängen. Eine Methode nutzt Gläser mit einer anomalen Teildispersion: Die Unterschiede der Brechkraft für verschiedene Wellenlängen sind dann nicht einheitlich, sondern beispielsweise zwischen Rot und Grün kleiner als zwischen Grün und Blau. Korrigiert man dann die Dispersion zwischen Rot und Blau, ist sie auch für Grün annähernd kompensiert.
Ein anderes Verfahren nutzt diffraktive Optiken, deren Dispersion der von Glaslinsen entgegengesetzt ist und sie ausgleicht. Diffraktive Optiken wirken wie Sammellinsen; anders als die Zerstreuungslinse einer achromatischen Linsengruppe heben sie also die Wirkung einer Sammellinse nicht auf.
Farbquerfehler lassen sich auch nachträglich digital korrigieren
Für diese Korrektur werden die Bilder im Rot-, Grün- und Blaukanal einzeln entzerrt und die Farbauszüge zur Deckung gebracht. Der Farblängsfehler lässt sich dagegen nicht digital beseitigen, sondern die farbigen Artefakte können nur durch eine Entsättigung kaschiert werden. Da damit auch die Farbe des Motivs verloren gehen kann, muss dies unter Sichtkontrolle im Raw-Konverter geschehen; eine automatische Anwendung ist nicht möglich.
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