Gabriele Galimberti

In seiner preisgekrönten Reportage „Ameriguns“ bechäftigt sich der Italiener Gabriele Galimberti mit den Waffen der US-Amerikaner. Ein Gespräch über fanatische Sammler und Reaktionen auf sein Projekt.

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Gabriele Galimberti

Der Fotograf: Gabriele Galimberti (45) lebt im Val di Chiana in der Toskana.

Foto: © Gabriele Galimberti

Text und Interview: Jesper Storgaard Jensen

Gabriele Galimbertis Projekt „The Ameriguns“ wurde 2021 mit dem World Press Photo Award ausgezeichnet. Unser Autor sprach mit dem italienischen Bildjournalisten im September 2022 über die Entstehungsgeschichte dieser weltweit publizierten Bildreportage zu Amerikas Faszination mit Schusswaffen.

fotoMAGAZIN: Ihr Projekt begann damit, dass Sie aus purer Neugierde einen amerikanischen Waffenladen betraten …
Gabriele Galimberti: Ich hatte gerade für National Geographic in den USA ein Projekt über den Markt für Dinosaurierfossilien abgeschlossen. Mir blieb etwas Freizeit und so bummelte ich noch herum, als mich meine Neugierde zum ersten Mal in ein Geschäft für Schusswaffen trieb. Ich war ziemlich verblüfft, denn dort erwartete mich ein ganzes Arsenal der verschiedensten Waffenarten.

Im Laden kam ich mit einem Mann ins Gespräch, der gerade eine Waffe kaufte. Als ich mich erkundigte, ob es seine erste sei, meinte er: „Oh nein, ich habe noch ganz viele andere bei mir zu Hause.“ Als ich ihn dann fragte, ob ich die fotografieren dürfe, sagte er: „Klar, kein Problem.“ So fing alles an.

fotoMAGAZIN: Was passierte dann?
Gabriele Galimberti: Als ich all die Waffen sah, die dieser Mann zu Hause hatte, wurde mir klar, dass es hier eine Geschichte zu erzählen gab. Also wandte ich mich an National Geographic und hatte das Glück, dass die Zeitschrift bereit war, das Projekt zu finanzieren. Ich begann 2018 und war Anfang 2021 fertig, nachdem ich 30 amerikanische Bundesstaaten bereist hatte.

„Für Amerikaner sind Waffen ein extrem spaltendes Thema.“

Gabriele Galimberti, Fotograf und Bildjournalist

fotoMAGAZIN: Es ist Ihnen gelungen, in viele Häuser zu gelangen, um die Besitzer von Schusswaffen zu fotografieren. Wie haben Sie diese Menschen gefunden?
Gabriele Galimberti: Ich habe viel bei Facebook und Instagram recherchiert. Über Hashtags zum Thema Waffen bin ich auf Seiten gestoßen, auf denen Menschen mit ihren Schusswaffen prahlten. Ich fand etwa 500 Profile, die ich anschrieb und um Erlaubnis bat, diese Waffen zu fotografieren. Etwa zehn Prozent haben mir zurückgeschrieben. Letztlich waren es 40 Personen und Familien, die mich in ihr Haus gelassen haben.

fotoMAGAZIN: Viele Europäer sind entsetzt, wenn sie lesen, welches Verhältnis Amerikaner zu ihren Waffen haben. Sind sich Amerikaner dessen bewusst?
Gabriele Galimberti: Nein, sie wissen das nicht und viele interessiert das auch nicht. Sie verstehen nicht, dass wir Europäer das als Problem sehen. Jährlich werden in den USA 40.000 Menschen durch Schusswaffen getötet, das sind etwa 110 Menschen am Tag. Um das Problem zu bekämpfen, reicht es nicht, ein Gesetz zu erlassen, das den Zugang zu Schusswaffen einschränkt. Es ist notwendig, die ganze Grundeinstellung zu ändern. Das kann meiner Meinung nach nur über drei bis vier Generationen hinweg geschehen.

fotoMAGAZIN: Ihre Fotos von Amerikanern mit ihren Waffen sind beeindruckend und beängstigend zugleich. Hat Sie einer dieser Menschen besonders beeindruckt?
Gabriele Galimberti: Jeder von ihnen hat mich beeindruckt, schon allein durch die Menge an Waffen, die sie zu Hause hatten. Zwei oder drei davon schienen mir etwas zu sehr begeistert und ich dachte, vielleicht sollten die eher keinen Zugang zu Schusswaffen haben.

fotoMAGAZIN: Hat Ihr Projekt viel Aufmerksamkeit bekommen?

Gabriele Galimberti: Ja. Bislang wurde es weltweit in etwa 50 Zeitschriften veröffentlicht. Viele meiner Fotos kursieren auch auf Twitter. Im vergangenen Jahr hatte ich das Glück, einen World Press Photo-Award zu erhalten.

fotoMAGAZIN: Haben denn auch amerikanische Magazine die Fotos veröffentlicht?
Gabriele Galimberti: Es ist schon seltsam, denn in den USA hat „The Ameriguns“ viel weniger Aufmerksamkeit erhalten als anderswo. Wenn ich mit gewöhnlichen Amerikanern über die Probleme mit Schusswaffen spreche, sagen viele, dass dies sicher ein Problem sei. Aber wenn es dann darum geht, das Problem anzugehen, ändert sich oft die ganze Diskussion.

Das ist selbst bei Journalisten so. Nehmen Sie nur mal diese merkwürdige Tatsache: National Geographic hat das gesamte Projekt finanziert. Sie haben mich komplett unterstützt und mir geholfen, doch am Ende haben sie kein einziges Bild von „The Ameriguns“ veröffentlicht.

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