Alte Fotoapparate – Tipps für die Sammlung

Dem Reiz ausgesuchter alter Kameras kann sich kaum ein Fotoliebhaber entziehen – vermutlich schlummern bereits einige im Schrank. Wir machen Vorschläge für Sammelgebiete und geben Tipps für den Einstieg.

Winfried Warnke

Winfried Warnke

Kolumnist und freier Autor

Alte Kamera-Sammlung

Bringen Sie System in Ihre Sammlung!

Foto: © Getty Images/Sergey Tinyakov

Über die Motive, auf einer Auktion des Wiener Auktionshauses WestLicht im Mai 2012 für gut zwei Millionen Euro eine Leica der 0-Serie zu ersteigern, ist nichts bekannt. Lang ersehnter Sammlertraum oder schnödes Spekulationsobjekt, Leidenschaft oder Kapitalanlage, das ist die Bandbreite der Beweggründe, derartige seltene Objekte zu erwerben.

Die große Masse der Photographica-Sammler kann schon aus finanzieller Sicht derartige Raritäten gar nicht erwerben, die Motivationslage zum Sammeln ist eine andere.

Kamera-Raritäten

Acht Tipps für den Start einer Sammlung:

  • Suchen Sie sich Ihre emotional aufgeladene Startkamera (eigene Biografie).
  • Bauen Sie um wenige, ausgesuchte Objekte herum ein System bewusst auf.
  • Haben Sie Geduld – kein Angebot ist einmalig.
  • Kalkulieren Sie Platzbedarf ein (Kameras in Kisten begeistern nicht).
  • Bemühen Sie sich um eine ansprechende Präsentation.
  • Setzen Sie sich einen klaren finanziellen Rahmen.
  • Der Zustand der Dinge ist ein wichtiger Kaufaspekt.

Bringen Sie Struktur in Ihre Kamerasammlung

Nicht der materielle Wert steht im Vordergrund, sondern meistens sind es emotionale Bezüge. Damit aus Sammeln nicht unnützes Horten wird, ist es notwendig, sich zu einem bestimmten Zeitpunkt Ziele zu setzen und eine gewisse Struktur in die Sammlung zu bringen.

Finanzieller Rahmen und Platzangebot bilden Vorgaben, die bindend sind, soll das Ganze sich nicht chaotisch entwickeln. Orientierungswissen erhält man im Austausch mit anderen Begeisterten auf Börsen und in Fotoforen, natürlich auch in Fachliteratur. Sammeln ist auch Geschichtsunterricht, Photographica sind eingebettet in historische und gesellschaftliche Zusammenhänge.

Die „Vollständigkeit“ kann das Sammlungsziel sein, das die Richtung vorgibt und Orientierung schafft, bevor Beliebigkeit zu Frust und Raumnot führt. Realistisch ist dieses Ziel eher nicht. Bei aller selbstauferlegter Sammlungsstruktur, Offenheit für spontane Lustkäufe und Flexibilität in der Sammlungsausrichtung müssen möglich sein. Es wäre eigentlich niederschmetternd, wenn man zu seiner Sammlungsidee wirklich alles zusammengerafft hat.

Das Sammeln fotografischer Gegenstände hat fast ausschließlich analoge Gebiete zum Inhalt. Scheinbar wollen Sammler das Analog-mechanische. Da surrt noch der Verschluss, Elektronik scheint hier zu wenig Emotion zu haben. Reparaturprobleme und Schwierigkeiten mit der Energieversorgung schrecken ab. Digital ist anwenderbezogen, analog etwas für Freaks.

Durch die schier unendlichen Möglichkeiten der Adaption analoger Spitzenobjektive an die Digitalen können auch für den Sammler Brücken zwischen alt und neu geschlagen werden, da können Linsen mit Exakta-Bajonett an Sony FE montiert und Pentax-110-Objektive an Olympus MFT genutzt werden. Die große Nachfrage nach älteren, analogen Qualitätsfestbrennweiten im Secondhand-Bereich kann nicht nur aus Sammlerbegehren stammen. Kamerageschichte ist nach wie vor die große Erzählung einst analoger Marken.

Spätestens nach dem Lustkauf einiger alter Kameras oder Objektive sollte man sich zur Sammelleidenschaft bekennen und versuchen, Struktur in seine Ansammlung zu bringen, Eingrenzungen vorzunehmen. Wir geben Ihnen einige Ideen, die sich von der kleinen zur großen Sammlung orientieren.

Eine Kamera eingebettet in eine Kamera-Baureihe

Ob nun klassische Volkskamera-Baureihen der 50er- und 60er-Jahre des letzten Jahrhunderts (Agfa/Kodak/Voigtländer/Zeiss/Ikon) oder mechanische Profi-Boliden (Nikon F-Typen) – sie haben Kamerageschichte geschrieben. Technikentwicklung ist die zentrale Idee. Etwas für Detailfreunde, die sich auch für minimale Unterschiede bei Kameratypen begeistern können. Auch hier gibt es Kameralinien für kleine und große Geldbeutel.

Pentax Kameras 1960er- und 1970er-Jahre

Wer Leica sagt, meint die klassische M-Serie, fortgeführt auch ins digitale Zeitalter.

© Leica

Die persönliche Kamera-Geschichte

Sehr individuell und auf die eigene Biografie fixiert sind Sammlungen, die den eigenen fotografischen Werdegang dokumentieren. Oft zeigen sie den technischen Aufstieg.

Minox Kameras

Pentax Kameras: In den 1960-/70-er-Jahren der Maßstab für Kompaktheit und höchste mechanische Qualität.

© Winfried Warnke

Bei den „alten Hasen“ könnte der analoge Aufstiegsprozess von einer Kodak Retina über SLRs wie Praktica Nova oder Pentax ME zur Nikon FE oder F3 geführt haben, bevor nach einigem Zögern die Reihe digital über die Nikon D2 und dann D700 fortgeführt wurde, folgend mit der Nikon D750 und vorläufigem Endpunkt Z7. Dieser Aufstiegsweg ist natürlich auch für andere Marken denkbar. Markentreue wird hier oft dokumentiert.

Die „jungen Hasen“ haben bei den Eltern vielleicht noch analoge Luft geschnuppert und durften sich im Rahmen von Erziehungsbemühungen die wertvolle Analoge einmal ausleihen und haben hier Appetit bekommen, um dann über eine Canon EOS 300D qualifiziert in das Hobby Fotografie einzusteigen.

Da ist man dann oft nicht stehengeblieben und hat sich über eine EOS 20D oder 5D (I/II/III) vielleicht zur Canon EOS R hochgearbeitet. In diese Kategorie dürfen auch entsprechende Objektive in der Sammlungserweiterung aufgenommen werden, die den persönlichen Weg begleitet haben. Wenn man das Ganze nicht so eng sieht, kann die Sammlung auch um Kameras und Objektive erweitert werden, die der Sammler gerne besessen hätte, sich aber nicht leisten konnte (Nikon F2-Typen/ Canon F1/ Nikon D3/ Canon EOS-1D-Modelle).

Die Kamera mit sämtlichem Zubehör

Ausgangspunkt der Sammlung kann eine Kamera aus vorheriger Gruppe sein. Zentral für die Sammel-Motivation ist eine hohe emotionale Bindung zur Start-Kamera. Ein überschaubares Sammelgebiet, kleiner oder größer je nach Kamerawahl, etwas für Feinarbeiter und Liebhaber des Details.

Polaroid SX70

Silberne Handschmeichler mit großem System – Minox-Kameras nicht nur für Spione.

© Winfried Warnke

Neben gängigem Zubehör, wie passenden Objektiven, kommt bisweilen skurriles Kleinzeug dazu: Filter, Blenden, Sucher, Motoransätze, Werbematerial, Anleitungen. Ein gründliches Einarbeiten mit Hilfe von Literatur und Netz-Informationen legt die Basis, man wird zwangsläufig zum Spezialisten, Kontakte zu Gleichgesinnten lassen den Sammler nicht vereinsamen.

Auch das Aufstöbern kleiner Funde erfreut den Sammler. Die Kosten sind sehr unterschiedlich; zwischen einer Voigtländer Vito und einer Leica M3 liegen finanziell schon Welten. Kennzeichnend für diesen Sammelansatz ist ein hoher dekorativer Charakter, vielseitig und filigran. Hat sich dieses Sammelgebiet erschöpft, lässt es sich um das folgende erweitern.

Sammlung: Kamera-Design-Highlights

Einem gänzlich anderen Sammelansatz folgen Liebhaber, die sich am Kamera-Design orientieren.

Sammlung Voigtländer Kameras

Polaroid SX70 (1972), faszinierende Sofortbildkamera mit Bildern, die schon eine Kunstform darstellen.

© Getty Images

Während Photographica-Sammler in der Regel technisches Interesse in den Vordergrund stellen, erfreut sich der Design-Freund am Äußeren. Nicht Funktion ist zentral, sondern Form. Etwas für den Ästheten, der die Kamera nicht als Maschine betrachtet.

Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts spielte Design im Kamerabau, wenn überhaupt, nur eine untergeordnete Rolle. Von Hersteller zu Hersteller sahen Kameras eines Filmformats nahezu identisch aus. Hunderte von Plattenkameras verschiedener Produzenten sind kaum zu unterscheiden. Erst im Laufe der Zeit bemerkte man, dass Haptik und Design in einem Zusammenhang stehen und sich die Produkte durch ein ästhetisches Äußeres vom Konkurrenten durchaus abheben konnten.

Eine M-Leica ist in ihrem Gewand einmalig, eine Rollei 35 schon von der Form her ein Markenzeichen, die Minox-Silberlinge sind glatte, schnörkellose Handschmeichler und die Olympus OM-1 ist ein Schönling.

Kamera-Design ist mit seinen Höhepunkten ein Teil der Design-Geschichte. Luigi Colani hat mit seiner spezifischen Formgebung maßgeblich die Canon T90 beeinflusst und danach ganze Kameragenerationen. Die analogen Contax-Spiegelreflexen, Contax RTS und Nachfolger, wurden äußerlich von Porsche Design entworfen und verbanden grandios Wertigkeit mit Schönheit.

Polaroids SX-70-Typen sind von der Gestaltung einmalig und unverwechselbar. Der Sammler mit Blick aufs Design schätzt den hohen dekorativen Charakter. Ihm geht es nicht vorrangig um den materiellen Wert. Es sind sowohl recht teure Exemplare wie die Contax RTS III als auch preiswerte Stücke – wie die futuristische Konica Aiborg und Canon epoca – zu finden.

(Lieblings-)Kamera mit den Highlights einer Firma

Vintage Belichtungsmesser

Deutsche Kamera-Tradition pur – Voigtländer Kameras für jeden Geldbeutel, Symbol des Wirtschaftswunders.

© Winfried Warnke

Die Begrenzung auf einen Hersteller kennzeichnet auch dieses Sammelfeld. Bei Traditionsfirmen werden hier leicht Zeiträume beschrieben, die viele Jahrzehnte umfassen. Voigtländer z. B. konnte in Braunschweig eine über hundertjährige Firmengeschichte aufweisen; da gibt es schon viel zu sammeln. Um sich nicht zu verzetteln, sollte der Sammler von einem konkreten Modell ausgehen und dann dieses in eine abgegrenzte Firmen-Historie einbetten.

Die Wahl der Firma kann durchaus regional begründet sein, Dresden oder Jena stellen ergiebige Ausgangspunkte dar. Dabei sind die Modelle von herausragender Bedeutung, die allgemein Kamerageschichte geschrieben haben. Viele Firmen hatten ihre zentralen Technik-Höhepunkte in konkreten Modellen, die wegweisende Umbrüche auslösten: Leica M3/ Nikon F/ Canon EOS-1/ Rolleiflex zweiäugig/ Contax RTS.

Randgebiete – Kamerazubehör-Sammlung

Von vielen „normalen“ Sammlern belächelt, stellen die Liebhaber außergewöhnlicher Gerätschaften schon einen besonderen Typ dar.

Belichtungsmesser – lange Zeit unverzichtbares externes Zubehör.

© Winfried Warnke

Wer sich allein für Belichtungsmesser, Unterwasserkameras, Werbematerial oder gar Spielzeugkameras interessiert, wirkt schon etwas spleenig. Derartigen Marotten wird dann oft Ernsthaftigkeit abgesprochen.

Dabei haben gerade die Toys einen hohen dekorativen Wert und werden auch von Fotouninteressierten als unterhaltsam empfunden. Die Materie Belichtungsmesser ist etwas für Technik-Experten und Minimalisten. Werbematerial besitzt als Sammlungsgegenstand einen hohen Unterhaltungswert und kann laufend aktualisiert werden.

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