Im Test: Panasonic Lumix G110

Mit der MFT-Kamera Lumix G110 wendet sich Panasonic an eine jüngere Zielgruppe, die Video- und Social-Media-affin ist. Aufgrund ihrer geringen Größe eignet sie sich aber auch für die Reise- oder Street-Photography. Im Test haben wir sie mit anderen Kameras des G-Systems verglichen.

Farbiges Porträt von Andreas Jordan vor neutralem Hintergrund

Andreas Jordan

Andreas Jordan leitet das Technik-Ressort beim fotoMAGAZIN.

Video zur Panasonic Lumix G110

Technikredakteur Andreas Jordan stellt Ihnen auch auf unserem Youtube-Kanal in einem kurzen Video die Panasonic Lumix G110, die wir für das fotoMAGAZIN 9/2020 ausführlich in der Praxis und im Labor getestet haben, vor.
> zum Panasonic Lumix G110 Video

© fotoMAGAZIN

Die Lumix G110 ist nicht die einzige sehr kompakte Kamera im G-System. Für Vlogger könnte auch das Einsteigermodell GX880 interessant sein, bei dem sich der Monitor für Selbstaufnahmen um 90 Grad nach oben klappen lässt. Allerdings fehlt hier der Anschluss für ein externes Mikrofon und Fotografen dürften den Sucher vermissen. Einen solchen bringt die ebenfalls sehr kompakte GX9 in flacher Bauweise mit. Sie disqualifiziert sich für Vlogger wiederum durch den Monitor, der sich nicht in die Selfie-Position klappen lässt; außerdem fehlt auch hier der Mikrofonanschluss. Die in der gehobenen Mittelklasse angesiedelte Lumix G91 bringt zwar alle wichtigen Funktionen für Vlogger mit, ist aber relativ groß.

Panasonic Lumix G110 mit Stativgriff

Panasonic Lumix G110. Preis: ca. 750 Euro.

© Panasonic

Ausstattung der Panasonic Lumix G110

In diese Lücke stößt nun die Lumix G110 – auf den ersten Blick eine geschrumpfte G91. Besonders kompakt ist das Kit mit dem 3,5-5,6/12-32 mm O.I.S. Aufgrund der geringen Abmessungen der Kamera sind die Bedienelemente etwas kleiner und fummeliger als bei der G91. Der Fokuswahlschalter auf der Rückseite, das Antriebswahlrad auf der Oberseite, das dritte Einstellrad und die dedizierten Knöpfe für ISO und Weißabgleich entfallen. Trotzdem lässt sich die G110 insgesamt gut bedienen. Dazu trägt auch der konsequent umgesetzte Touchscreen bei, auf dem sich einige Funktionen steuern lassen. Das gilt vor allem für den Selfie-Modus, in den die Kamera automatisch wechselt, wenn man den Monitor entsprechend umklappt. Hier stehen auch Spielereien zur Verfügung, wie der „Schöne Haut“-Filter, der „Schlankmacher“ oder die digital berechnete Hintergrund-unschärfe, die nicht an ein echtes Bokeh herankommt.

Der Monitor gefällt durch seine hohe Auflösung und Helligkeit. Ähnliches gilt für den sehr guten Sucher mit Dioptrienausgleich, dessen Auflösung sogar die G91 überbietet (3,8 Mio. Bildpunkte, Vergrößerung 0,73x entsprechend Kleinbild). Zwischen Sucher und Monitor wechselt die Kamera automatisch per Augensensor.
Erwähnenswert ist der für 50 Euro Aufpreis mitgelieferte Stativgriff DMW-SHGR1, der per USB mit der Kamera verbunden wird. Er bringt Auslöser für Foto und Video und eine Sleep-Taste mit, über die sich die Kamera in den Stromsparmodus versetzen lässt. Außerdem dient er als Tischstativ.

Aufnahme mit Panasonic Lumix G110

Den Stativgriff mit Auslöser gibt es für 50 Euro Aufpreis.

© Panasonic

Videoaufnahmen mit bis zu 120p

Wie es sich für eine Vlogger-Kamera gehört, ist die G110 bei Video und Audio gut ausgestattet. 4K nimmt sie mit 30p, rund 100 Mbit/s und sehr guter Qualität auf. Kleine Schwachpunkte: Die Clips sind maximal zehn Minuten lang und die Kamera beschneidet das Bildfeld um den Faktor 1,25. 4K ohne Crop gibt es in Panasonics G-System erst ab der G9. Schaltet man zusätzlich zum Objektivstabilisator (O.I.S.) noch einen elektronischen Videostabilisator zu (E.I.S.), verlängert sich der Crop sogar auf 1,75fach. Das ist mit Kitobjektiv für Selbstaufnahmen mit ausgestrecktem Arm dann doch etwas zu wenig Weitwinkel – gegebenenfalls müsste man hier auf ein Superweitwinkelobjektiv ausweichen.

Bei Full-HD entfällt der Crop, bzw. wird erst beim Einsatz des E.I.S. wirksam. Auch die Clips können länger ausfallen: Mit 60p sind maximal 20 Minuten mit 30p und 30 Minuten am Stück möglich. Einen IBIS (In Body Image Stabilizer) mit Sensorverschiebung bringt die G110 im Gegensatz zur GX9 oder G91 nicht mit.

Ungewöhnlich für diese Preisklasse ist das flache Vlog-L-Profil, das optimales Ausgangsmaterial für das spätere Colorgrading liefert. Diese Funktion gab es bisher erst ab der G91. Direkt über das Modusrad zugänglich sind Zeitlupen und Zeitraffer: So sind Aufnahmen mit bis zu 120p (4fach-Zeitlupen bei 30p-Wiedergabe) oder 3p (8fache-Beschleunigung) möglich. Aus Zeitrafferfotos lassen sich übrigens in der Kamera 4K-Time-Lapse-Videos erstellen. Zwei weitere Funktionen sind neu im G-System: Ein roter Rahmen auf dem Monitor kennzeichnet die laufende Videoaufnahme und für den Einsatz auf Social-Media-Plattformen lassen sich verschiedene Beschnittrahmen einblenden, beispielsweise quadratisch oder 5:4. Hochkantvideos werden so markiert, dass sie am Smartphone automatisch korrekt dargestellt werden.

Eine echte Innovation ist das Mikrofon, das Nokias Ozo-Technologie nutzt. Dabei kommen drei Mikrofonkapseln zum Einsatz, die sich nach vorne, nach hinten oder zu allen Seiten ausrichten lassen (Surround). Eine Neuheit ist auch das Tracking, bei dem die Kamera den Aufnahmewinkel des Mikros auf Basis der Gesichtserkennung anpasst; so ändert das Mikrofon die Richtung, wenn eine Person von links nach rechts wandert. Im Test hat uns die Audioqualität überzeugt – sie reicht für Selbstaufnahmen aus kurzer Distanz völlig aus. Für Interviews auf größere Distanz lässt sich natürlich auch ein externes (Funk)mikro anschließen.

Satte Ausstattung auch für Fotografen: von Fokus-Stacking bis integriertem Raw-Konverter

Doch auch fotografisch hat die G110 einiges zu bieten. Panasonic-typisch sind die 4K-Foto-Funktionen, bei denen sich aus einem kurzen Clip mit 30 Bilder/s nachträglich Einzelbilder mit rund 8 Megapixeln speichern lassen. Besonders interessant sind zwei Modi: Bei „Post-Fokus“ fährt der Autofokus einmal über das Motiv, sodass man nachträglich eine Schärfeebene auswählen kann. Auch Fokus-Stacking ist möglich. Dabei werden die verschiedenen Schärfeebenen in der Kamera zu einem Bild mit maximaler Schärfentiefe verrechnet. Der zweite 4K-Foto-Spezialmodus heißt „Sequenzkomposition“. Hierbei wird ein sich vor einem statischen Hintergrund bewegendes Motiv mehrfach in das Endbild montiert – so lassen sich beispielsweise Bewegungsabläufe erfassen.

Aus der GX880 hat Panasonic den halben mechanischen Verschluss übernommen. Dabei findet der erste Verschlussvorhang elektronisch statt und nur der zweite mechanisch. Nachteil: Die kürzeste mechanische Verschlusszeit beträgt 1/500 s und die kürzeste Blitzsynchronzeit 1/50 s. Für kürzere Belichtungszeiten bis zu 1/16.000 s gibt es den rein elektronischen Verschluss, der natürlich auch lautlos arbeitet. Er hat die üblichen Nachteile; vor allem lässt er sich nicht mit dem Blitz kombinieren und unter flackerndem Kunstlicht kann es zu Streifenbildungen („Banding“) kommen.

Weitere Funktionen der Lumix G110 sind der integrierte Raw-Konverter, der Videoschnitt in der Kamera, Stop- Motion-Animationen, diverse Bracketing-Optionen (Fokus, Belichtung Weißabgleich), Mehrfachbelichtungen, HDR, eine Augenerkennung und Live-Composite für Langzeitbelichtungen. Was leider fehlt, ist die automatische Sensorreinigung. Mit dem Smartgerät kommuniziert die G110 per Bluetooth und Wi-Fi. Dazu muss am Smartphone oder Tablet die „Lumix Sync“-App installiert sein. Sind die Geräte einmal per Bluetooth gekoppelt, so erfolgt die Bildübertragung und Fernsteuerung unkompliziert mit Live-View per Wi-Fi. Wer auf die Vorschau auf dem Smartgerät verzichtet, kann auch per Bluetooth auslösen.
Der Akku liefert Strom für 250 bis 270 Fotos – im Eco-Modus sind bis zu 900 möglich. Beim Video hält er bei kontinuierlicher Aufnahme 80 bis 90 Minuten durch. Eine Ladeschale liefert Panasonic nicht mit. Der Akku lässt sich natürlich per USB laden, eine Dauerstromversorung per USB ist aber nicht möglich.

Schon in der Kamera lassen sich Raws bearbeiten. Rechts haben wir eine Schatten-Lichter-Korrektur durchgeführt, um den Dynamikumfang zu verbessern.
Kamera: Panasonic Lumix G110, Objektiv: Lumix G Vario 4/7-14 mm, Einstellungen: 7 mm, f/5, ISO 200.

© Andreas Jordan

Geschwindigkeit und Bildqualität der Lumix G110

Die Auslöseverzögerung mit Einzel-AF und Kitobjektiv ist wie von MFT-Kameras gewohnt sehr kurz (ca. 0,16s). Serien schießt die Lumix mit gut 10 Bildern/s bei Verwendung des elektronischen Verschlusses. Mit AF-Nachführung sank die Frequenz im Test auf 6,2 Bilder/s, mit mechanischem Verschluss auf 5,8 Bilder/s. Bei JPEGs sind extrem lange Serien möglich, bei Raws haben wir 30 in Folge bei 10,3 Bildern/s gemessen.

Die G110 erreicht mit dem Referenzobjektiv bis ISO 400 extrem hohe Auflösungen mit Wirkungsgraden über 100%. Möglich ist das nur durch eine sehr aggressive Aufbereitung feiner Details, wodurch künstliche Strukturen (Artefakte) entstehen, die wiederum zu einer Abwertung bei der Artefaktnote führen. Ab ISO 800 fällt der Wirkungsgrad dann kontinuierlich, sinkt aber erst bei ISO 6400 unter 80 %. Das Bildrauschen hat der Rauschfilter bis ISO 3200 sehr gut im Griff, erst ab ISO 6400 fängt es an zu stören, ab ISO 12.800 tritt es stark in Erscheinung. Bei der visuellen Beurteilung bestätigt sich das Ergebnis. Bis ISO 1600 kann man relativ bedenkenlos fotografieren, danach verschlechtert sich die Bildqualität zusehends.

Etwas enttäuschend ist die Auflösung des Kitobjektivs, das nicht über einen Wirkungsgrad von ca. 75 % herauskommt, im Weitwinkel sind es sogar maximal 70,3 %.

FAZIT
Die Lumix G110 bietet eine Menge für’s Geld. Wer eine kompakte Vlogging-Kamera mit Wechselobjektiven sucht, ist mit ihr sehr gut beraten. Mit kleinen Schwächen wie dem 4K-Crop muss der Anwender angesichts des Preises aber leben.

Hier gelangen Sie zum Download der Tabelle mit allen Ergebnissen aus unserem Test (Panasonic Lumix GX880, Panasonic Lumix GX9, Panasonic Lumix G91, Panasonic Lumix G110).

Labormessungen: Anders Uschold

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Dieser Test wurde in unserer Ausgabe fotoMAGAZIN 9/2020 veröffentlicht.

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