Wie entsteht eigentlich Bildrauschen?

Das Bildrauschen, das insbesondere bei Aufnahmen mit hohen ISO-Werten die Motive mit einem fleckigen Muster überzieht, hat bis heute zwar viel von seinem Schrecken verloren. Wer möglichst rauscharme Bilder anstrebt, sollte dennoch verstehen, welche Ursachen das Rauschen hat.

Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann

freier Journalist und Technikexperte

Links: ISO 100, rechts: ISO 25.600.

Die meisten Kameras rauschen heute zwar deutlich weniger als früher, bei hohen ISO-Werten sind die Bildstörungen aber immer noch deutlich sichtbar, vor allem wenn – wie in diesem Beispiel – die Belichtung im Raw-Konverter korrigiert wird. Links: ISO 100, rechts: ISO 25.600.

Bild: Andreas Jordan

Wenn nach einem Schuldigen für Bildrauschen gesucht wird, fällt der Blick zunächst auf den Sensor. Ein Bildsensor wandelt in jedem seiner Pixel Licht in Elektrizität und im Idealfall wäre die während der Belichtung gesammelte elektrische Ladung proportional zur Lichtmenge. In der Realität kommt es immer zu zufälligen Abweichungen vom Sollwert – und diese machen das Rauschen aus. Aber selbst im nie erreichbaren Idealfall eines rauschfreien Sensors wäre noch das Licht selbst verrauscht. Die vollständige Eliminierung des Rauschens ist daher unmöglich, obwohl es die Entwickler geschafft haben, die Rauschquellen im Sensor abzustellen oder deren Effekt zu neutralisieren.

Banding

Banding – hier horizontal – ist besonders störend.

Bild: Michael J. Hußmann

Feste Rauschmuster

Bei einem perfekten Sensor würden sich alle seiner Millionen von Pixeln exakt gleich verhalten, in der Realität lassen sich aber kleine Unterschiede in deren Empfindlichkeit nicht ganz vermeiden. Die dadurch entstehenden festen Rauschmuster (engl. „fixed-pattern noise“) lassen sich gut entfernen, eben weil sie konstant sind oder sich nur langsam ändern. Die Kamera oder der Sensor selbst korrigieren den aus einem Pixel ausgelesenen Wert und rechnen ihn in einen standardisierten Wert um, wie ihn ein perfektes Pixel liefern würde. Auf diese Weise lässt sich auch das „Banding“ reduzieren, also streifige Rauschmuster, die besonders auffällig und störend sind.

Stacked-CMOS-Sensor aus der Nikon Z 9

Hier verläuft das Banding vertikal.

Bild: Michael J. Hußmann

Dunkelstromrauschen

Während der Belichtung treffen Photonen auf die Pixel, werden vom Silizium des Sensorchips absorbiert und setzen mit ihrer Energie Elektronen frei, die im Ladungsspeicher der Pixel gesammelt werden. Gelegentlich treten auch spontan freie Elektronen auf, die dann ebenfalls gespeichert werden und das Ergebnis verfälschen. Das Ergebnis ist das sogenannte Dunkelstromrauschen, das mit höheren Temperaturen des Sensorchips noch anwächst – je heißer der Chip, desto beweglicher sind seine Elektronen. Daher müssen die Kameraentwickler Sorge tragen, dass die im Betrieb der Kamera entstehende Wärme abgeleitet wird.

Einerseits erwärmt sich der Sensor – insbesondere während Videoaufnahmen, für die er mit hoher Frequenz ausgelesen werden muss –, andererseits produziert auch der Prozessor der Kamera Abwärme, die vom Sensor ferngehalten werden muss. Anders als bei Spezialkameras für beispielsweise die Astrofotografie, die mit Peltier-Elementen aktiv gekühlt werden, genügt für normale fotografische Aufgaben eine passive Kühlung durch einen Kühlkörper, der die entstehende Wärme über das Kameragehäuse ableitet.

Ausleserauschen

Feste Rauschmuster und das Dunkelstromrauschen bewirken, dass die in den Sensorpixeln gesammelten Ladungen nicht exakt der aufgefangenen Lichtmenge entsprechen, sondern neben diesem Signal auch einen Rauschanteil enthalten. Beim Auslesen des Sensors werden die gesammelten Ladungen in elektrische Spannungen umgewandelt und diese Spannungen gemessen und quantisiert, also in einen Zahlenwert umgesetzt. Dabei entsteht ein zusätzliches Rauschen, aber dieses Ausleserauschen ist bei den meisten aktuellen CMOS-Sensoren sehr gering.

Den wichtigsten Beitrag dazu leisten die Analog/Digital-Wandler, die zur Spannung eines Pixels den entsprechenden Zahlenwert liefern. Früher waren das separate Bauelemente neben dem rein analogen Sensor, aber mittlerweile sind sie meist auf den Sensorchip integriert. Vor einigen Jahren war es noch üblich, dass Sensoren nur über zwei oder vier Kanäle parallel ausgelesen und ihr Output von der entsprechenden Zahl von A/D-Wandlern digitalisiert wurde. Moderne CMOS-Sensoren haben mindestens einen A/D-Wandler pro Pixelspalte. Bei einem 24-Megapixel-Sensor mit 4000 x 3000 Pixeln gibt es also 4000 A/D-Wandler für eine massiv parallele Digitalisierung.

Sony hat auch bereits Sensoren mit mehreren A/D-Wandlern pro Spalte entwickelt. Aufgrund der Parallelisierung erfolgt das Auslesen insgesamt sehr schnell, sodass man sich zur Digitalisierung jedes einzelnen Sensorpixels mehr Zeit nehmen kann, und eine Verlängerung dieser sogenannten Integrationszeit verringert das Rauschen. Die kurzen Wege zwischen Pixeln und A/D-Wandler tragen ebenfalls zu einem rauscharmen Bild bei. Der Output eines solchen Sensors ist bereits digital und kann daher nicht mehr weiter verrauschen.

Photonenrauschen

Moderne Bildsensoren – hier der Stacked-CMOS-Sensor aus der Nikon Z 9 – haben meist ein sehr geringes Ausleserauschen.

Bild: Nikon

ISO und Verstärkung

Wenn man den ISO-Wert heraufsetzt, belichtet die Kamera knapper. Während einer Aufnahme sammeln die Sensorpixel daher weniger Licht und auch die gesammelten Ladungen fallen geringer aus. Bei CCDs und älteren CMOS-Sensoren mit größerem Ausleserauschen ist es generell sinnvoll, die aus den Pixeln ausgelesenen analogen Signale um so mehr zu verstärken, je weiter der gewählte ISO-Wert über der Grundempfindlichkeit des Sensors liegt.

Die A/D-Wandler bekommen dann auch bei hohen ISO-Werten ein starkes Eingangssignal – das allerdings mehr Rauschen enthält, denn ein Verstärker hebt das Rauschen ebenso wie das Signal an. Da ein starkes Signal aber das Ausleserauschen verringert, ist das Verstärken dennoch nützlich. Bei modernen Sensoren ist das Ausleserauschen aber so gering, dass eine zusätzliche Verstärkung nicht oder nur noch in begrenztem Maße sinnvoll ist. Man kann auch schwache Signale direkt dem A/D-Wandler zuführen und die von diesem gelieferten digitalen Werte mit einem passenden Faktor multiplizieren, um das Bild aufzuhellen. Die analoge Verstärkung wird also durch eine digitale Multiplikation ersetzt oder ergänzt.

Photonenrauschen

Große Pixel fangen viele Photonen ein. Abweichungen der Photonenzahl von Pixel zu Pixel sind dann relativ gering und das Photonenrauschen bleibt daher niedrig.

Illu: Michael J. Hußmann

Photonenrauschen – das Rauschen des Lichts selbst, das sich nicht eliminieren lässt.

Auch wenn die Rauschquellen im Sensor minimiert sind, bleibt noch das Photonenrauschen – das Rauschen des Lichts selbst, das sich nicht eliminieren lässt. Der englische Begriff „shot noise“, also „Schrotrauschen“, verdeutlich, wie es entsteht: Das Licht besteht aus einzelnen Teilchen, den Photonen, die den Sensor wie eine Schrotladung treffen. Aufgrund der zufälligen Verteilung auf das Pixelraster des Sensors wird auch bei einer eigentlich einheitlichen Helligkeit nicht jedes Pixel von der exakt gleichen Zahl von Photonen getroffen.

Das Rauschen folgt einer mathematischen Gesetzmäßigkeit: Der Rauschabstand entspricht der Quadratwurzel der Zahl absorbierter Photonen, und damit auch der Zahl gesammelter Elektronen. Je größer die gesammelte elektrische Ladung, desto höher ist der Rauschabstand, denn mit dem Signal steigt zwar auch das Rauschen – aber deutlich schwächer. Bei 100 gesammelten Photonen liegt der Signalrauschabstand bei lediglich 10:1, bei 10000 Photonen bei 100:1.

Vergleich Wasserdruck und Spannung

Von kleineren Pixeln werden nur wenige Photonen eingefangen. Abweichungen von nur einigen Photonen machen daher einen großen Unterschied und das Photonenrauschen ist hoch.

Illu: Michael J. Hußmann

Da die Sensorpixel nur eine begrenzte Kapazität für elektrische Ladungen haben, kann man die Ladungen nicht einfach durch eine längere Belichtungszeit vergrößern. Zur Reduzierung des Photonenrauschens ist auch ein entprechend großer Ladungsspeicher nötig, der wiederum größere Sensorpixel voraussetzt. 

 

Der Nachteil großer Pixel

Große Pixel mit großer Kapazität können ihren Vorteil nur ausspielen, wenn diese Kapazität auch ausgenutzt wird. Dazu muss der Sensor entsprechend seiner Grundempfindlichkeit belichtet werden, die typischerweise zwischen ISO 100 und 200 liegt. Bei höheren ISO-Werten werden aufgrund der knapperen Belichtung kleinere Ladungen gesammelt, und in diesem Fall sind Pixel mit kleinerer Kapazität im Vorteil – das Ausleserauschen ist am geringsten, wenn die Kapazität nicht viel größer als die tatsächlich gesammelte Ladung ist.
Eine große Kapazität als solche bringt keinen Vorteil; vielmehr muss man sie auch ausnutzen, was bei hohen ISO-Werten nicht geschieht.

Die A/D-Wandler messen nicht die elektrische Ladung, sondern die Spannung, und diese hängt nicht nur von der Ladungsmenge, sondern auch von der Größe des Speichers ab. Man kann sich das analog zum Druck in einem Wasserbehälter vorstellen: In einem schlankeren Gefäß steigt der Wasserspiegel bei gleicher Füllmenge höher, und damit steigt auch der Wasserdruck. Wenn der Inhalt der Ladung entspricht, dann entspricht der Druck der Spannung. Bei kleineren Sensorpixeln wird also eine höhere Spannung ausgelesen, die wiederum zu einem niedrigeren Ausleserauschen führt.

Das Verhältnis von Ladung zu Spannung wird als Conversion-Gain bezeichnet. „Gain“ steht zwar für „Verstärkung“, aber mit der davon unabhängigen Verstärkung der Spannung bei hohen ISO-Werten hat dies übrigens nichts zu tun.

Farbrauschunterdrückung

Kleine Pixel und kleine Gefäße: Dieselbe Menge Wasser in einem kleineren Gefäß erzeugt einen höheren Wasserdruck und genauso bewirkt die gleiche Ladung in einem kleineren Pixel eine höhere Spannung.

INFOGRFIK: © ILLUTEAM43 FÜR fotoMAGAZIN

Um den Nachteil größerer Pixel gegenüber kleineren Pixeln bei höheren ISO-Werten auszugleichen, haben Sensorhersteller die Dual-Conversion-Gain-Technik (DCG) entwickelt. Im High-ISO-Bereich wird die Kapazität der Ladungsspeicher verringert, die Spannung bei gleicher Ladung damit erhöht und das Ausleserauschen reduziert. Bei niedrigen ISO-Werten ist das unnötig, denn aufgrund der großen gesammelten Ladungsmenge ist das Ausleserauschen ohnehin gering.

Dagegen steht das Photonenrauschen im Vordergrund. Um dieses zu minimieren, nutzen die Sensorpixel dann ihre volle Kapazität. Bei welcher Empfindlichkeit zwischen niedrigem und hohen Conversion Gain umgeschaltet wird, hängt vom Kamera-modell ab. Bei der Sony Alpha 9 beispielsweise schaltet der Sensor zwischen ISO 500 und 640 um; bei anderen Kameras mit DCG kann der Umschaltpunkt höher oder niedriger liegen. Normalerweise braucht sich der Fotograf nicht darum zu kümmern, denn die Kamera sorgt bei jeder ISO-Einstellung für ein optimales Ergebnis. 

Anders ist es, wenn man die Schatten später im Raw-Konverter aufhellen will. Entgegen der Intuition fallen die Bilder dann rauschärmer aus, wenn man einen höheren ISO-Wert wählt, bei dem der Sensor in den High-Conversion-Gain-Modus umschaltet. Da der Umschaltpunkt generell nicht aus den technischen Daten hervorgeht, kann es sinnvoll sein, die Ergebnisse einer Schattenaufhellung bei unterschiedlichen ISO-Einstellungen auszuprobieren.

Wie viele Bits sind nützlich?

Aktuelle Kameras speichern in Raw-Dateien meist zwischen 12 und 14 Bit pro Pixel. Eine große Zahl von Bits gilt generell als erstrebenswert, aber wie viele Bits einen echten Vorteil bringen, hängt vor allem vom Rauschen ab.

Die größtmögliche darstellbare Zahl, bei der alle Bits gleich 1 sind, entspricht der Full-well Capacity, also der maximalen Zahl von Elektronen, die ein Sensorpixel speichern kann. Jedes Bit entspricht einer Verdoppelung beziehungsweise Halbierung. Während mit 14 Bit Zahlen von 0 bis 16.383 dargestellt werden können, wird die Zahl der gesammelten Elektronen nicht selten geringer sein. Es genügen schon ein einziges oder bestenfalls einige wenige Photonen, damit das niedrigstwertige Bit 1 statt 0 ist und ein 15tes oder 16tes Bit würde vor allem Rauschen enthalten.

Nur wenn die Sensorpixel sehr groß sind und eine entsprechend große Ladung speichern können, lohnt sich ein 16-Bit-A/D-Wandler. Da selbst Mittelformatsensoren zugunsten einer hohen Megapixelzahl zunehmend kleinere Pixel haben, sind 16 Bit heute kaum noch sinnvoll. Andererseits gehen aktuelle Kameras nur dann auf geringere Bit-Tiefen wie 12 Bit zurück, wenn die Integrationszeit im Interesse einer hohen Serienbildfrequenz verkürzt wird. 

Helligkeits- und Farbrauschen

Helligkeitsrauschen, also zufällige Abweichungen der Helligkeit einzelner Pixel, und Farbrauschen (zufällige Abweichungen der Farbe) haben die gleiche Ursache – es sind lediglich unterschiedliche Erscheinungsformen desselben Rauschens. Wenn beispielsweise aus einem rotempfindlichen Sensorpixel ein aufgrund des Rauschens etwas zu hoher Wert ausgelesen wird, erscheint das Bildpixel nicht nur heller, sondern auch röter.

Farbabweichungen sind visuell auffälliger als Helligkeitsabweichungen, weshalb das Farbrauschen eigentlich dominieren müsste. Wenn Digitalbilder vor allem Helligkeitsrauschen zeigen, so liegt das daran, dass die Kamera oder der Raw-Konverter die Farbwerte zur Unterdrückung des Farbrauschens geglättet hat und nur ein Helligkeitsrauschen übrig bleibt.

Links mit Farbrauschunterdrückung, rechts ohne.

Bild: Michael J. Hußmann

Oft ist zu hören, dass Available-Light-Aufnahmen bei hohen ISO-Werten mehr Rauschen zeigen, als Bilder, die (versehentlich) mit einem hohen ISO-Wert im hellen Tageslicht aufgenommen wurden. Da die Belichtungsautomatik in beiden Fällen dafür sorgt, dass den Sensor gleich viel Licht erreicht, dürfte es jedoch keinen Unterschied geben und das Rauschverhalten der Kamera müsste eigentlich identisch sein.

Available-Light-Aufnahmen bei Nacht entstehen aber oft im rotstichigen Licht von Glühlampen, deren Farbtemperatur zwischen 2700 und 3300 K liegt. Dieses Licht enthält nur wenig Blau, weshalb die blauempfindlichen Sensorpixel nur schwache, stark verrauschte Signale liefern. Wenn der Weißabgleich durch Anheben des Blaukanals für neutrale Farben sorgt, kontaminiert das so verstärkte Rauschen in diesem Kanal das gesamte Bild.

 

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