Fotografieren mit natürlichem Licht: 6 Tipps für schönere Fotos

Nicht nur mit Kunstlicht und Blitz lässt sich Licht gezielt und attraktiv setzen. Wir zeigen Ihnen, worauf Sie beim Fotografieren mit natürlichem Licht achten sollten

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Dieser Artikel ist in unserer Ausgabe fotoMAGAZIN 02/2017 erschienen.

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Illustration: © ESSL@123RF

Stellen Sie sich vor, Sie sind unterwegs und haben nichts dabei außer Kamera und Objektiv. Keinen Blitz, keinen Reflektor, kein sonstiges Zubehör. Wenn Sie dann ein Portrait aufnehmen müssen, ist die Gefahr gegeben, dass das Ergebnis so ausfällt wie im Beispiel-Gruppenbild.

Natürliches Licht 01: Gruppenbild im Freien

Licht von oben – so bitte nicht. Die Mädchen sind fotogen, aber das Licht ist unterirdisch.

Foto: © Tilo Gockel

Wenn man sich das Bild genauer ansieht, wird schnell klar, wo die Probleme liegen. Das Grüppchen wurde in der direkten Sonne um die Mittagszeit aufgenommen, und so kommt das Licht von oben, anstatt von der Seite. Den Augenhöhlen fehlt Licht von vorne und hässliche Waschbäraugen sind die Folge. Weiterhin sind die Schatten zu hart. Vorteilhaftes Portraitlicht sieht anders aus – vergleichen Sie die Illustrationen weiter unten.

Sechs Regeln für das Fotografieren mit natürlichem Licht

Die erste Regel, die Waschbäraugen vermeidet, liegt auf der Hand: Es ist wichtig, Licht, das von oben einfällt, abzublocken oder von Anfang an zu verhindern. Übrig bleibt dann nur noch das Licht von der Seite, das die Augenhöhlen füllt, ein Catchlight ins Auge zaubert und einen vorteilhaften Nasenschatten erzeugt.

1. Licht von oben abblocken: Suchen Sie sich einen Unterschlupf

Versuchen Sie, Licht von oben zu vermeiden. Suchen Sie Dächer, Überhänge, Balkone oder Hauseingänge, die das Licht von oben abblocken. Alternativ können Sie auch einfach etwas warten, bis die Sonne tiefer steht.

Natürliches Licht 02

FRONTALES LICHT
Vorteilhaftes Portraitlicht fällt von vorne, (hoch)frontal ein. Es erleuchtet die Augen und bewirkt eine vorteilhafte Schattierung. Der Nasenschatten fällt nach unten. In unseren drei Beispielen wandert die Lichtquelle von der Mitte nach links. So entstehen die drei klassischen Beleuchtungen Butterfly- (links), Loop- (Mitte), Rembrandt-Licht (rechts).

Illustration: © ColorValley@Fotolia

2. Schatten aufsuchen: So vermeiden Sie harte Schatten in der Mittagssonne

Die zweite Regel schließt sich direkt an: Wenn man harte, ausgeprägte Schatten vermeiden möchte, muss man der direkten Sonne aus dem Weg gehen. Suchen Sie sich einen schattigen Bereich außerhalb der direkten Sonne. Wieder taugt ein Dach, aber auch eine Hauswand oder ein Baum kommen in Frage. Platzieren Sie das Modell derart im Schatten (an der Wand zum Beispiel), dass auf dem Gesicht eine interessante und vorteilhafte Schattierung entsteht, die das Gesicht plastisch erscheinen lässt.

3. Gegenlicht suchen: Short Light vs. Broad Light

Die dritte Regel basiert darauf, dass Short Light interessanter ist als Broad Light, und dass Fotos häufig besser wirken, wenn der Hintergrund hell ist. Nur so entstehen interessante Reflexe und Zerstreuungskreise wie beim Aufmacherfoto und das Ergebnis wirkt nicht so flach wie unser Negativbeispiel.

Natürliches Licht 03

BROAD & SHORT LIGHT
Wenn die Nase nicht direkt in die Kamera zeigt, sieht man die zugewandte Gesichtshälfte breiter, die abgewandte schmäler. Beleuchtet man den zugewandten Teil, entsteht Broad Light (links), sonst Short Light (rechts). Beide Lichtarten taugen, aber Short Light erzeugt eine ausgeprägtere Schattierung und wirkt daher plastischer und interessanter.

Illustration: © ESSL@123RF

Fotografieren Sie das Modell mit dem Rücken zur Sonne, denn so entsteht ein Haar-, Kanten- und Streiflicht, das den Portraitierten vom Hintergrund separiert. Auch ist im Gegenlicht die Wahrscheinlichkeit groß, dass interessante Reflexionen im Hintergrund entstehen, die dann offenblendig zu den begehrten „Bokeh Bubbles“ werden.

Jetzt fragen Sie sich wahrscheinlich, wo denn das frontale Licht herkommen soll, wenn die Sonne von hinten einfällt. Tatsächlich wird die Sonne aber auch von der Umgebung reflektiert – vom Betonboden, von gegenüberliegenden Fassaden und Fensterscheiben – und fällt so, wenn man die Winkel geschickt wählt, auch hochfrontal von vorne ein.

4. Natürlich aufhellen: Behalten Sie stets das Gesicht des Models im Auge

Achten Sie im Gegenlicht auf eine natürliche Aufhellung von der anderen Seite. Das kann die Reflexion der Sonne über den Boden sein, über ein Schiffsdeck, eine gegenüberliegende Fassade und vieles mehr. Achten Sie auf helle Augenhöhlen und auf einen interessanten Augenreflex, ein „Catchlight“.

Orte mit schönem Licht sind nicht immer ganz leicht zu finden, aber man bekommt mit der Zeit ein Auge dafür. Wichtig ist, bei der Suche stets das Gesicht des Modells im Blick zu haben und zu kontrollieren, ob der gewünschte Augenreflex erscheint und ob die Schattierung vorteilhaft ausfällt. Am einfachsten gelingt das, wenn man sich um das Modell herum bewegt und es bittet, mit der Nasenachse zu folgen.

Sie merken langsam, dass es viele Einflussfaktoren für schönes Licht gibt und dass es gar nicht so einfach ist, ideale Plätze zu finden. Das führt zur nächsten Regel.

Beispiel 1: Auf dem Bahnsteig

5. Licht vor Kulisse: Gehen Sie auf Nummer Sicher

Bei schönem Licht kann man leicht auch auf einem unscheinbaren Parkplatz tolle Portraits aufnehmen. Die Fotos misslingen dagegen selbst vor dem Taj Mahal, wenn das Licht ungünstig ist. Wenn Sie auf natürliches Licht angewiesen sind, dann ist also das Licht vor Ort wichtiger als eine schöne Kulisse im Hintergrund. Bei unansehnlichen Hintergründen helfen eine lange Brennweite und eine offene Blende, alles Unschöne in der Unschärfe verschwimmen zu lassen.

Aber selbst wenn Sie eine Stelle mit schönem Licht gefunden haben, sind noch nicht alle Probleme gelöst. Vorteilhafte Gegenlichtsituationen überfordern die Belichtungsautomatik der Kamera. Eine Spotmessung aufs Modell wäre eine Möglichkeit, aber einfacher gelingt die Einstellung im M-Modus. Das Raw-Format bietet Ihnen dabei einen kleinen Rettungsschirm und ermöglicht Ihnen, die Aufnahmen auch später noch in der Belichtung etwas zu verschieben.

6. Kamera manuell einstellen: So behalten Sie besser die Kontrolle

Schalten Sie auf den manuellen Modus und auf das Raw-Format. Verwenden Sie eine Displaylupe und den Live-View-Modus (mit Exposure Simulation) oder den elektronischen Sucher. Tarieren Sie die Belichtung anhand dieser Anzeige aus. Achten Sie darauf, dass das Modell optimal belichtet ist und dass keine wichtigen Bildteile übersteuern (im Display blinken). Der Himmel darf blinken, das Modell aber nicht. Belichten Sie im Zweifelsfall eher etwas unter. Es ist einfacher, Bildbereiche später etwas zu pushen, als übersteuerte Bereiche zu retten.

Weitere Beispiele für das Fotografieren mit natürlichem Licht

Im zweiten Beispiel im Park funktioniert das Licht etwas anders, aber der Ansatz ist der gleiche. Hier war es nicht möglich, das Licht von oben abzublocken, da kein Dach oder Vorsprung vorhanden war. Dann hilft es, Sonnenstand und Wetter genauestens im Blick zu behalten. Das Handy-Making-of der Szene wirkt noch nicht besonders fotogen, aber das Licht macht Hoffnung.

Das Modell ist im Schatten platziert, und die diesige Sonne steht tief und wirkt als diffuses Gegenlicht. An der Nase und Schulter und im Haar des Modells kann man das interessante Kanten- und Streiflicht, das dadurch erzeugt wird, gut erkennen.

Wenn Sie für solche Shootings den Sonnenstand stets genau im Auge behalten möchten, hilft Ihnen eine App wie „The Photographer‘s Ephemeris“, die sowohl browserbasiert auf dem PC als auch auf dem Smartphone funktioniert. Damit können Sie genau erkennen, wie und in welchem Winkel die Sonne zu einer bestimmten Jahres- und Tageszeit einfallen wird.

Beispiel 2: Im Park

Die nächsten Bilder im dritten Beispiel sind im Künstlerhaus Kurus in Heidelberg entstanden. In der Aufnahme vor Ort erkennen Sie an den langen Schatten, dass die warme, nachmittägliche Sonne durch das Fenster bereits recht tief steht. Im Innenräumen, nahe an einem Fenster, wird das Licht von oben abgeblockt und übrig bleibt wieder das erwünschte frontale Licht.

Wir haben dieses Licht hier für einen besonders starken Kontrast als ausgeprägtes Gegenlicht genutzt. Alternativ könnte man auch das Modell weiter in den Raum hereinholen und so den Kontrast zwischen dem Gegenlicht vom Fenster und dem reflektierten Licht im Raum verringern. Solche Entscheidungen sind dann ganz einfach Geschmackssache.

Beispiel 3: Innenräume

Das vierte Beispiel ist in einem Restaurant auf der Außenterrasse aufgenommen. Wieder war es wichtig, das Licht von oben abzuschatten, was hier durch das Zeltdach leicht zu realisieren war. Im Anschluss mussten wir nur noch einen Platz aussuchen, an welchem das diffuse Tageslicht von zwei Seiten einfällt. Der Burger und die Limonade stehen im Gegenlicht der dominanten Lichtrichtung, werden aber auch von der anderen Seite aufgehellt, da das Zeltdach auch an der Außen- und Rückseite geöffnet ist.

Auf den entstandenen Fotos erkennen Sie im Hintergrund auch die ansehnlichen Zerstreuungskreise, die durch die Gegenlichtsituation und die Reflexe in der Umgebung entstanden sind. Weiterhin wirken der Hintergrund kühl und das Gericht warm. Dieser interessante Farbkontrast war im Motiv bereits vorhanden und wurde dann in Photoshop noch etwas verstärkt.

Beispiel 4: Restaurant-Außenbereich

Dieser Artikel ist in unserer Ausgabe fotoMAGAZIN 02/2017 erschienen.

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