Kodachrome-Film: Das Ende einer Legende

Einst besang Paul Simon einen Diafilm namens Kodachrome mit der Zeile „Mama don‘t take my Kodachrome away“. 37 Jahre später ist es doch passiert.

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Kodachrome Filmpackungen

Mit 75 verabschiedete sich die Kodachrome-Familie endgültig in Rente.

Am 31. Dezember 2010 nahm Mama Kodak der eingefleischten Fangemeinde ihren Liebling Kodachrome endgültig weg, denn da stellte Dwaynes Photo Service in den USA den Entwicklungsservice für diesen Diafilm ein. Schon seit Jahren stimmten sich die Fans auf den Abschied ein und wandelten das Paul-Simon-Lied Kodachrome mit der Zeile Kodak wants to take away my Kodachrome um, nachdem die Kodachrome-Labore in Deutschland (2004) und der Schweiz (2006) geschlossen wurden und Dwayne´s als einziges Labor der Welt diesen Filmtyp entwickeln konnte.

Der Kodachrome-Film hat Geschichte geschrieben

1935 brachte Kodak den ersten Kodachrome-Filmtyp als 16-mm-Schmalfilm auf den Markt, 1936 folgte der 35-mm-Kleinbildfilm. Die Väter des legendären Films waren die Kodak-Mitarbeiter Leo Godowsky jun. und Leopold Mannes. Beide waren leidenschaftliche Musiker, Freunde und Fotoamateure zugleich. Man nannte sie Man and God und das Bild der beiden beim Hauskonzert gehört zu den am meisten publizierten Fotos ihrer Zeit. Was nicht in Zahlen dokumentiert ist: Der Kodachrome war praktisch konkurrenzlos und der wohl beliebteste Film seiner Zeit überhaupt, und er hat die Anfänge der Super-8-Filmerei und der Diafilmerei geprägt wie kein anderer Filmtyp.

Kodachrome-Film für das 35-mm-KB-Format

Der Kodachrome-Film für das 35-mm-KB-Format war der erste Amateur-Farbfilm für den Massenmarkt und setzte mit seinen nahezu unerreichten Bildeigenschaften Maßstäbe für Generationen.

Ein Farbfilm, der eigentlich gar keiner war

Diese Fakten sagen aber nichts aus über das wirklich Sensationelle dieses Films: Er entspricht vom Aufbau her gar keinem Farbfilm, sondern einem Schwarzweißfilm, der erst in einem sehr komplexen Entwicklungsprozess zu einem Farbfilm wird, mit nahezu unerreichten Bildeigenschaften. Kein anderer Film hat die intensiven Kodachrome-Farben wirklich toppen können, und was man gerne vergisst: Die Haltbarkeit der Farben ist heute noch unübertroffen und erst vor Jahren haben neue im E-6-Prozess zu entwickelnde Diafilme annähernd seine Schärfe erreicht, so jedenfalls wurde es kommuniziert, was eingefleischte Kodachrome-Fans aber bis heute bestreiten. Fest steht: Es gab für die Fangemeinde nicht wirklich einen Ersatz für den Kodachrome und Kodak musste sich in den letzten Jahren für das schrittweise Sterben der Filmlegende viel Kritik anhören. Aus Firmensicht war dies eine notwendige Entscheidung, denn die einstmals große Fanfamilie war massiv geschrumpft und mit gerade mal einem Prozent Marktanteil kann man einen Markt nicht kostendeckend bedienen.

Massiver Rückgang der Diafilmerei

Der letzte Dolchstoß wurde dem gesamten Filmmarkt durch die rasante digitale Entwicklung verpasst. Während im Jahr 2005 noch 90 Millionen Filme verkauft wurden, waren es 2009 nur noch 23 Millionen. Mit 88 Prozent Anteil liegen die Negativfilme eindeutig vorne, der Anteil der Diafilme lag im Jahr 2009 gerademal bei 1,7 Prozent, ein massiver Rückgang der Diafilmer.  Aber auch schon zu den besseren analogen Zeiten waren viele Fotoamateure auf den Ektachrome oder vergleichbare Filme von Fujifilm oder anderen Herstellern umgestiegen, da diese Filme von jedem Labor im E-6-Prozess entwickelt werden können. Man war nicht auf das Einsenden der Filme zu Kodak angewiesen, was nach dem Schließen der Labore im Jahr 2004 in Deutschland vom Handling her grundsätzlich ein Problem war.

Die Kodachrome-Filme wurden fortan in Stuttgart gesammelt, wurden dann in die Schweiz eingeführt zur Entwicklung und zur Auslieferung an die Kunden wieder aus der Schweiz ausgeführt. Nach dem Aus für das Schweizer Labor wurden die Filme in die USA geschickt, dem am Ende übrig gebliebenen weltweit einzigen Kodachrome-Labor Dwaynes Photo Service in den USA. Das war für das Unternehmen Kodak, das zu dieser Zeit mit einem massiven Umsatzeinbruch bei analogen Produkten zu kämpfen hatte und dadurch mehr mit sich selbst beschäftigt war, nicht von Vorteil. Zudem hatten es gerade die Tochterunternehmen in den deutschsprachigen Ländern, in denen der Diafilm traditionell einen Markt und eine Lobby hatte und immer noch hat nicht leicht, die Kodachrome-Fangemeinde auf den Verzicht des geliebten Films einzustimmen.

Der Kodachrome-Film ist nicht mehr wettbewerbsfähig

Die Tatsache, dass es keine adäquate Möglichkeit gab, den Film in einem flexibleren, offenen Entwicklungsprozess zu entwickeln, hat verhindert, dass es jemals einen moderneren Kodachrome gab. Die Entwicklungsmaschinen, die mit der Schließung der Labore verschrottet wurden, waren ausgelegt auf die Entwicklung von großen Filmmengen und für die geschrumpften Stückzahlen überdimensioniert. Obwohl Kodak in den 90er-Jahren ganz heftig an einem Kodachrome-Minilab, dem sogenannten K-Lab gearbeitet hatte, ist es der Firma nicht gelungen, mit den kompakten Kodachrome-Labs die Situation zu verbessern und so wurde der Kodachrome-Film mehr und mehr zu einem Oldtimer, der nicht mehr wettbewerbsfähig war.

Die auch im Labor in Stuttgart-Möhringen installierten K-Labs gingen am Ende mit dem Niedergang der deutschen Labore unter. Mit dem Verkauf der Laborgruppe Deutschland zog das Unternehmen angesichts des erkennbar massiven Filmrückgangs hierzulande die Kostenbremse.

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Der Kodachrome wurde zu Beginn im 16-mm-Format für Spielfilme und ab 1936 für das 8-mm-Format für Amateurfilme angeboten.

Silberhalogenid-Technologie hat noch Potenzial

Bis 2003 machte Kodak noch rund 70 Prozent seines Umsatzes mit Film, heute ist das Verhältnis umgekehrt. Kodak blieb dem analogen Filmgeschäft dennoch verbunden. Dass die Silberhalogenid-Technologie noch Entwicklungspotenzial hat, wurde nie bestritten und von Kodak und auch Fujifilm in den letzten Jahren unter Beweis gestellt. So wurden interessante neue Materialien für die Film- und TV-Industrie entwickelt, die für besondere Produktionen immer noch auf die analogen Filme setzt und die Kodachrome-Fans wurden immer wieder aufgefordert, auf die Ektachrome-Linie umzusteigen. Hier sind der Professional Ektachrome E100G und der Ektar 100 zu erwähnen, die sich beide durch ihr extrem feines Korn auszeichnen.

Die letzten Filmrollen landen im Museum

Was bleibt ist eine Erinnerung, die Ihresgleichen sucht. Mag sein, dass der eine oder andere Freak noch einige Filmrollen im Kühlschrank aufbewahrt hat, doch sie werden nicht mehr zu lebendigen Bildern aufblühen können, weil es schlichtweg keine Entwicklungsmöglichkeit gibt, auch in keinem selbstgebastelten Heimlabor. Wer die wirklich letzten Kodachromes bewundern möchte, muss dem George Eastman House in Rochester einen Besuch abstatten, denn diesem internationalen Museum für Fotografie und Film hat die Eastman Kodak Company ihre letzten Exemplare an Kodachrome-Filmrollen vermacht.

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