Sony Xperia 1 im Test: Sprung in die Profiliga?

Mit dem Xperia 1 will Sony wieder in der Profiliga mitspielen und Apple, Huawei und Co. Paroli bieten. fotoMAGAZIN-Autor Dirk Schützner hat sich im Test besonders die Fotofunktionen des Smartphones angeschaut.

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Sony Xperia 1, Farbauswahl
© Sony

Ein Artikel von Dirk Schützner

AUSSTATTUNG, HANDLING UND VERARBEITUNG

Mit einer unverbindlichen Preisempfehlung von 949 Euro reiht sich das Sony Xperia 1 nahtlos in das aktuell sehr hohe Preisgefüge ein. Technisch bietet es mit einem AMOLED-Display in 4K-Auflösung sogar ein absolutes Novum. In meinem Test konzentriere ich mich aber mehr auf die drei Kameras des Sony Xperia 1. Die Sensoren stammen natürlich aus eigener Fertigung und so sollte der Hersteller ja wohl einen Vorteil zur Konkurrenz haben?!

Das Menü der Kamera-App.

Das Menü der Kamera-App.

Foto: © Dirk Schützner

Ausstattung beim Sony Xperia 1

 

Das 167 x 72 x 8,2 mm kommt in den vier Farben Schwarz, Weiß, Grau und Lila daher und ist mit 178 Gramm nicht gerade leicht. Das langgezogene Design hat aber einen einfachen Grund, das Xperia 1 bietet als erstes Smartphone überhaupt ein 6,5 Zoll großes CinemaWide 4K HDR OLED Display im ungewöhnlichen 21:9-Format. Kinofans werden diese Auflösung kennen, wird doch nahezu jeder Blockbuster in diesem Format aufgezeichnet. Und genau da setzt sich das neue Sony von der Konkurrenz ab: Das Betrachten von Videos im passenden Format (zum Beispiel über Netflix, YouTube und Co.) ist auf dem hellen und farbtreuen Display einfach ein Genuss. Hier stört mich keine Notch und kein runder Ausschnitt für eine Frontkamera. Ich kann mich voll und ganz auf den Inhalt konzentrieren.


Der spezielle Creator-Modus „Powered by CineAlta“ (siehe unten) setzt dem Ganzen noch einmal die Krone auf. Sofern das passende Filmmaterial zur Verfügung steht (aktuell ist das nur bei Angeboten von Netflix der Fall), werden die Farben im Film genau so dargestellt, wie es der Filmregisseur vorgesehen hat. Das sieht dann wirklich beeindruckend aus. Die 4K-Auflösung steht übrigens nur im Videomodus zur Verfügung, abseits davon unterscheidet sich die Qualität des Displays nur wenig von anderen AMOLED der Konkurrenz. Über den Sinn oder Unsinn einer derart hohen Auflösung auf einem relativ kleinen Display kann man sowieso streiten. Aber wer es einmal in Aktion gesehen hat, will nichts anderes mehr.

Das Handling

Die Bedienung des Xperia 1 unterscheidet sich nicht von den Vorgängermodellen. Alle Tasten befinden sich auf der rechten Seite des Metallrahmens. Auch der Fingerabdrucksensor wurde hier verbaut. Im Test gab es keine Probleme bei der Erkennung meiner Fingerabdrücke, obwohl ich das Gerät überwiegend in der linken Hand halte und somit nicht mit dem Daumen, sondern mit dem Mittelfinger entsperre. An eine Gesichtserkennung hat der Hersteller allerdings nicht gedacht. Im Gegensatz zur Konkurrenz findet man beim Xperia 1 einen dedizierten Kameraauslöser. So kann ich die Kamera auch bei deaktiviertem Display starten. Keine lästige Fummelei auf dem Touchscreen, die Kamera ist in knapp drei Sekunden einsatzbereit, auch ohne dass das Xperia 1 zuvor entsperrt wird.

Sony Xperia 1 beidseitig

Sony Xperia 1 in Lila mit der Kamerataste.

Foto: © Sony

Verarbeitung

Die Verarbeitung und auch die Haptik des Sony Xperia 1 sind nahezu perfekt. Es gibt keine störenden Kanten, das große Display geht dabei nahtlos in den Rahmen über. Die Vorder- und Rückseite bestehen dabei aus Glas. Die Vorderseite selber wird durch Corning Gorilla Glas 6 gegen Kratzer geschützt. Der glänzende Rahmen ist aus Aluminium gefertigt und das Smartphone ist wassergeschützt (IP65/68). Sony gibt in den eigenen Garantiebestimmungen allerdings an, dass das Smartphone nicht vollständig in Wasser eingetaucht und nicht mit Meer-, Salz-, gechlortem Wasser oder Getränken und ähnlichen Flüssigkeiten in Kontakt gebracht werden soll. Damit ist es für Unterwasseraufnahmen (offiziell) eher ungeeignet.

AKKU, PERFORMANCE UND KAMERA

Das Sony Xperia 1 unterstützt alle aktuellen Standards. So kann man nicht nur über LTE (4G) in der Cat 19 surfen, sondern auch im WLAN 802.11a/b/g/n(2,4 GHz)/n(5 GHz)/ac. Verbindung zu anderen Geräten nimmt das Smartphone per USB 3.1 und NFC bzw. Bluetooth 5.0 auf. Der USB Type-C-Ausgang ermöglicht Video/Bild über DisplayPort (DisplayPort 4K 60 BpS), allerdings nur mit einem passenden USB-C auf HDMI-Adapter bzw. -Kabel. Das mitgelieferte Exemplar für das 18 Watt starke PD-Netzteil harmonierte hier leider nicht mit meinem LG 34UC99-W.

Die Kamera Pro-App vom Sony Xperia 1

Die Kamera Pro-App.

Foto: © Dirk Schützner

Die Sende- und Empfangsleistung waren im Test (Netz der Telekom und o2) einwandfrei. Das gilt auch für die Gesprächsqualität über die beiden Lautsprecher. Der Stereo-Sound des Xperia 1 ist sehr laut und kräftig und kann auf Wunsch noch durch ein von Sony als "Dynamic Vibration System" bezeichnetes Feature verstärkt werden. Hierbei wird der Vibrationsmotor mit der Tonspur der Videos bzw. Soundtracks synchronisiert und es erfolgt eine haptische Rückkoppelung.

Die Performance des Snapdragon 855 in Kombination mit 6 GByte RAM ist mehr als ausreichend für alle anstehenden Aufgaben, Spiele oder sonstigen Zeitvertreib. Das gilt dann leider nicht für den 3300 mAh starken Akku. Der kommt bei mir im Test auf eine Laufzeit von rund 14 Stunden. Das klingt an sich noch gut, die Konkurrenz liefert hier aber Kraftzellen mit 4000 mAh und eine Laufzeit von über 24 Stunden. Geschockt hat mich beim Xperia 1 die Screen-On-Time, bei mittlerer Helligkeit und gemischter Nutzung (LTE/WLAN) hält der Akku nur etwa fünf Stunden durch. Für die Filmer unter uns könnte das zu einem Problem werden. Eine Powerbank sollte man daher immer in Reichweite haben.

Die Kameraqualität

Sony ist ohne Zweifel der Platzhirsch, was die Qualität von Kamerasensoren bei Smartphones betrifft. Nahezu jedes Konkurrenzprodukt greift auf die erstklassige Technik von Sony zurück und liefert dabei oft eine hervorragende Bildqualität ab. Als Beispiel führe ich das Google Pixel 3 (XL) an. Nur bei den eigenen Geräten hat der Hersteller – zumindest in der Vergangenheit – kein glückliches Händchen bewiesen.

Die Fotofunktionen im Überblick.

Die Fotofunktionen im Überblick.

Foto: © Dirk Schützner


Im Gegensatz zu anderen aktuellen Modellen kommt beim Xperia 1 nicht der neue Sony-Sensor IMX586 mit seiner Auflösung von 48 Megapixel zum Einsatz. Auch wenn die Anzahl der Megapixel noch nichts über die Qualität aussagt, so wirkt diese Entscheidung bei einer UVP von 949 Euro doch etwas befremdlich auf den Käufer. Sie hinterlässt irgendwie den Eindruck, man bekomme nur die 2. Mannschaft zur Gesicht.
Aber ganz so leicht gibt sich das Xperia 1 nun auch nicht geschlagen. Mit insgesamt drei Kameras sowie einem speziellen Videomodus in 21:9 will der Hersteller (auch) das Herz der zahlreichen Hobby-Fotografen höher schlagen lassen. Und auf dem Papier bzw. in der Werbung gelingt ihm das auch.

Sony Xperia 1 mit drei Sensoren

Alle drei Sensoren des Sony Xperia 1 erlauben Aufnahmen mit bis zu 12 Megapixel. Der Exmor RS der Hauptkamera ist dabei immerhin 1/2,6“ groß und bietet einen Bildwinkel von 78° (kleinbildäquivalent von 26 mm). Die Blende f/1,6 ist für Smartphones zeitgemäß. Der Pixelabstand beträgt hier 1,4 μm. Die Kamera selber verfügt über einen optischen Bildstabilisator (OIS) und einen eigenen DRAM-Cache für Videoaufnahmen in Superzeitlupe. Die zeichnet das Smartphone mit bis zu 960 Bildern pro Sekunde auf, allerdings nur für ein paar Sekunden und auch nur in Full-HD-Auflösung.

Die drei Kameras des Sony Xperia 1.

Die drei Kameras des Sony Xperia 1.

Foto: © Sony

Der zweite Sensor löst ebenfalls mit 12 Megapixel auf, ist dabei aber nur 1/3,4" groß und bietet nur eine Blende f/2,4 sowie einen Pixelabstand von 1 μm. Mit einem Bildwinkel von 130° (kleinbildäquivalent 16 mm) ist er für die Ultraweitwinkel-Aufnahmen zuständig. Daher haben die Ingenieure ihn auch nur mit einem Fixfokus ausgestattet. Die Verzeichnungen, die bei solchen Aufnahmen üblicherweise auftreten, kann ich in den Kamera-Einstellungen korrigieren. Das geht allerdings zu Lasten der Bildqualität. Bei der Bildstabilisierung setzt Sony auf den eigenen SteadyShot mit einer Fünf-Achsen-Stabilisierung. Der kommt seit 2008 auch in vielen anderen Kameras des Herstellers zum Einsatz.

Beim dritten Sensor handelt es sich ebenfalls um einen 1/3,4” großen 12-Megapixel-Sensor mit einem Pixelabstand von 1 μm und Blende f/2,4. Der Sensor bietet einen Bildwinkel von 45° (kleinbildäquivalent 52 mm) und kann - wie der Hauptsensor - auf einen OIS in Form des Optical SteadyShot (Hybrid OIS/EIS Video Stabilization) zurückgreifen.

Die Selfie-Kamera

Freunde gepflegter Selfies müssen beim Sony Xperia 1 mit einem 1/4” großen 8-Megapixel-Sensor (Blende f/2,0) mit einem Pixelabstand von 1,12 μm Vorliebe nehmen. Da kommt die Konkurrenz in Form des Huawei P30 Pro auch mal eben mit 32 Megapixel daher. Die Frontkamera bietet neben HDR (High Dynamic Range) auch eine Bildstabilisierung (SteadyShot mit Fünf-Achsen-Stabilisierung). Die Aufnahmen kann ich über die Software mit Selfie-Effekten – gemeinhin auch als Beauty-Modus bekannt – versehen. Bei Dunkelheit dient das Display als eine Art "Blitz". Die Kamera selber löst dabei entweder durch den Druck auf den Kameraauslöser (dabei kann das Bild natürlich verwackeln) oder durch eine spezielle Wischbewegung mit meiner Hand bzw. einem Lächeln aus. Letzteres macht sich also nicht nur gut auf Fotos, sondern ermöglicht mir auch Selfies ohne die Hilfe Dritter.

BILDQUALITÄT UND FAZIT

Soviel zur Theorie. Die spannende Frage ist, was kommt dabei heraus?

Im Ergebnis liefert die Kamera ab, das kann ich an dieser Stelle bereits verraten. Sie kann sich aber nicht von der Konkurrenz absetzen. Und genau das verwundert mich aufs Neue. Wie kann es beispielsweise sein, dass der Nachtmodus eines Google Pixel 3 absolut überzeugt, während der Hersteller des Sensors hier nur ein durchschnittliches Ergebnis abliefert? Die Antwort ist so einfach, wie ernüchternd: Es liegt an der Software.

Gießkanne im Dunkeln

Im Nachtmodus haben die Bilder ein sichtbares Rauschen.

Foto: © Dirk Schützner

Die eingebaute Kamera-App bietet auf dem Sony Xperia 1 eine Vielzahl von Optionen. So kann ich die Bildgröße zwischen 12 Megapixel (4:3) und 9 Megapixel (1:1) variieren oder mich an einer automatischen Objektverfolgung im Videomodus erfreuen. Ich kann meine Haut über Soft-Skin-Effekte verfeinern und eben die Verzerrungen des Weitwinkelobjektivs begradigen. Daneben bietet mir Sony auch virtuelle Gitterlinien für den goldenen Schnitt an. Auf Basis der Motive werden sogar ganz automatisch die passenden Szenemodi aktiviert. Bei Nachtaufnahmen schaltet die Kamera dann auch brav in einen Nachtmodus. Dieser kann vom Ergebnis her nicht mit dem Google Pixel 3 mithalten.

Low-Light-Schwächen

So bekommt man zwar relativ natürlich wirkende Farben und die Aufnahme wird auch nicht künstlich aufgehellt. Sie weist aber ein sichtbares Rauschen auf. Bei ausreichend Licht geraten die Aufnahmen deutlich ansehnlicher, ohne sich meiner Meinung nach von der ähnlich teuren Konkurrenz absetzen zu können. Auch bei den Portraitaufnahmen mit dem doch eher künstlich wirkenden Bokeh-Effekt kann mich die Kamera des Xperia 1 nicht gänzlich überzeugen.

Frauenporträt mit Bokeh

Der auswählbare Bokeh-Effekt wirkt ziemlich künstlich.

Foto: © Dirk Schützner

Die Aufnahmen wirken je nach Lichtverhältnissen mitunter blass. Im Ergebnis liefert das Sony Xperia 1 eine gute, aber leider nicht überzeugende Kameraqualität ab. Andere Modelle, die ebenfalls den Sensor aus dem Hause Sony nutzen, kommen oft zu einem besseren Ergebnis. Hier muss der Hersteller dringend nachbessern.

Videoqualität

Das gilt besonders für den Videomodus. Der glänzt zwar immer noch mit vielen Augmented-Reality-Spielereien, diese überhitzen das Smartphone aber schon nach kurzer Zeit. Das gilt leider auch für Videoaufnahmen im  4K-Modus bei 60 Bildern pro Sekunde. Sehr schade, denn die Qualität im Videomodus kann mich überzeugen.

Screenshot Videomodus, Blumentopf

Im Videomodus überhitzt das Sony Xperia 1 schnell.

Foto: © Dirk Schützner

„Powered by CineAlta“

Am Ende möchte ich noch kurz die Cinema Pro App „Powered by CineAlta“ vorstellen. Diese richtet sich laut Sony an “Hobby-Filmer”. Im Gegensatz zur normalen Kamera-App kann ich meine Videos an dieser Stelle nämlich auch in 21:9 aufzeichnen. Daneben stehen einige Filter wie Monochrome, Warm, Kalt zur Auswahl. Wer mag, kann sogar Hand an die Farbsättigung, den Fokus, ISO und Verschlusszeiten anlegen. Die Videoaufnahmen erfolgen dann mit 23,98 bzw. 29,97 Bildern pro Sekunde.

Die App ist zwar nett, aber auch überflüssig. Zum einen hätte Sony sie problemlos in die normale Kamera-App integrieren können, zum anderen ist sie nicht mehr als eine Spielerei. Als YouTuber stören mich persönlich die vorgefertigten, teils sehr künstlich wirkenden Filter. An dieser Stelle hätte ich mir lieber einen Raw-Modus gewünscht, das Feintuning überlasse ich meiner Schnittsoftware auf dem PC.

Cinema Pro App

In der Cinema Pro App kann u. a. die Fokussierentfernung ausgewählt werden.

Foto: © Dirk Schützner

Fazit zum Sony Xperia 1

Insgesamt liefert das Sony Xperia 1 eine gute Vorstellung ab. Überzeugt hat dabei das grandiose 4K-Display in 21:9, wobei die 4K-Auflösung für mich eher zweitrangig war. Die Konnektivität sowie die Performance des Smartphones gaben keinen Anlass zur Klage. Die Akkulaufzeit ist mit etwa 14 Stunden allerdings eher unterdurchschnittlich, tägliches Aufladen daher unumgänglich. Die Kamera- und Videoqualität der Triple-Kamera mit ihren 12-Megapixel-Sensoren fällt im Vergleich mit der Konkurrenz nur durchschnittlich aus. Mit Blick auf den aktuellen Preis von rund 950 Euro dürfte es Sony schwer haben, foto-affine Kunden vom Kauf des Flaggschiffs zu überzeugen.

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