Diffraktive Optik – was steckt dahinter?

DO- oder PF-Elemente sind die wohl mysteriösesten aller Objektivkomponenten, nutzen sie doch die als Quelle von Unschärfe gefürchtete Beugung, um scharfe Bilder ohne Farbsäume zu erzeugen und dabei noch besonders kompakte Teleobjektive möglich zu machen.

Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann

freier Journalist und Technikexperte

Kristall Prisma
Foto: © Getty Images/ Adrienne Bresnahan

Ob man sie wie Canon als „Diffractive Optics“ (DO) oder wie Nikon als „Phase Fresnel“ (PF) bezeichnet – beide Namen stehen für optische Elemente, die das Licht wie eine Sammellinse bündeln, dazu aber nicht die Brechung des Lichts beim Übergang zwischen Luft und Glas nutzen, sondern dessen Beugung. Im Objektivbau werden sie vor allem genutzt, um die chromatische Aberration zu korrigieren.

Beim Stichwort „Beugung“ fällt dem Fotografen zunächst die Beugung an der Blende ein, die beim Abblenden zu einer wachsenden Unschärfe führt und den Zugewinn an Schärfentiefe teilweise zunichte macht. Dass die Beugung aber auch eine Alternative zur Lichtbrechung sein kann, kennt mancher von der Fresnelschen Zonenplatte, einer flachen Optik aus abwechselnd transparenten und undurchsichtigen konzentrischen Ringen in einem präzise berechneten Muster. Das Lensbaby Obscura beispielsweise wird mit einer solchen Zonenplatte geliefert.

Linsenelemente grafisch dargestellt

Die Farbfehler von Glaslinsen (links) und diffraktiven Elementen (Mitte) sind entgegengesetzt und heben sich daher gegenseitig auf (rechts).

Illustration: © Michael J. Hußmann, Vorlage: Nikon

Die Lichtwellen, die beim Durchgang durch die verschiedenen transparenten Ringe gebeugt werden, überlagern sich hinter der Zonenplatte, und wenn an einem Punkt Wellenberg auf Wellenberg und Wellental auf Wellental trifft, verstärken sie sich. Trifft dagegen an einem anderen Punkt immer ein Wellenberg der einen Welle auf ein Wellental der anderen, löschen sie sich dort aus. Auf diese Weise entsteht ein Brennpunkt (genauer gesagt ein Haupt- und mehrere Nebenbrennpunkte), sodass die Zonenplatte wie eine Sammellinse wirkt und wie diese ein Bild erzeugen kann.

Fresnellinse – eine besonders kompakte Sammellinse

Mit geeignet dimensionierten Zonen lässt sich sogar das Brechungsverhalten einer asphärischen Linse nachbilden. Da eine so aufgebaute Zonenplatte einen großen Teil des Lichts blockiert, eignet sie sich nicht für die Konstruktion lichtstarker Objektive. Diffraktive Optik- und PF-Elemente besitzen deshalb ausschließlich durchsichtige Ringe mit jeweils von außen nach innen ansteigender Dicke, die eine Phasenverschiebung der Lichtwellen und damit einen ähnlichen Effekt wie eine Zonenplatte bewirken.

Im Querschnitt erinnert eine solche Optik an eine Fresnellinse, wie sie zur Bündelung des Lichts von Scheinwerfern genutzt wird. Sie hat mit dieser aber nichts zu tun – eine Fresnellinse ist eine besonders kompakte Sammellinse und basiert auf der Lichtbrechung, während die Fresnelsche Zonenplatte auf der Beugung des Lichts beruht. Zur Verwirrung trägt bei, dass die diffraktive Optik wie die Fresnellinse vom Physiker Augustin-Jean Fresnel (1788–1827) erfunden wurden.

DO-Linse mit zwei und drei Schichten

Während einfache Diffraktionsgitter kontrastmindernde Flares erzeugen, kann die Kombination von zwei oder (wie beim Canon EF 4,5-5,6/70-300 mm DO IS USM) drei solcher Elemente diesen Nachteil beseitigen.

Illustration: © Canon

Glaslinsen brechen blaues Licht stärker als grünes und grünes Licht stärker als rotes

Eine einfache diffraktive Platte hat den Nachteil, dass ein Teil des Lichts an den Ringen so gebeugt wir, dass es für die Bildentstehung verloren geht. Mit der Kombination von zwei oder gar drei Platten lässt sich das vermeiden; daher sind Canons DO- und Nikons PF-Elemente auf diese Weise aufgebaut. Der Einsatzzweck der diffraktiven Optiken besteht darin, die chromatische Aberration gewöhnlicher Sammellinsen zu kompensieren. Glaslinsen brechen kürzere Wellenlängen stärker als längere, also blaues Licht stärker als grünes und grünes Licht stärker als rotes. Zur Reduzierung der aus dieser sogenannten Dispersion entstehenden Farbfehler kombiniert man traditionellerweise Sammel- und Zerstreuungslinsen mit unterschiedlicher Brechkraft und erreicht so eine achromatische oder apochromatische Korrektur für zwei beziehungsweise drei Wellenlängen. Da diffraktive Optiken eine umgekehrte Dispersion zeigen – sie brechen längere Wellenlängen stärker als kürzere –, kann man sie so mit einer herkömmlichen Sammellinse kombinieren, dass sich deren gegensätzliche Dispersion aufhebt.

Teleobjektiv-Illustration mit Linsenelementen

Diffraktive Optiken erlauben es, den Abstand zwischen den Linsen zu verkürzen, was kompakte Teleobjektive wie das Nikon Z 6,3/800 mm VR S möglich macht.

Illustration: © Nikon

Vorteil von diffraktiven Optiken

Gegenüber den althergebrachten Korrekturmethoden haben diffraktive Optiken einige Vorteile. Ein Objektiv verhält sich insgesamt wie eine Sammellinse, um ein Bild auf dem Sensor zu erzeugen, und wenn zur Korrektur Zerstreuungslinsen ins Spiel kommen, müssen die Sammellinsen das Licht um so stärker brechen, damit ihr Einfluss überwiegt; eine stärkere Lichtbrechung hat aber auch stärkere Aberrationen zur Folge. Durch den Wegfall von Zerstreuungslinsen wird zudem eine kompaktere Bauform möglich, da die verbliebenen Linsen dann einen kürzeren Abstand haben können. Dass die diffraktiven Optiken selbst relativ flach sind, trägt noch dazu bei, die Objektive zu verkürzen. Daher werden diffraktive Optiken vor allem in Objektiven mit sehr langen Brennweiten eingesetzt. Ein aktuelles Beispiel ist das vergleichsweise leichte Nikkor Z 6,3/800 mm VR S.

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