Im Test: Lichtstarke Telezooms 120-300 mm

Preislich liegen zwischen den beiden außergewöhnlichen Telezooms Sigma 2,8/120-300 mm OS Sports und Nikon AF-S Nikkor 2,8/120-300 mm Welten. Gilt das auch für die optische Leistung und die Ausstattung?

Porträt Lars Theiß

Lars Theiß

Praxis-Redakteur, seit 1995 im fotoMAGAZIN-Team.

Sigma und Nikon 120-300 mm

Links das Sigma 2,8/120–200 mm OS Sports. Preis: ca. 4000 Euro. Rechts das Nikon AF-S Nikkor 2,8/120-300 mm. Preis: ca. 11.000 Euro.

Produktfotos: © Hersteller

Viele Fotografen schielen auf lichtstarke Telezooms, denn sie erleichtern die Aufnahmen von vielen Motiven: Seien es Reportage-, Sport- oder Tieraufnahmen, mit „schnellen“ Objektiven dank hoher Anfangsöffnung werden kurze Verschlusszeiten und schön freigestellte Motive möglich. Neben den gängigen Zooms im Brennweitenbereich von 2,8/70-200 mm bietet Sigma bereits seit 2003 ein einzigartiges 2,8/120-300 mm für Vollformat an. Das Objektiv gibt es seit 2013 bereits in dritter Generation als Sports-Variante für Canon-, Nikon- und Sigma-Anschluss (und mit Adapter für Sony E). Und nun, sieben Jahre später, kreuzt Nikon mit dem AF-S Nikkor 2,8/120-300 mm E FL ED SR VR auf – für Spiegelreflexen. Mittels FTZ-Adapter kann es natürlich auch an Nikons Spiegellosen verwendet werden.

Das neue Nikkor konnten wir schon im BAS-Digital-Test vermessen und in der Praxis ausführlich einsetzen. Das Pendant von Sigma haben wir in fM-Ausgabe 6/2018 getestet, auf die wir uns hier beziehen. Die beiden Zooms sind natürlich auch für APS-C-Fotografen hochinteressant: An einer Nikon D500 wird daraus ein 2,8/180-450 mm!

An dieser Stelle kann es zur Einordnung der folgenden Ergebnisse und Erfahrungen hilfreich sein, über die Preise der beiden Kandidaten zu reden. Das Nikkor hat eine Preisempfehlung von knapp 11.000 Euro, die bei Redaktionsschluss auch dem Straßenpreis entsprach. Das Sigma hat einen Listenpreis von rund 4000 Euro, reell werden derzeit allerdings nur rund 3070 Euro fällig.

Eichhörnchen

Schärfe bis in die Haarspitzen bringt das Nikkor 120-300 mm auf den Sensor. Bei 300 mm bleibt die Auflösung bis Blende f/5,6 im Vollformat auf einem Niveau.
Objektiv: Nikon AF-S Nikkor, 2,8/120-300 mm E FL ED SR VR, Aufnahmedaten: 300 mm, Blende f/3,2, 1/2000 s, -1/3 EV, ISO 400, Kamera: Nikon D850.

© Lars Theiß

Das Nikkor 120-300 mit top Ausstattung wie Tonsignal-Ein/Aus-Schalter und Diebstahlsicherung

Mechanisch ist das Nikkor 120-300 mm sehr gut aus Metall und Kunststoff verarbeitet. Dichtungen schützen es vor Staub und Nässe, die fluorvergütete Frontlinse lässt sich leicht reinigen. Das Nikkor arbeitet nicht geräuschlos, sowohl der Autofokus als auch der Bildstabilisator Vibration Reduction (mit den Modi Normal und Sport) arbeiten hörbar. Geschmeidig laufen die Einstellringe und die drehbare Stativschelle. Während der daran befestigte Fuß (mit zwei Stativgewinden 1/4“ und 3/8“) mit Werkzeug abschraubbar ist, kann die Schelle offensichtlich nur vom Nikon-Service entfernt werden. Der Fußrücken ist gummiert und dadurch ein bequemer Tragegriff. Vier Fokusfunktionstasten sind vor dem Zoomring eingelassen. Sie dienen als Fokusspeicher, als AF-Starttaste oder rufen eine zuvor eingespeicherte Entfernungseinstellung auf.

Der Fokussierbereichsbegrenzer kennt die Einstellungen Full und sechs Meter bis unendlich; weshalb sich der Nahbereich nicht ebenfalls einstellen lässt, bleibt Nikons Geheimnis. Zudem gibt es einen Tonsignal-Ein/Aus-Schalter. Die Schalter sind versenkt gegen unabsichtliches Verstellen, allerdings sehr klein und dicht beieinander angeordnet. Eine Bedienung ohne hinzuschauen dürfte eine lange Einarbeitungszeit benötigen, mit Handschuhen wird es sehr fummelig. Schraubfilter mit Durchmesser 112 mm können an der gummierten Front verwendet werden, eine Filterschublade gibt es nicht. Eine Sicherungsöffnung für ein Stahlseil gegen Diebstahl und zwei Ösen für einen Objektivgurt runden das Zoom ab. Die Lichtschutzmaßnahmen sind wegen einiger glänzenden Innenfassungen nur sehr gut bis ausgezeichnet. Top ist die sehr große Streulichtblende in Carbon-Optik, sie ist mit einem Gummistoßfänger versehen und kann an jeder beliebigen Stelle mit der Klemmschraube festgezogen werden. Innen ist sie mit Samt ausgeschlagen.

Landschaft mit Vögeln

Bei längster Brennweite zeigt das Nikkor eine deutliche Randabdunklung bei Offenblende. Die Auf­lösung ist jedoch bereits auf Höchstniveau.
Objektiv: Nikon AF-S Nikkor 2,8/120-300 mm E FL ED SR VR, Aufnahmedaten: 300 mm, Blende f/2,8, 1/1250 s, ISO 200, Kamera: Nikon D850.

© Lars Theiß

Besonderheit bei Sigma 120-300: Bajonett kann bei Systemwechsel ausgetauscht werden

Auch das Sigma 120-300 mm bietet eine sehr gute Ausstattung und Fassungsqualität, kommt unter dem Strich aber nicht ganz an das Nikkor heran. Es ist etwas kürzer, jedoch etwas schwerer und mit drei Anschlüssen erhältlich. Als Besonderheit kann das Bajonett bei einem anstehenden Systemwechsel vom Service ausgetauscht werden. Seine Nahgrenze ist fließend und am kurzen Ende geringer, am langen Ende größer als beim Nikkor. Die Schraubfilter dürfen beim Sigma etwas kleiner ausfallen und der Fokussierbereichsbegrenzer kennt auch einen Nahbereich. Ein Vorteil für Detailverliebte ist die mögliche Individualisierung via USB-Dock und PC-Software.

Im Vollformat Schwächen bei der Randabdunklung

Das Nikkor 120-300 mm zeigt an beiden Sensorformaten sehr ähnliche Kurvenverläufe der Auflösung. Im Vollformat sorgt Abblenden um eine Stufe für eine minimale Steigerung des Wirkungsgrades auf gute bis sehr gute Werte. Bei APS ist es ebenfalls offenblendtauglich mit sehr guten Anfangswerten, die sich auf sehr gute bis ausgezeichnete steigern. Das Schöne dabei ist, dass die Endbrennweite 300 mm bis Blende f/8 an beiden Sensorgrößen den anderen beiden gemessenen Brennweiten ebenbürtig oder überlegen ist. Vermutlich bedingt durch einen zu kleinen Bildkreisdurchmesser oder den Bildstabilisator zeigt das Objektiv im Vollformat Schwächen bei der Randabdunklung. Bei allen Brennweiten ist sie bei Offenblende deutlich und abgeblendet gut, jedoch spontan auftretend. Bei APS sieht es erheblich besser aus, da die kritischen Randbereiche ausgespart werden. Die Verzeichnung ist immer kissenförmig und nimmt mit der Brennweite auf sichtbare Werte zu. Am APS-Sensor ist sie nur bei der mittleren und langen Brennweite gering feststellbar.

Das Abblenden auf f/18 war der Auflösung nicht förderlich, doch die längere Verschlusszeit zeigt die gewünschte Bewegungsunschärfe beim Spritzen mit Schlamm.
Objektiv: Sigma 2,8/120-300 mm DG OS HSM Sports, Aufnahmedaten: 300 mm (entsprechend 450 mm KB), Blende f/18, 1/40 s, ISO 100, Kamera: Nikon D500.

© Lars Theiß

Das ältere Sigma Sports zeigt nicht zuletzt aufgrund der Pixeldichte aktueller Kameras und seiner hohen Lichtstärke eine erwartbare Offenblendschwäche am Vollformatsensor bei der kurzen und langen Brennweite. Für gute Auflösungswerte sollte um eine, besser um zwei Stufen abgeblendet werden. Am APS-C-Sensor erreicht das Zoom schon bei Blende f/4 sein Maximum, das höher liegt als im Vollformat und sehr gute Werte liefert. Die Randabdunklung ist auch beim Sigma ein Thema: Bei 120 mm ist sie im Vollformat etwas geringer als beim Nikkor, bei 300 mm etwas kräftiger. Abgeblendet verbessert sie sich erheblich, wird aber ebenfalls gering spontan. Leichte Vorteile hat das Sigma bei der Verzeichnung, die mit der Brennweite zunimmt. Bei APS ist sie nur bei 300 mm leicht kissenförmig sichtbar.

FAZIT
Keine Frage, Nikon hat bei dem 2,8/120-300 mm E FL ED SR VR saubere Arbeit geleistet und ein starkes Zoom auf die Beine gestellt. Es überzeugt mechanisch auf ganzer Linie und liefert optisch eine hohe Auflösung mit kleinen Schwächen bei Verzeichnung und Randabdunklung. Dennoch wirkt das Objektiv anachronistisch und etwas aus der Zeit gefallen, sprich etliche Jahre zu spät auf den Markt gebracht. Wer leistet sich heute noch teure Produkte für ein bald auslaufendes technisches System? Vielleicht irre ich mich, aber das Nikon 120-300 mm wird die Spiegelreflexfotografie nicht retten – und schon gar nicht mit dem aufgerufenen Preis, der vermutlich die Interessenten zu Sigma treibt, dessen Zoom nur wenig schwächer ist und nicht einmal ein Drittel kostet.

> Hier gelangen Sie zum Download der Tabelle mit allen Ergebnissen aus unserem Test.

Labormessungen: Anders Uschold

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Dieser Test ist in unserer Ausgabe fotoMAGAZIN 8/2020 erschienen.

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