Lois Lammerhuber: Direktor des Festivals La Gacilly-Baden Photo

Der österreichische Verleger und Festivalmacher Lois Lammerhuber über das Festival „La Gacilly-Baden Photo“, das auf der einzigartigen Zusammenarbeit zweier starker Persönlichkeiten aufbaut.

Manfred Zollner

Manfred Zollner

Chefredakteur fotoMAGAZIN

Lois Lammerhuber
Foto: © Courtesy of Lois Lammerhuber

Eine sieben Kilometer lange Open Air-Galerie im Grünen erwartet die Besucher des Festivals La Gacilly-Baden Photo in dem idyllisch gelegenen Kurort Baden bei Wien. Das Besondere dieses größten Outdoor-Fotofestivals Europas: Die spektakuläre Bilderschau ist das Ergebnis einer einmaligen Zusammenarbeit zwischen einer französischen und einer österreichischen Kleinstadt, sowie dem kulturellen Engagement zweier herausragender fotoaffiner Persönlichkeiten.

Anlässlich des diesjährigen Festivals (vom 15. Juni bis 15. Oktober 2023) unter dem Motto „Orient“ sprachen wir vor Ort mit dem Direktor des Festivals La Gacilly-Baden Photo in Baden bei Wien.

Ausstellung La Gacilly-Baden Photo 2023

Das Festival La Gacilly-Baden Photo hat in diesem Jahr den Themenschwerpunkt „Orient“.

Foto: © Manfred Zollner

fotoMAGAZIN: Wie ist die Idee zu einem Festival wie La Gacilly-Baden Photo entstanden, das zwei Städte und zwei Nationen verbindet?
Lois Lammerhuber: Natürlich gibt es dafür nur einen einzigen Grund: Zufall! Niemand hatte einen Plan dieser Art im Kopf. Ich habe die Möglichkeit erkannt und versucht, das Festival ins Leben zu bringen. Der Spiegel, in den wir schauten, zeigte uns, was es bisher gab und was nicht mehr auf der Höhe der Zeit funktioniert. Ich finde, ein Festival im Sommer mit Anteilen im Outdoor-Bereich muss man befreien von Eintrittsgeldern und Zutrittsbeschränkungen.

„Jacques, du kennst doch die Art Basel Miami. Aber du kennst noch nicht La Gacilly-Baden!“

Lois Lammerhuber, Verleger und Direktor des Fotofestivals La Gacilly-Baden Photo

Jacques Rocher ist einer der drei Söhne des Unternehmers Yves Rocher, der in der Nachfolge seines Vater Bürgermeister von La Gacilly geworden ist und auch weiter im Aufsichtsrat des Kosmetik-Konzerns Rocher sitzt. Jacques hatte eines Tages eine Idee: Wir haben in Frankreich viele Bildagenturen: lasst uns mit ihnen die Welt ins Dorf bringen und dies im öffentlichen Raum machen.
Ich lernte Jacques Rocher über unseren gemeinsamen Freund Pascal Maitre beim Fotofestival in Perpignan kennen. Wir waren uns sympathisch und trafen uns danach immer wieder zum gemeinsamen Essen. Diese endeten stets damit, dass er meinte: Im Juni eröffne ich das Festival und du bist herzlich eingeladen.  Jedes Mal, wenn es dann so weit war, schaute ich auf die Landkarte und dachte, das ist aber so weit weg.
Als ich mit Pascal Maitre eines Tages ein Buch über Baobab-Bäume machte, hat Jacques das mitbekommen und gefragt, ob wir einen Sponsor brauchen. Er half unter einer Bedingung: Die Buchpräsentation musste in La Gacilly sein. Das war 2017. Und so kam ich schließlich dort hin. Und auf einmal fiel alles auf seinen Platz, wie in einem Puzzle.
Ich bin dort gleich losgezogen und habe mir gedacht: Verdammt, das sieht gut aus, das würde bei uns auch passen. Dann kam das Abendessen und der Zufall spielte erneut mit. Ich traf spät ein, holte mir etwas vom Buffet und sah, dass rechts von Jacques ein freier Platz am Tisch war. Plötzlich hörte ich mich dort beim Essen Sätze sagen wie: „Jacques, du kennst doch die Art Basel Miami. Aber du kennst noch nicht La Gacilly-Baden!“
Ich erinnere mich noch gut, wie er damals den Löffel, den er gerade im Mund hatte, in seiner Hand hielt und nachdachte.
Dann fragte ich ihn, ob wir die Nachnutzung für die Bilder nach dem Festival bekommen könnten. La Gacilly zeigt sie im Jahr eins, wir fahren alles nach Baden, ich beteilige mich an den Kosten und dann zeigen wir sie im Folgejahr in Baden. Jacques Rocher konnte sich das gut vorstellen.

Ich bin also mit einem Festival im Gepäck zurück nach Baden gekommen, hatte aber dort noch keinen Bürgermeister für die Idee. Noch dazu war mir der Bürgermeister mir unbekannt, da er gerade erst gewählt worden war. Ein gemeinsamer Freund stellte ihn mir vor. Und als ich von La Gacilly erzählte, recherchierte er sofort auf dem Smartphone. Sein erster Satz war: Wann fahren wir hin?
 
fotoMAGAZIN: Wie waren dann die Anfänge der Kooperation?
Lois Lammerhuber: Dem Bürgermeister hat es in La Gacilly gefallen. Danach kam der Gegenbesuch der Franzosen und wir haben im Rathaus einen Vertrag unterschrieben. Damit war alles auf dem Weg. Im ersten Jahr haben wir das Festival komplett übernommen – mit ein paar Adaptionen, denn nicht alle Bilder passen an jede Hauswand. Etwa 60-70 Prozent haben wir in den beiden Parks aufgestellt. Und damit in der Stadt auch etwas ist, zeigten wir einen kleinen Teil im Biedermeier-Rosengarten. Das kam ganz gut an. Der Handel merkte, dass Interessierte in die Stadt kamen, und die Bevölkerung nahm das Festival sehr gut auf. Natürlich startete die Stadt sofort Umfragen und die Zustimmungsrate lag bei 80 Prozent, also richtig hoch.

Ausstellung La Gacilly-Baden Photo 2023

Sarah Carons Fotos in Baden.

Foto: © Manfred Zollner


fotoMAGAZIN: Hat sich das Festival durch die Kooperation mit Baden verändert – und wenn ja: wie?
Lois Lammerhuber: Der eigentliche Treiber für Veränderungen war die Pandemie, denn während der ersten beiden Jahre haben wír das Festival übernommen. Der Handel wünschte sich dann auch Ausstellungen in der Stadt und das machten wir als nächstes in Baden. Die Bilder passten allerdings nicht mehr genau zum Konzept von La Gacilly.
Die Anfangsidee des Festivals von La Gacilly gibt es schon lange nicht mehr. Zunächst wurden dort überwiegend Landschafts- und Reisebilder präsentiert. Nach etwa drei Jahren lernte Jacques Rocher dann ein Kuratoren-Paar kennen: Florence Drouhet (damals Kuratorin am Pariser Musée Européenne de la Photographie) und ihren damaligen Ehemann Cyril Drouhet, Chefredakteur des Figaro-Magazins. Kunst, Reportage und Dokumentarfotografie waren bei ihnen in einem Haus. Zwischen beiden Bereichen gibt es sonst oft einen großen Graben. Heute haben wir bei La Gacilly Baden eine vorsichtige Durchmischung mit Schwerpunkt auf der Dokumentarfotografie. Seit Drouhet an Bord ist, gibt es ein Manifest, das sich u. a. dem Umweltgedanken widmet.

Jährlich wird die Conditio humana betrachtet und in einem zweiten Erzählstrang verhandeln wir den Zustand der Welt. Der dritte Erzählstrang – also das, was wir in Baden dazutun – ist das, was ich salopp die Stakeholder-Positionen nenne. Da ich in einer viel größeren Stadt als La Gacilly unterwegs bin, ist das Verfahren hier auch komplizierter. Da gibt es andere Interessenslagen: Das Land gibt Geld, die Stadt gibt Geld, Sponsoren haben eine eigene Ausstellung und geben Geld. Das machst du dann, wenn es zum Programm passt. Und dann wollen wir auch natürlich österreichische Fotografie zeigen.

„Wir brauchen eine Million Euro Budget, da komme ich mit 1000 bis 2000 Euro nicht weit. Ich brauche substanzielle Partner, sonst geht das nicht.“

Lois Lammerhuber

fotoMAGAZIN: In Frankreich gibt es viel mehr Fotofestivals als in Deutschland oder Österreich. Hat sich durch die Konkurrenz in Frankreich etwas in der Gewichtung von La Gacilly-Baden verschoben?
Lois Lammerhuber: Nein, aber die Pandemie hat uns gezwungen, das Festival-Budget zu verkleinern, da wir keine Veranstaltungen mehr machen konnten. Wir mussten beispielsweise die Plakatierung über vier Monate im Großraum Wien aufgeben. Als Ersatz haben wir Partnerschaften aufgebaut. Im Monat der Fotografie in Bratislava haben wir jetzt drei bis vier Ausstellungen.

Ausstellung La Gacilly-Baden Photo 2023

Aufnahmen von der iranischen Fotografin Maryam Firuzi.

Foto: © Manfred Zollner

fotoMAGAZIN: Beruhigt sich nach dem Abklingen der Corona-Pandemie die finanzielle Situation des Festivals wieder?
Lois Lammerhuber: Wenn einmal das Geld weg ist, dann bekommst du es nicht ohne weiteres zurück. Aber es geht so auch. Hier ist das Festival auf vielen Beinen aufgestellt. Wir brauchen eine Million Euro Budget, da komme ich mit 1000 bis 2000 Euro nicht weit.
 
fotoMAGAZIN: Sind Sie heute bereits bei der Auswahl der Werke für La Gacilly dabei?
Lois Lammerhuber: Ja. Wir reden darüber, das ist ein fließender Prozess. Es gibt keinen Tag X, an dem alles entschieden wird. Jetzt hört Auguste Coudray auf, der 20 Jahre Präsident von La Gacilly-Photo war. Das sind große Schuhe. Es gibt praktisch keine andere Nachfolge-Möglichkeit, als dass Jacques Rocher das Amt nun selbst übernimmt.
 
fotoMAGAZIN: Wo sehen Sie Potenzial für eine Weiterentwicklung des Festivals?
Lois Lammerhuber: Sicher in der Dynamik. Wir wollen wieder mehr Veranstaltungen machen. Das ist ganz wichtig bei einem Treffpunkt, dass man nicht nur kommt und sich barrierefrei Ausstellungen anschauen kann – was viele Leute insbesondere im September/Oktober machen. In diesen Monaten kommen zwei Drittel unserer Besucher. Das sind die Flanier-Monate. Dann kann es sein, dass hier an einem Samstag oder Sonntag allein 10.000 Leute unterwegs sind.
Die Rencontres d´Arles, dieses hochgelobte Festival, haben in der Eröffnungswoche 20.000 Besucher. Danach flacht das wahnsinnig ab. Bei uns ist immer etwas.

fotoMAGAZIN: Was kommt im nächsten Jahr nach Baden?
Lois Lammerhuber: Unser Festival-Thema ist 2024 nicht einer geografischen Region gewidmet, sondern der Umwelt, unserem Naturvermächtnis und wie wir damit umgehen. Es heißt „Natural Heritage“. Wir werden Fotografen zeigen wie Sebastiao Salgado,  Peter Turnley, Pascal Maitre und Sacha Goldberger.
 
Das Festival La Gacilly Baden Photo zeigt noch ist zum 15. Oktober 2023 in Baden bei Wien etwa 1500 Fotografien. Die gigantische Bilderschau im Freien steht in diesem Jahr unter dem Motto „Orient“.

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