Das richtige Objektiv finden – Welches Objektiv für was?

Objektivschule: Was macht die Unterschiede zwischen den verschiedenen Objektivtypen aus und was bewirken die verschiedenen Brennweiten? Finden Sie die passende Linse: fotoMAGAZIN erklärt Stärken, Schwächen sowie Einsatzgebiete und stellt Vertreter des jeweiligen Bereichs vor.

Porträt Lars Theiß

Lars Theiß

Praxis-Redakteur, seit 1995 im fotoMAGAZIN-Team.

Das richtige Objektiv finden
Foto: © Getty Images / iStockPhoto / Casphotography

In unserer Objektivschule möchten wir nach Brennweitenklassen vorgehen. Alle vorkommenden Angaben beziehen sich auf die kleinbildäquivalente Brennweite, womit sich bereits der erste Erklärungsbedarf meldet.

Historisch betrachtet, war der Kleinbildfilm über Jahrzehnte das dominierende Aufnahmemedium, Negative und Dias haben das Aufnahmeformat 36 x 24 mm. Mit dem Aufkommen der Digitalfotografie wuchsen die anfangs deutlich geringeren Sensorabmessungen an, bis sie schließlich das Kleinbildformat erreichten, das nun auch als Vollformat bezeichnet wird. Dies soll unser Bezugs-Maßstab sein, denn die echten, physikalischen Brennweiten von Objektiven für unterschiedliche Sensorgrößen (APS-C, Micro Four Thirds, Mittelformate etc.) beziehen sich auf eben deren Bildformate.

Um Verwirrung zu vermeiden, wollen wir also immer über die kleinbildäquivalente Brennweite schreiben. Sie lässt sich bei Objektiven für andere Aufnahmegrößen als Vollformat über den sogenannten Crop-Faktor ermitteln. So rechnet man beispielsweise bei APS-C-Objektiven für Nikon oder Pentax mit 1,5x, bei Canon-APS-C mit 1,6x und bei Micro Four Thirds mit 2x.

Die unterschiedlichen Kamera-Sensoren Bei gleicher Brennweite führt ein kleinerer Sensor zu einem engerem Bildwinkel.

Bei gleicher Brennweite führt ein kleinerer Sensor zu einem engerem Bildwinkel.

Foto: © Andreas Jordan

Was ist die Brennweite bei Objektiven?

Genaugenommen geht es bei Fotoobjektiven immer um die Bildbrennweite (im Gegensatz zur Gegenstandsbrennweite). Dafür wird die Entfernung der Haupt­ebene eines Linsensystems bis zu ihrem bildseitigen Brennpunkt oder Fokus (auf der Sensoroberseite oder der Filmoberfläche) gemessen und in Millimetern (mm) angegeben.

Der Bildwinkel wird bestimmt durch die Brennweite und die Sensorgröße

Der Bildwinkel wird bestimmt durch die Brennweite und die Sensorgröße.

Wenn nun diese Millimeterzahl dem diagonalen Maß des Aufnahmemediums entspricht, reden wir von einem Normal- oder Standardobjektiv. Beim Vollformat sind es 43,3 mm. Der Bildwinkel des Objektivs beträgt in diesem Fall rund 53 Grad. In diesem Bereich liegt auch der Bildwinkel, den das menschliche Auge im unbewegten „Ruhezustand“ erfasst. Ist dieser Bildwinkel nennenswert größer (und die Brennweite kleiner), sprechen wir von einem Weitwinkelobjektiv.

Bei einem Teleobjektiv sind der Bildwinkel entsprechend kleiner als 53 Grad und die Brennweite länger als 43 mm. Nebenbei bemerkt wird die fotografische Wirkung einer Brennweite von der Größe des Aufnahmeformats beeinflusst. Deshalb sind beispielsweise 45 mm an einer Mittelformatkamera ein Weitwinkel und an einer MFT-Kamera ein Teleobjektiv. Wir wollen aber bei der kleinbildäquivalenten Brennweite bleiben.

Bedeutung der Brennweite bei Objektiven

Für die Ermittlung der Brennweite wird die Entfernung der Haupt­ebene eines Linsensystems bis zu ihrem bildseitigen Brennpunkt oder Fokus gemessen.

Foto: © illuteam43 für fotoMAGAZIN

Wie berechnet man die Lichtstärke?

Die zweite wichtige Kenngröße eines Objektivs ist seine fotografische Lichtstärke oder maximale Anfangsöffnung. Damit ist die maximale Blendenöffnung gemeint, die in Relation zur Brennweite gesetzt wird.

Ermittelt wird sie durch eine Rechnung: Brennweite geteilt durch Durchmesser der maximalen Blendenöffnung. Beispiel: Ein Objektiv mit der Brennweite 100 mm und einer Öffnungsweite (Apertur) von 50 mm besitzt eine (rechnerische) Lichtstärke von 1:2,0. Somit bestimmt die Lichtstärke darüber, wieviel Licht durch das Objektiv auf den Sensor fallen kann.

Bei Cine-Objektiven berücksichtigt der T-Stop (Transmissionswert) die Lichtverluste durch Linsen. Da die Blende in den allermeisten Fotoobjektiven verstellbar ist, kann sie auch die Lichtmenge regulieren. Da jedoch jeder wissen will, was die größte Öffnung der Blende ist, wird dieser Wert auf den Objektiven angegeben, zum Beispiel f:1,8 oder 1:1,8. Im fotoMAGAZIN nennen wir standardisiert zuerst die Lichtstärke und danach die Brennweite des Objektivs, bspw. 1,8/50 mm.

Blendenöffnung bei Objektiven Die größte Öffnung der Blende wird zum Beispiel mit f:1,8 oder 1:1,8 direkt auf dem Objektiv angegeben.

Die größte Öffnung der Blende wird zum Beispiel mit f:1,8 oder 1:1,8 direkt auf dem Objektiv angegeben.

Foto: © Andreas Gerhardinger / Getty Images

Je kleiner die Blendenzahl ist, desto größer ist demnach die Blendenöffnung; und umgekehrt. Das Öffnen der Blende wird Aufblenden, das Schließen Abblenden genannt. Die (Verstellbarkeit der) Blende hat entscheidende Auswirkungen auf das Fotografieren: Je weiter die Blende geöffnet werden kann, desto kürzer kann die Verschlusszeit sein, um ein korrekt belichtetes Bild zu erhalten; eine unveränderte Sensorempfindlichkeit vorausgesetzt.

Das ist beispielsweise bei schwachem Licht vorteilhaft, um ein Verwackeln der Aufnahme zu vermeiden. Außerdem beeinflusst die Blendenöffnung die Schärfentiefe im Bild: Sie ist bei voller Öffnung vergleichsweise gering und nimmt beim Abblenden zu. So kann zum Beispiel aufgeblendet eine einzelne Blüte in einem Blumenstrauß durch minimale Schärfentiefe isoliert und hervorgehoben werden; abgeblendet wäre der komplette Strauß scharf abgebildet.

Einfluss der Blendenöffnung in der Fotografie

Auch beeinflusst die Blendenöffnung die Schärfentiefe im Bild.

Foto: ©  BeeBright / Getty Images

Bildideen und Umsetzung

Fotografieren können Sie alles, mit jedem Objektiv oder Brennweite. Doch für jedes Motiv gibt es eine Brennweite oder einen Brennweitenbereich (der ab jetzt auch mit „Brennweite“ gemeint sein soll), die von großem Vorteil ist bzw. dem Motiv gerechter wird. Ein paar naheliegende Beispiele sind das Gesichtsportrait, bei dem ein leichtes Tele für eine schöne Abbildung sorgt, die Innenaufnahme einer Kirche, für die ein starkes Weitwinkel nötig ist, oder der Fußball-Zweikampf im Mittelkreis, für den ein längeres Tele die Distanz vom Spielfeldrand zu überbrücken hilft, um nicht nur zwei Trikot-Farbtupfer abzubilden, sondern auch emotionsgeladene Sportlergesichter zeigen zu können.

Unter dem Strich zählt jedoch die Bild­idee des Fotografen: Was will ich dem Betrachter zeigen? Welche Intention habe ich? Was fesselt mich an dem Motiv? Wie setze ich es um: Bilde ich das Motiv exakt so ab wie es vor mir steht oder liegt? Oder inszeniere ich es, beeinflusse die Wirkung mit Lichtsetzung, Umbauten, Requisiten, Statisten? Spätestens hier taucht die Frage nach der Brennweite auf, die ich verwende.

Teleobjektiv oder Weitwinkel?

Angenommen, Sie möchten nachts einen Stern am Firmament fotografieren oder ein bestimmtes Sternbild. Der naheliegende Gedanke ist, ein möglichst langes Teleobjektiv einzusetzen, um den Stern halbwegs erkennbar als deutlichen Lichtpunkt einzufangen. Sie können aber auch den Sternenhimmel mit einem schönen Vordergrund und (lichtstarken) Weitwinkel einfangen und die Sterne funkeln lassen. Oder die berühmten Sternenspuren mit einer Langzeitbelichtung auf den Sensor bannen. 

Equipment und Bedingungen

Die genannte Innenaufnahme einer Kirche lässt sich auch mit einem Normalobjektiv erreichen. Dazu müssen Sie nur mehrere, sich überlappende Aufnahmen machen und diese anschließend zu einem Panorama per Software zusammenfügen.

Es kommt also auf die Bildidee und die Umstände vor Ort an, aber natürlich auch auf das vorhandene Equipment des Fotografen, welche Brennweiten ihm mit welcher Lichtstärke in der gegenwärtigen Situation zur Verfügung stehen und welches Zubehör er einsetzen kann. Hier seien kurz die vielen Miet­angebote für Fototechnik erwähnt, die aus der Verlegenheit helfen können.

Welches Objektiv für was?
Foto: © Getty Images / SDannaS

Um auf die ideale Brennweite für ein Motiv zurückzukommen: Ja, es gibt fotografische Regeln, die bestimmte Brennweiten bestimmten Motiven zuordnen und umgekehrt. Doch ein Sportfotograf wird ebenso wie ein Hochzeitsfotograf nie mit nur einem Objektiv oder einer Brennweite in der Tasche zum Event gehen, sondern sich weitere Optionen offenhalten. Auch hier sind die Regeln dazu da, gekannt und beherrscht zu werden, um sie dann mit einer guten Bildidee gezielt brechen zu können.

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