Die analoge Fotografie feiert ein unverhofftes Comeback

Seit einigen Jahren sieht man verstärkt vor allem junge Menschen mit alten analogen Kameras um den Hals durch die Straßen laufen. Auf Flohmärkten ­informieren sie sich bei den Händlern, und auf Online-Verkaufsplattformen treiben sie für besondere Modelle die ­Preise der totgeglaubten Kameras wieder nach oben. Was hat es mit diesem Phänomen auf sich? 

Winfried Warnke

Winfried Warnke

Kolumnist und freier Autor

Analoge Fotografie: Immer häufiger sieht man Vertreter der Gen Z mit einer Analogen durch die Straßen laufen.

Analoge Fotografie: Immer häufiger sieht man Vertreter der Gen Z mit einer Analogen durch die Straßen laufen.

© Adobe Stock/zhukovvlad

Auch wenn wir jetzt nicht alle die analogen Kameraschätze aus dem Keller holen oder die Schränke von Freunden und Familienangehörigen nach alten Nikons, Canons oder Rolleis durchstöbern, so erlebt die analoge Fotografie aktuell doch eine überraschende Renaissance. Hauptsächlich wird diese getragen von jungen Menschen, meist zwischen 18 und 30 Jahren alt, der sogenannten Generation Z. Sie entdecken totgesagte analoge Medien wie Schallplatten und Musikkassetten, aber auch Spielkonsolen und eben die analoge Fotografie komplett neu – einerseits aus Faszination für das Haptische und vermeintlich Authentische, andererseits sicher auch, um sich abzugrenzen von der ansonsten durchdigitalisierten Welt und auch zur eigenen Entschleunigung. Zeit offline und ohne Bildschirm zu verbringen wird als etwas Besonderes verstanden und erzeugt einen produktiven Enthusiasmus.

Sofortbild-Fotografie ebnete den Weg

Die Sofortbildfotografie, die ebenfalls seit einigen Jahren eine zunehmende Begeisterung ausgelöst hat und wachsende Verkaufszahlen aufweisen kann, war dabei für viele der erste Kontakt mit der analogen Fotografie. Dadurch angefixt, folgte danach die Wiederentdeckung alter Kleinbildkameras und somit eine echte Begeisterung für diese bereits in Vergessenheit geratene Art der Fotografie.

Aus einer Spielerei wurde für viele ein ernsthaftes Hobby. Zudem ist es heute für viele wieder hip, mit der Kamera aus dem vergangenen Jahrhundert zu fotografieren und sie auch möglichst sichtbar vor dem Körper zu tragen. Die analoge Kamera wird damit zum Werkzeug, zum Mode-Accessoire und zum ästhetischen Einrichtungsgegenstand in der eigenen Wohnung zugleich.

Zunehmend lassen sich deshalb auch Vintage-Kameras in der Werbung entdecken – ironischerweise sollen sie nicht ana­chronistisch, sondern modern, weltoffen und eben authentisch wirken. Die Botschaft ist klar: Wer analog fotografiert, rennt nicht jedem digitalen Trend hinterher – und liegt genau damit voll im Trend.

Analoge Entschleuniger

Darauf haben auch die alten Hasen aus der Fotoindustrie erfolgreich reagiert. ­Kodak, der ehemals bedeutendste Filmhersteller, hatte 2012 Insolvenz angemeldet und investiert heute wieder in analoge Fotoprodukte; Leica reaktiviert die Produktion der analogen Kamerakönigin ­Leica M6; Ricoh bringt mit der Pentax 17 ein neues analoges Produkt im Halbformat, und der Kleinstkameraklassiker Rollei 35 bekommt mit der Rollei 35 AF einen aktuellen analogen Nachfolger mit moderner Autofokus-Technik. Und auch an den Hochschulen hat man reagiert: Wurde die analoge Fotografie mit ihrer gesamten Technik und Ausarbeitung jahrelang heruntergefahren und Labore teilweise aufgelöst, so nehmen heutzutage die Ausbildungsaktivitäten in diesem Bereich wieder zu, was nicht nur künstlerisch arbeitenden Fotografen zugutekommt.

Mit der Rollei 35 AF wurde ein Klassiker der Kleinbildfotografie modernisiert und mit der Pentax 17 kehrt das totgeglaubte Halbformat zurück.

Mit der Rollei 35 AF wurde ein Klassiker der Kleinbildfotografie modernisiert und mit der Pentax 17 kehrt das totgeglaubte Halbformat zurück.

Damian Zimmermann

Bewusstes Fotografieren statt Digitalfeuerwerk

Entschleunigung ist das Zauberwort der trendigen Analogfotografie. Es ist eine persönliche Erfahrung, Innehalten fördert Kreativität. Die digitale Aufnahmetechnik provoziert das schnelle Auslösen, verbunden mit der Hoffnung, dass bei 20 Serienaufnahmen schon ein gutes Foto dabei sein wird. Bei nur 36 Aufnahmen auf einem Film, hohen Film- und Entwicklungskosten und dem Fehlen der direkten Bildkontrolle während oder direkt nach der Aufnahme überlegt man sich sehr viel genauer, ob und wann man den Auslöser betätigt – und wann eben nicht. Damit bei den analogen Bildunikaten zufriedenstellende Ergebnisse herauskommen, muss man sich mit der Aufnahmetechnik auseinandersetzen und wird so ein Stück weit auch zum Experten.

Analoge Fotografie als Gegenpol zur digitalen Bilderflut

Die Smartphone-Fotografie und das Auftauchen sozialer Medien wie Instagram haben in den vergangenen 18 Jahren (das erste iPhone kam 2007 auf den Markt) zu einer Bilderflut geführt. Die Masse dieser Fotografien landet reflexartig im Netz, wird vielleicht gelikt, kommentiert und geteilt und verschwindet danach meist wieder in den unendlichen Tiefen eben dieses Netzes. Analog zu fotografieren ist hingegen auch ein Akt, sich von dieser Art der Bildproduktion zu distanzieren. Der lange Weg von der Aufnahme zum fertigen Bild ist ein Prozess, der Freude macht, und Film­entwicklung und -abholung sowie die Weiterverarbeitung sind spannende, überraschende Momente.

Die analoge Fotografie und alte analoge ­Kameras üben vor allem auf junge Menschen eine große ­Anziehungs­kraft aus.

Die analoge Fotografie und alte analoge ­Kameras üben vor allem auf junge Menschen eine große ­Anziehungs­kraft aus.

© Adobe Stock/Ju_see

Wer heute analog fotografieren möchte, schaut sich in der Regel auf dem Gebrauchtmarkt nach Sucherkameras und Spiegelreflexkameras um. Der Secondhand Guide des fotoMAGAZIN bietet eine praktische Markt- und Preisübersicht. Die letzte hochwertige analoge Spiegelreflexkamera, die bis 2020 produziert wurde, war die Nikon F6. Heute ist sie auf dem Secondhand-Markt weiterhin ein begehrtes Stück und kostet im gepflegten Zustand rund 1300 Euro.

Hype mit Nebeneffekten

Doch der Hype um die analoge Fotografie führt auch zu unschönen Nebeneffekten. So gibt es bestimmte Kameramodelle, wie die Yashica T4/T5, Olympus mju II, Contax T2 und Nikon FM2, die von Influencern so sehr gehypt werden, dass die Preise unverhältnismäßig nach oben geklettert sind. Hier scheint es oft wichtiger zu sein, die „richtige“ Kamera dabeizuhaben und somit der Eitelkeit der Besitzer zu schmeicheln, anstatt sich eine passende (und meist günstigere) Kamera für die eigenen fotografischen Interessen und Bedürfnisse auszu­suchen. Auf der anderen Seite ist diese Entwicklung nicht neu: Schon immer gab es auch Fotografen, die sich statt mit ihren Bildern mit ihren Kameras geschmückt haben.

Einstieg in die analoge Fotografie

Um Ihnen auf diesem riesigen Markt ein klein wenig Orientierung zu geben, haben wir einige typische, beliebte und empfehlenswerte Kameras aus verschiedenen Kategorien zusammengetragen. Die Preisangaben beziehen sich dabei auf Privatverkäufe von Exemplaren im sehr gepflegten Zustand und die technisch in Ordnung sind – bei Händlern liegen die Preise naturgemäß meist deutlich höher, dafür gibt es auf die teilweise jahrzehntealte Ware aber auch eine gesetzliche Garantie. Bei gewerblichen Online-Händlern wie beispielsweise MPB gibt es zudem ein generelles Rückgaberecht von 14 Tagen. Gerade bei gebrauchter Ware bietet beides zusammen eine zusätzliche Sicherheit vor defekter Ware. Für verschiedene Kameragruppen ­lassen sich deutliche Highlights bestimmen.

Luxuriöse und edle Kameras

In diese Kategorie fallen meist technisch hochwertige Kameras aus den letzten analogen Baureihen oder Klassiker mit einem hohen Imagewert wie beispielsweise die Nikon FM3 A mit dem 1,8/50mm-Objektiv für rund 660 Euro oder die Leica M6 aus der früheren Produktion, die es ab rund 1900 Euro gibt.

Günstige SLR-Einstiegskameras

Wer mit einer analogen Spiegel­reflex arbeiten, aber nicht zu viel Geld ausgeben will, sollte sich die Canon AE-1 anschauen. Die gibt es oft schon für 120 Euro inklusive ­einer guten Standardbrennweite.

Wer mit einer analogen Spiegel­reflex arbeiten, aber nicht zu viel Geld ausgeben will, sollte sich die Canon AE-1 anschauen. Die gibt es oft schon für 120 Euro inklusive ­einer guten Standardbrennweite.

© Winfried Warnke

Hiermit sind ausgereifte Modelle von klassischen Fotofirmen mit einem sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnis gemeint, die zudem die Möglichkeit für Wechselobjektive bieten. Als Tipp nenne ich hier die bereits für 120 Euro erhältliche Canon AE-1 mit einer 1,8/50-mm-Optik oder die Pentax MX für rund 90 Euro.

Hochpreisige analoge Kompaktkameras

Sucherkameras der Spitzenklasse, die mit einem erstklassigen Objektiv mit Autofokus ausgestattet sind, wurden in der Regel von den großen, bekannten Herstellern produziert und sind bis heute begehrt. Darunter fallen z. B. die Leica Minilux für 450 Euro, die Contax T2 für stolze 950 Euro sowie die trendigen Yashica-Modelle T4 und T5, die meist für 290 bzw. 380 Euro verkauft werden.

Günstige Kompaktkameras

Schnäppchen für Fans der analogen Fotografie: Die Mess­sucher-Kleinbildkamera Olympus 35 RD aus den 1970er Jahren gibt es auf dem Gebrauchtmarkt meist bereits für rund 100 Euro.

Schnäppchen für Fans der analogen Fotografie: Die Mess­sucher-Kleinbildkamera Olympus 35 RD aus den 1970er Jahren gibt es auf dem Gebrauchtmarkt meist bereits für rund 100 Euro.

© Winfried Warnke

Wer hingegen viel Qualität und eine gute Optik für sein Geld haben will und manuelle Einstellmöglichkeiten an der Kamera zu schätzen weiß, sollte sich mal die Olympus XA für 90 Euro, die Minox 35 ML für 70 Euro, die Olympus 35 RD für 130 Euro, die Rollei 35 (Singapore) für 80 Euro, die Olympus Mju-1 für 110 Euro oder die Yashica T3 für 70 Euro anschauen.

Günstige analoge Einstiegsmodelle

Wer allgemein nach einem preiswerten Modell für den Einstieg in die analoge Fotografie sucht, wird meist schon für einen niedrigen bis mittleren zweistelligen Betrag fündig. Um die grundlegende Technik wie Blende, Zeit und Entfernungseinstellung zu erlernen, sind beispielsweise die Kodak Retinette 1A für 25 Euro, die PORST compact-reflex OE und die Festbrennweiten 28 mm, 50 mm und 135 mm für 50 Euro, die Praktica L2 mit 2,8/50 mm Brennweite für 50 Euro und die Samsung ECX 1 für lediglich 40 Euro empfehlenswert.

Sind Sie auf der Suche nach ­einem günstigen Einstieg in die analoge Fotografie? Wie wäre es mit einer Kodak Retinette 1A für bloß 25 Euro?

Sind Sie auf der Suche nach ­einem günstigen Einstieg in die analoge Fotografie? Wie wäre es mit einer Kodak Retinette 1A für bloß 25 Euro?

© Winfried Warnke

Worauf Sie beim Kauf achten sollten

Besonders beim Kauf älterer analoger Kameras sollten Sie auf einige Aspekte achtgeben. Generell gilt: Rein mechanische Kameras können eher und einfacher repariert werden als solche mit eingebauter Elektronik. Zudem können porös werdende Platinen zu Totalausfällen führen. Ein sehr guter Erhaltungszustand spricht für eine eher wenig belastete Mechanik. Allerdings kommt es bei jahrelang ungenutzten Kameras häufig zur Verharzung der beweglichen Teile, was aufwendige Reparaturen zur Folge haben kann. Bei vielen älteren Modellen sind zudem die Schaumgummis porös. Das hat zur Folge, dass sie nur mangelhaft gegen das Eindringen von Licht abgedichtet sind. Bei Spiegelreflexkameras kann dadurch außerdem die Spiegeldämpfung schlecht funktionieren. Klären Sie zudem, ob die Kamera spezielle Batterien, zum Beispiel für den Belichtungsmesser, benötigt und ob diese heute überhaupt noch erhältlich sind.

Filmmaterial

Inzwischen gibt es wieder ein größeres Angebot in der Filmauswahl. Neben den Platzhirschen Agfaphoto, Ilford, Fujifilm und Kodak gibt es auch einige kleinere Manufakturen wie zum Beispiel Adox und Lomography, die mit speziellem Material mit besonderem Charme (Korn/Tönung) die herkömmliche Palette erweitern. Die Preisentwicklung bei Filmmaterial gibt allerdings Anlass zur Besorgnis. Hier kommen dann gerade jüngere Leute, die die Basis des analogen Trends ausmachen, an ihre Grenzen. Komplettangebote der Verarbeitung inklusive Entwicklung und Scans werden angeboten und ermöglichen den Weg ins Digitale. Der Königsweg ist die Selbstverarbeitung im eigenen Labor. Komplette Einrichtungen für Filmentwicklung und Vergrößerung sind auf akzeptablem Niveau gebraucht schon für rund 150 Euro zu erwerben.

Fazit

Analog und digital haben in der Fotografie ihre speziellen Stärken. Doch die analoge Fotografie zeigt, dass auch etwas Altes neu entdeckt werden kann. Negative und deren Abzüge sind bei guter Lagerung auch noch nach vielen Jahren nutzbar, während Dateiformate und Speichermedien nicht mehr abrufbar sind. Der analoge Trend wird sich daher verfestigen, wenn die Preisentwicklungen moderat bleiben.

Beitrage Teilen