Leichte Teleobjektive für Portraits und weitere Motive

Objektivschule Teil 5: Die gemäßigten Teleobjektive mit Brennweiten zwischen 60 und 135 Millimetern sind vor allem bei Portraitfotografen beliebt. Welche Bildwirkung leichte Teleobjektive haben und für welche Einsatzzwecke sie sich sonst gut eignen, zeigen wir in der fünften Folge unser Objektivschule.

Markus Linden

Markus Linden

freier Autor

Leichte Teleobjektive für Portraits und weitere Anwendungsbereiche
Foto: © studiocasper / iStock / Getty Images Plus

Leichte Teleobjektive sind das Thema der fünften Folge unserer Reihe. Damit ist der Brennweitenbereich zwischen 60 und 135 mm gemeint. So deckt das leichte Tele einen Bildwinkel von 16 (135 mm) bis 36 Grad (60 mm) ab – kein Zufall: In diesem Bereich ist je nach Abstand eine verzerrungsfreie Abbildung von Menschen im Brust- bis Kopfportrait möglich. Die leichten Telebrennweiten werden daher in klassischer Weise für Portraitaufnahmen eingesetzt, kommen aber natürlich auch bei anderen Motiven zur Anwendung.

Portraitfotos mit dem Teleobjektiv machen

Dieses Portrait entstand mit unserem „Außergewöhnlichen Objektiv“ – der unruhige Hintergrund wird perfekt weichgezeichnet.
Objektiv: Fujifilm Fujinon XF 1,2/56 mm APD | Aufnahmedaten: 56 mm (entspr. 84 mm KB), Blende f/1,4, 1/400 s, ISO 200 | Kamera: Fujifilm X-T1

Foto: © Markus Linden

Die im Artikel genannten Brennweiten beziehen sich auf Kameras mit einem Vollformatsensor. Haben Sie eine Kamera mit Sensor im APS-C-Format, so entsprechen Brennweiten von 40 bis rund 90 Millimetern in Bezug auf den Bildeindruck dem leichten Tele, bei MFT-Kameras sind es die Objektive mit rund 30 bis 65 Millimetern.

Unsere Objektivschule:

Landschaftsfotos mit dem Teleobjektiv machen

Das leichte Tele ist ideal für Durchblicke in der Landschaftsfotografie. Es sorgt für grafische Flächen und dennoch für Tiefe.
Objektiv: M.Zuiko 4-5,6/40-150 mm | Aufnahmedaten: 49 mm (entspr. 98 mm KB), Blende f/8, 1/800 s, ISO 200 | Kamera: Olympus OM-D E-M5 II

Foto: © Markus Linden

Motive und Bildwirkung

Als Klassiker für Brustportraits können die 85er-Festbrennweiten gelten. Diese für das Vollformat gerechneten Objektive halten ausreichend Abstand zum Portraitierten und bieten als Festbrennweite mit einer Anfangsblendenöffnung von 1,8 oder sogar 1,4 sehr viel Potenzial, um mit geringer Schärfentiefe freizustellen.

Längere Brennweiten wie ein 2/100 mm oder ein 2,8/135 mm eignen sich mit zunehmender Brennweite für Kopfportraits. Oft kommen hier die lichtstarken Telezooms mit einer Anfangsöffnung von f/2,8 (oder wegen der Gewichts- und Geldersparnis) auch f/4 zum Einsatz. Diese Zooms reichen meist von 70 bis rund 200 mm und decken für Portraitfotografen alle wichtigen Brennweiten ab.

Makrofotografie mit der 100 mm Brennweite

Im Makrobereich ist das 100er ein Universalist, der bei scheuen Tieren ausreichend Abstand erlaubt, aber nicht zu sehr verflacht.
Objektiv: Canon EF 2,8/100 mm L Macro | Aufnahmedaten: 100 mm, Blende f/4,5, 1/200 s, ISO 100 | Kamera: Canon EOS 5D Mark III

Foto: © Michael Schroeren

60, 90 und 100 (105) mm sind auch klassische Brennweiten für die Makrofotografie. Wobei die 60 mm im Makrobereich etwas kurz sind – Sie müssen sehr nah an das Objekt heran. Viele Fotografen nutzen daher die 60er-Makros an einer Kamera mit APS-C-Sensor. 
Makros um 100 Millimeter Brennweite sind Allrounder – Produktaufnahmen, Blüten und die meisten Insekten lassen sich damit fotografieren.

Viele Fotografen nutzen es aber auch für Portraits. Ob das gut funktioniert, hängt letztlich vom Einzelfall ab: Die Linsen sind für den Nahbereich ausgelegt und zeigen gelegentlich ein nicht ganz so schönes Bokeh beim Fokus auf weiter entfernt liegende Motive – der Unschärfebereich ist eventuell unruhiger als bei einem „normalen“ Teleobjektiv. 

Auch wenn bei „Landschaft“ viele an „Weitwinkel“ denken: Brennweiten zwischen 60 und 135 Millimeter eignen sich hervorragend für eher grafisch aufgebaute Landschaftsbilder. Spiegelungen in Seen, eine Kombination von Vordergrund mit verdichteten Bergen im Hintergrund und vieles mehr. Auch der oft fotografierte Sonnenuntergang zeigt im Weitwinkel einen nur kleinen Sonnenball – ein guter Kompromiss zwischen Sonnengröße und Landschaft ist das leichte Tele.

Auch in der Aktfotografie ist das Tele ein guter Begleiter: Es verzerrt nicht und sorgt für einen Abstand zwischen Fotograf und Model, der zur Entspannung beiträgt. Voraussetzung ist aber ein ausreichend großer Raum, der den Abstand auch erlaubt. Beim Akt kommen meist die 85er-Telebrennweiten zum Einsatz.

Aktfotografie mit dem Teleobjektiv

Für Akt perfekt: Ohne Verzerrung und mit selektiv gesetzter Schärfe können lichtstarke, leichte Telebrennweiten überzeugen.
Objektiv: Sony FE 1,8/85 mm | Aufnahmedaten: 85 mm, Blende f/1,8, 1/250 s, ISO 100 | Kamera: Sony Alpha 7R III

Foto: © Markus Hertzsch

Leichte Teleobjektive: Stärken und Schwächen

Besonders die Festbrennweiten können klein und leicht konstruiert werden – sofern man sich mit einer Anfangsblende von 1,8 bis 2,8 zufrieden gibt. Aufgrund der gemäßigten Brennweite müssen die Hersteller wenig Aufwand treiben – sodass zumindest die lichtschwachen Festbrennweiten relativ günstig sind und meist eine sehr hohe Abbildungsqualität liefern.

Aber schon bei einem 1,8/85 mm am Vollformatsensor gilt: Bei Blende 2 und einem typischen Abstand von 1,5 Metern für ein Portrait beträgt die Ausdehnung des scharf abgebildeten Bereichs etwa 3,5 cm. Nasenspitze und Ohren werden nicht mehr scharf abgebildet.

Bereits mit dieser Brennweite ist sorgfältiges Fokussieren auf die Augen angesagt – oder abblenden. Bei kleineren Sensoren wie MFT wird, um den gleichen Bildwinkel zu erzielen, typischerweise ein Objektiv wie das M.Zuiko Digital 1,8/45 mm zum Einsatz kommen. Hier beträgt der Schärfentiefebereich jedoch bei Blende 2 schon 6 Zentimeter – und der Bildeindruck ändert sich durch die weiter ausgedehnte Schärfe ebenfalls.

Typische Vertreter des Brennweitenbereichs 60-135 mm: Canon, Leica, Nikon, Olympus, Panasonic, HD Pentax

Welche Features können leichte Teleobjektive besitzen?

Die Ausstattung der leichten Telebrennweiten unterscheidet sich: Einfache Portraitlinsen zwischen 85 und 100 Millimeter haben als einziges Komfortmerkmal einen Autofokus. Bei neuen Linsen darf man einen schnellen AF-S-Autofokus erwarten.

Aber: Es gibt von Drittherstellern viele Objektive am Markt, die manuell fokussiert werden müssen. Bei Available Light hilft auch eine Stabilisierung – die entweder die Kamera mitbringt oder eben das Objektiv. Es gibt einige wenige Brennweiten, die zur Beruhigung des Bokehs ein Apodisationsfilter oder ein zusätzliches Linsensystem haben.

Die Telezooms im Bereich von 70 bis 200 Millimeter sind meist mit schnellem AF, eigener Stabilisierung und auch einer Stativschelle ausgestattet. Denn vor allem die lichtstarken Varianten mit einer Anfangsblende von f/2,8 sind recht schwer und entsprechend nur mit Stativschelle vernünftig fixierbar. Empfehlenswert ist eine abnehmbare Schelle, da diese bei der Freihandfotografie stören kann. 

Einen Fokusbegrenzer haben in dieser Brennweitenklasse meist nur die Makroobjektive – und das zu recht. Denn der riesige Fokussierbereich führt zu langen AF-Zeiten – wenn der Bereich nicht von vornherein begrenzt wird. Dass Sie nur mit Streulichtblende fotografieren, versteht sich von selbst. Sonst sind auch Portraits im Gegenlicht kaum möglich. 

Typische Vertreter des Brennweitenbereichs 60-135 mm: Sigma, Sony, Tampon, Tonika, Voigtländer, Zeiss

Das außergewöhnliche Objektiv

Beim Fujifilm Fujinon XF 1,2/56 mm R haben sich die Entwickler augenscheinlich an einem Klassiker der analogen Fotografie orientiert: Der 85er-Portraitbrennweite mit einer Anfangsöffnung von f/1,4 bis 2. Um die gleiche Abbildungscharakteristik an den kleineren APS-C-Sensoren zu erzielen, musste nicht nur die Brennweite um den Faktor 1,5 reduziert werden, sondern gleichzeitig die Anfangsblende um den Faktor 2 erhöht werden. Das Fujinon XF 1,2/56 mm R bildet deshalb ein 1,8/85 mm fast exakt nach. Dabei ist das Objektiv kompakt und trotz Metallfassung ausreichend leicht geblieben.

Teleobjektiv von Fuji

Klein, leicht und mit besonderen Fähigkeiten: das Fujinon XF 1,2/56 mm R APD.

Foto: © Fujifilm

Fujifilm bietet das Objektiv in zwei Versionen an: mit und ohne integriertes Apodisationsfilter. Wie diese zweite Variante das bereits schon weiche Bokeh weiter verfeinern kann, erklären wir im nächsten Absatz. Das Fujinon XF 1,2/56 mm R APD verliert durch das Filter nur leicht an Lichtstärke. Beide Varianten besitzen einen Blendenring, der in Drittel-Stufen gerastet ist.

Die APD-Variante zeigt die Abweichung bei der Belichtung auf einer roten Blendenskala an – die Abweichung wird durch den Belichtungsmesser zwar ausgeglichen, ist aber für den Fotografen ein Hinweis, wie stark sich das Apodisationsfilter bei den einzelnen Blenden auswirkt. Ohne APD kostet die Festbrennweite rund 1000 Euro, mit etwa 1300 Euro.

Bokeh-Kontrolle mit APD, DS, STF und DC

Gerade bei leichten Telebrennweiten ist das Bokeh – also die Qualität des in der Unschärfe liegenden Bereichs – ein wichtiges Thema. Bei einigen kurzen Telebrennweiten lässt es sich beeinflussen. Derzeit sind drei Technologien im Markt verfügbar: Apodisationsfilter, Beschichtungen und die Defocus Control-Technik.

Strahlengang mit und ohne Apodisationsfilter

Oben der Strahlengang mit, unten ohne Apodisationsfilter.

Foto: © Fujifilm

Apodisationsfilter (die Technik wird bei Fujifilm APD, bei Sony STF – Smooth Trans Focus – abgekürzt) sind fest in das Objektiv integrierte ND-Filter mit einem radialen Verlauf. Einfach gesagt kappen sie durch die verringerte Lichtleistung im Randbereich die Kontraste an den Kanten der Beugungsscheibchen. Die unscharfen Bereiche werden abgesoftet.

Das Verfahren hat einen Nachteil: Während die Schärfentiefe der eingestellten Blende entspricht, nimmt die Lichtstärke ab – entsprechend unterscheiden sich die F-(Blende) und T-(Transmission)-Werte. Apodisationsfilter arbeiten am effektivsten bei Offenblende, bei zunehmend schließender Blende werden die Auswirkungen (und auch der relative Lichtverlust) geringer. Das Canon RF 1,2/85 mm L USM mit Defocus Smoothing (DS) besitzt eine Linsenvergütung, bei der in der Mitte der Linse ein hoher und am Rand ein geringer Transmissionsgrad definiert wird.

Das Resultat: Unscharfe Bildpunkte im Vorder- und Hintergrund wirken besonders weich und gleichmäßig unscharf. Der Ansatz bei Nikon heißt Defocus Control und arbeitet mit zusätzlichen Linsen im Objektiv. Auch hier geht es um die außen laufenden Lichtstrahlen, die maßgeblich die sphärische Aberration beeinflussen – und durch die zusätzlichen Linsen verändert werden. Bei Nikon kann man einen Ring in F-(Front) und R-(Rear)-Stellung drehen und so bestimmen, wie stark die Unschärfe vor oder hinter dem Schärfebereich softer wird. Eines geht aber immer zu Lasten des anderen. Ein Lichtverlust ist bei Defocus Control nicht zu befürchten.

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