Gudrun Petersen: Stare – mehr als nur ein Schwarm

Die Aachener Fotografin Gudrun Petersen schwärmt für Schwärme. Sie zeigt mit ihren Bildern die faszinierende Murmuration und das Tanzen der Stare.

Ricarda Szola

Ricarda Szola

Head of fotoMAGAZIN online

Stare im Anflug

Aachen, Februar 2016 – Anflug der Stare auf ihren Schlafbaum.

Foto: © Gudrun Petersen

Stare haben keinen Chef

Jeder hat es sicherlich schon einmal gesehen: einen Vogelschwarm am Himmel, der stetig zunimmt, sich verdichtet und zielsicher durch die Lüfte schwebt. Die Formation, oder auch Murmuration genannt, von Staren.

Anders als beispielsweise bei Kranichen, die in ihren Schwärmen an der Spitze abwechselnd von einem Chef geführt werden, fliegen Stare in der Gemeinschaft ohne Führung. Die Verantwortung liegt bei jedem einzelnen. Es ist die Summe der Einzelentscheidungen, die zu einer einheitlich bewegenden Wolke führt. Den Abstand halten sie so klein wie möglich – etwa eine Flügelspannweite. Ihr Tempo passen sie stets der Gruppe an. Dabei hält jeder Vogel die nächstfliegenden sechs bis sieben Stare im Blick und wendet diese Regel konsequent an. Währenddessen kommunizieren sie unentwegt.

Ungewöhnliche Wege zu den Staren im Schlafbaum

Dieses Schauspiel lässt aufmerksame Beobachter entzückt die Köpfe gen Himmel richten. Ist der Schwarm vorüber geflogen, verfliegt auch der Zauber der Faszination. Anders sieht es aus bei der Aachener Fotografin Gudrun Petersen. Sie wollte mehr wissen über dieses Wunder der Natur und reiste den Vogelschwärmen über 400 Kilometer mit ihrer Kamera hinterher. Die ersten Fotos der Stare hat Petersen bereits 2016 gemacht, damals noch mit der Nikon D800, die sie heute gegen eine Fujifilm X-T4 und X-T5 eingetauscht hat. Bei ihren Recherchen wurde sie auch auf ihre Schlafstätten der Stare aufmerksam gemacht: Die Schlafbäume.

Hier finden sich die Stare kurz vor der Dämmerung ein – mit einer Landung als würde eine Wolke abregnen. Gruppenweise finden sie ihren Platz im Schlafbaum. Hier ist dann noch ein ca. 20-minütiges Gefiepse zu hören, bis alle Stare in Schlafposition gekommen sind. Für Fotos wie diese geht Gudrun Petersen ungewöhnliche Wege, die sie beispielsweise in Wohnzimmer ehemals unbekannter Nachbarn brachte, um dort einen guten Blick auf einen Schlafbaum zu haben.  

Warum bilden sich diese gigantischen Schwärme?

Kurz vor Sonnenaufgang startet der Tag für die Stare. Ihr Ziel: Felder anzufliegen, auf denen sie Beeren und Früchte finden. Der frühe Morgen beginnt allerdings ohne Formation. Denn hier gleicht der Abflug eher einem Chaos – die Wege der Stare trennen sich ohne Formation in verschiedene Richtungen. Geordneter geht es dann wieder bei ihrem Schlafritual zu.
Bei Einbruch der Dämmerung sammeln sie sich wieder zum Anflug auf den Schlafbaum. Mit Formationsflügen signalisieren sie ihren Artgenossen: „Hier ist ein guter Schlafplatz!“

Stare auf Mast

Bocholtz, Niederlande, August 2021 – Stare sammeln sich ca. eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang auf einem Mast, um von dort aus in großen Formationen zu ihren Schlafbäumen zu fliegen.

Foto: © Gudrun Petersen

Einerseits bietet die sogenannte Murmuration Schutz vor Angreifern, die komplett irritiert werden. Geht ein Raubvogel dennoch hinein, verdichtet sich der Schwarm um ihn herum (deutliche Schwärze im Schwarm) und übt so massiven Druck auf ihn aus. Andererseits ermöglicht die Gemeinschaft auch einen Informationsaustausch. Junge und unerfahrene Stare oder solche, die einfach kein Glück bei der Nahrungssuche hatten, müssen nicht mehr tun, als am nächsten Tag den Artgenossen hinterherzufliegen. Also kann eine große Schlafplatzgruppe auch als Informationsbörse dienen.

Stare sind eine sehr soziale Vogelart

Schon zur Brutzeit bevölkern sie gerne nebeneinander hängende Nistkästen. Auf dem Vogelzug setzt sich ihr Sozialverhalten fort. Einige verbringen den Winter in milden Gegenden Mitteleuropas, ein Großteil zieht in den westlichen Mittelmeerraum. Ebenso Gudrun Petersen – ihre nächste Reise zu den Staren führt nach Rom.

Stare // Rausch

Gudrun Petersen

Gudrun Petersen fotografiert bereits seit ihrem 17. Lebensjahr. Seit 25 Jahren arbeitet sie als Bildjournalistin und freie Fotografin für verschiedene Agenturen, Magazine und Verlage.
Zur Website der Fotografin:
www.einzelbilder.com

Die Ausstellung „S T A R E // Im Rausch“:

Raum für Kultur
Harscampstraße 52b, 52062 Aachen
Vom 1. Dezember bis 7. Dezember 2024

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