Peter Bialobrzeski

Der Fotograf und Hochschul-Professor Peter Bialobrzeski imitiert mit seinen Fotos auch den neugierigen Blick eines Reisenden aus dem 19. Jahrhundert.

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Die ganze Welt der Fotografie

Peter Bialobrzeski ist einer der bekanntesten deutschen Fotokünstler. 2012 wurde er mit dem Dr. Erich Salomon-Preis der Deutschen Gesellschaft für Photographie (DGPh) ausgezeichnet.

Foto: © Marla Stukenberg/ Kochi Biennale

Interview: Damian Zimmermann

Peter Bialobrzeski (*1961) ist vor allem für seine Architektur- und Stadtansichten aus asiatischen Megacities bekannt und mit „Neon Tigers“ etablierte er 2004 einen ganz eigenen Fotografiestil. Seit 2015 arbeitet er parallel an einem Nebenprojekt und veröffentlicht in dem kleinen Verlag „The Velvet Cell“ Fototagebücher über einzelne Städte.

fotoMAGAZIN: Es sind bereits 15 Teile Ihrer „Diary“-Serie erschienen. Dabei war das Ganze zu Beginn gar nicht als Serie geplant, oder?
Peter Bialobrzeski: Nein, überhaupt nicht. Ich war 2013 mit Studenten in Kairo und die sind jeden Morgen früh aufgestanden, um fotografieren zu gehen. Ich kam mir dann immer schlecht vor, weil ich im Hotelzimmer saß und gewartet habe, bis sie mit Fotos zurückkamen. Also bin ich auch morgens losgegangen und habe fotografiert.
Vor meiner Reise hatte ich mir Gedanken darüber gemacht, was das überhaupt für eine Stadt ist, die durch den Arabischen Frühling und den Sturz von Husni Mubarak zwei Jahre zuvor medial sehr präsent war. Was habe ich für ein Bild von der Stadt und was sieht man als Außenstehender eigentlich noch von so einer Revolution? Ich habe versucht, Kairo so zu fotografieren, als wäre ich ein Reisender aus dem 19. Jahrhundert.

fotoMAGAZIN: Wie kam es zu der Zusammenarbeit
mit dem eher unbekannten Verlag „The Velvet Cell“?
Peter Bialobrzeski: Éanna de Fréine von „The Velvet Cell“ hatte sich bei mir gemeldet und gesagt, dass er gerne ein Buch mit mir machen würde. Daraufhin habe ich mit meiner Kollegin aus dem Master-Studiengang, der Grafikdesignerin Andrea Rauschenbusch, gesprochen, ob sie einen Entwurf auf dieser Tagebuch-Basis machen möchte. Éanna gefiel das und er meinte, dass er das Buch auf eigene Kosten drucken und veröffentlichen würde. Also bin ich nach Taiwan geflogen und wir haben den Band dort gedruckt. Während dieser Zeit habe ich in Taipeh fotografiert und wir dachten: Vielleicht machen wir noch ein zweites Buch. So ist das Ganze dann gewachsen.

„Wenn du die meisten meiner Bilder einfach nur in Farbflächen verwandeln würdest, würden sie ästhetisch funktionieren.“

Peter Bialobrzeski, Fotograf

fotoMAGAZIN: Wie kam es zur weiteren Auswahl der heute bereits fünfzehn „Diary“-Orte?
Peter Bialobrzeski: Hardcore-Konzeptionalisten mögen es mir vielleicht vorwerfen, aber die Orte sind relativ zufällig ausgewählt. Sie haben damit zu tun, wo ich mit Studenten hingefahren bin oder wo ich eingeladen wurde, Workshops zu geben. Im Grunde habe ich das „Martin-Parr-Prinzip“ angewandt und habe überall dort, wo ich eingeladen wurde, fotografiert. So hatte ich plötzlich einen Rahmen, in dem es mir möglich war.

fotoMAGAZIN: Wie passen all diese Städte zusammen?    
Peter Bialobrzeski: Ich glaube ansonsten auch an konzeptionelle Stringenz, aber das hier war eigentlich ein Nebenprojekt von mir, das irgendwann angefangen hat zu fliegen. Das finde ich ganz schön. Und am Ende überzeugt die normative Kraft des Faktischen – unabhängig davon, ob Wolfsburg und Bangkok in einem konzeptionellen Zusammenhang stehen. Es wird dann doch miteinander verbunden durch etwas, was vielleicht größer ist, nämlich die ästhetische Haltung dahinter.

fotoMAGAZIN: Gleichzeitig wird Ihnen das auch vorgeworfen: Dass sich Ihre Bücher bei einem flüchtigen Blick kaum voneinander unterscheiden und Sie überwiegend die weniger schönen Stellen zeigen.       
Peter Bialobrzeski: Natürlich ist es meine persönliche Sicht auf die Städte, aber das ist ja eine Binsenweisheit in der Fotografie. Als ich mein Buch über Linz in Linz vorstellte, hatte ich zum ersten Mal eine Warteschlange vor meinem Signiertisch. Da habe ich mir gedacht, dass ich wohl irgendetwas richtig mache. Das kann nicht nur hässlich sein, was ich fotografiere.
Ich glaube, dass es in meinen Bildern aber auch um Komplexität und Abstraktion geht. Wenn du die meisten meiner Bilder einfach nur in Farbflächen verwandeln würdest, würden sie ästhetisch funktionieren. Allerdings glaube ich, dass sie zusätzlich etwas über die Art und Weise erzählen, wie wir einmal waren, denn die Fotografie hat immer den Vorteil, dass irgendwann einmal eine historische Dimension hinzukommt.
Schauen Sie sich beispielsweise die Arbeit „1986“ von Michael Kerstgens an. Die Fotos haben eine solche Energie entwickelt, obwohl sie damals eher banal waren. Deswegen glaube ich, dass es sinnvoll ist, was ich tue. Abgesehen davon macht es mir auch einfach viel Spaß.

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