Voigtländer: Vom Kamera-Pionier zur Kultmarke

Voigtländer ist eine der ältesten Kameramarken weltweit und prägt die Fotografie seit ihren frühen Anfängen. Eine Spurensuche, die von Wien über Braunschweig nach Fürth und bis nach Japan führt.

Replik der Voigtländer Daguerreotypie-Metallkamera von 1841. Dieses Exemplar stammt wahrscheinlich aus der dritten Neuauflage von 1978 und ist im Deutschen Kameramuseum in Plech zu sehen.

Replik der Voigtländer Daguerreotypie-Metallkamera von 1841. Dieses Exemplar stammt wahrscheinlich aus der dritten Neuauflage von 1978 und ist im Deutschen Kameramuseum in Plech zu sehen.

© Thomas Geitner / Deutsches Kameramuseum in Plech e.V.

Voigtländer zählt zu den traditionsreichsten Namen der Fotogeschichte. Die Marke entsteht in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Wien, wächst vom Präzisionsbetrieb zum Technologieträger – und wandelt sich später zur Handelsmarke mit internationaler Produktion und starkem Fachhandel.

Wer gründet Voigtländer – und womit beginnt alles?

Johann Christoph Voigtländer gründet 1756 in Wien eine Werkstatt für feinmechanische und optische Instrumente. Er fertigt unter anderem Messgeräte, Theodolite, Operngläser und astronomische Fernrohre – Geräte, die im Zeitalter der Aufklärung für Wissenschaft, Navigation und Militär von wachsender Bedeutung sind.
Nach seinem Tod 1797 übernimmt sein Sohn Johann Friedrich Voigtländer die Leitung. Er erweitert den Betrieb und baut ihn aus. 1837 zieht er sich aus dem Tagesgeschäft zurück und übergibt das Unternehmen an seinen Sohn: Peter Wilhelm Friedrich Voigtländer.

Wie steigt Voigtländer in die Fotografie ein?

Peter Wilhelm Friedrich – Enkel des Gründers – erkennt früh das Potenzial der Fotografie. Als 1839 die neue Technik öffentlich bekannt wird, beginnt er mit der Entwicklung fotografischer Objektive.
Bereits 1840 entsteht in Zusammenarbeit mit dem Mathematiker Joseph Petzval das erste analytisch berechnete Porträtobjektiv. Voigtländer setzt es in Serie um. Das Objektiv ist mehr als viermal lichtstärker als damalige Linsen, reduziert die Belichtungszeit auf unter eine Minute – und macht fotografische Porträts erstmals massentauglich. Im selben Jahr bringt Voigtländer zudem die weltweit erste vollständig aus Metall gefertigte Kamera auf den Markt.

Dieses Petzval-Objektiv aus dem Jahr 1855 wurde 2002 bei Leitz Photographica Auction in Wien für 1.200 Euro versteigert.

Dieses Petzval-Objektiv aus dem Jahr 1855 wurde 2002 bei Leitz Photographica Auction in Wien für 1.200 Euro versteigert.

© Leitz Photographica Auction

Welche ist die erste Voigtländer-Kamera?

1841 bringt Voigtländer die weltweit erste vollständig aus Metall gefertigte Kamera, die Voigtländer Daguerreotypie-Metallkamera, auf den Markt. Eine Replik dieser revolutionären Porträtkamera ist im Deutschen Kameramuseum im bayerischen Plech zu sehen.

Wer war Joseph Petzval?

Joseph Petzval ist ein ungarischer Mathematiker und Physiker, der im 19. Jahrhundert in Wien lehrt und forscht. Er entwickelt 1840 das erste analytisch berechnete Porträtobjektiv – eine bahnbrechende Innovation für die frühe Fotografie. Das sogenannte Petzval-Objektiv ist deutlich lichtstärker als alle bisherigen Linsen und ermöglicht erstmals scharfe Porträts mit kurzer Belichtungszeit. Petzval arbeitet mit Voigtländer zusammen, wird aber finanziell kaum beteiligt. Die Zusammenarbeit endet im Streit.

Warum zerbricht die Partnerschaft zwischen Voigtländer und Petzval?

Der Erfolg des Objektivs führt bald zu einem Zerwürfnis. Zwischen Petzval und Voigtländer existiert kein schriftlicher Vertrag über Lizenz oder Vergütung. Voigtländer vermarktet das Objektiv mit großem wirtschaftlichem Erfolg – Petzval geht leer aus. Die Beziehung zerbricht endgültig. Es ist ein klassisches Beispiel für das Spannungsfeld zwischen wissenschaftlicher Entwicklung und wirtschaftlicher Verwertung.

Wie kam Voigtländer nach Braunschweig?

1849 gründet Peter Wilhelm Friedrich Voigtländer eine Tochterfirma in Braunschweig, die „Voigtländer & Sohn, Optische Anstalt“. Der Schritt ist wirtschaftlich motiviert – der neue Standort liegt logistisch günstig im entstehenden Eisenbahnnetz, aber nicht ganz uneigennützig. Denn auch persönliche Gründe spielen eine Rolle: Voigtländers Ehefrau, Nanny verw. Zinken, geborene Langenheim (1813–1902), war die Tochter des Braunschweiger Rechtsanwalts und Notars Friedrich Wilhelm Langenheim und stammt von dort.

1868 verlegt er den Unternehmenssitz endgültig von Wien nach Braunschweig. Im selben Jahr erhebt ihn der österreichische Kaiser in den erblichen Ritterstand – eine symbolische Würdigung seines unternehmerischen Wirkens.

Welche Kameras und Objektive machen Voigtländer weltweit bekannt?

In Braunschweig entsteht eine Kameraproduktion, die weltweit Anerkennung findet. Objektive wie das Heliar liefern herausragende Schärfe und ästhetisches Bokeh – bis heute ein Begriff unter Porträtfotograf:innen. Voigtländer produziert Sucherkameras, Plattenkameras und ab den 1930er-Jahren mit der Bessa eine der erfolgreichsten Rollfilmkameras ihrer Zeit. Die Produkte gelten als zuverlässig, langlebig und modern – nicht nur bei Profis, sondern auch im Hobbybereich.

Die Voigtländer Vito überzeugt mit kompakter Bauweise, solider Mechanik und einfacher Bedienung – eine Erfolgsformel der Nachkriegszeit.

Die Voigtländer Vito überzeugt mit kompakter Bauweise, solider Mechanik und einfacher Bedienung – eine Erfolgsformel der Nachkriegszeit.

© Thomas Wolter / Pixabay

Gehörte Voigtländer einmal zu Bayer?

Nein. 1925 übernimmt die Schering AG das Unternehmen. Die Kameraproduktion bleibt erhalten, aber rückt im Konzerngefüge zunehmend in den Hintergrund. Während des Zweiten Weltkriegs wird das Werk in Braunschweig beschädigt – doch die technische Basis überlebt.
Bereits 1945 erlaubt die britische Besatzungsmacht den Wiederanlauf. Walter Nolte, damaliger Direktor, organisiert den Neustart mit der Vorkriegsentwicklung Vito. Die Kleinbildkamera wird zwischen 1945 und 1949 über 90.000 Mal gefertigt – ein beachtlicher Erfolg in der Nachkriegszeit. Bayer übernimmt die Schering AG 2006, Voigtländer gehört da bereits Ringfoto.

Was macht Voigtländer im Wirtschaftswunder so erfolgreich?

Die 1950er-Jahre stehen im Zeichen der Expansion. Neue Produktionshallen entstehen, soziale Leistungen für Beschäftigte werden eingeführt. Technologisch glänzt die Firma 1952 mit dem Apo-Lanthar – dem ersten apochromatisch korrigierten Objektiv für das Mittelformat. 1959 folgt mit dem Zoomar 36–82 mm das weltweit erste Zoom-Wechselobjektiv für Kleinbildkameras. Auch Modelle wie die Vitessa oder die Bessamatic genießen hohes Ansehen. Voigtländer gilt nun als eine der drei großen westdeutschen Kameramarken – neben Zeiss und Leica.

Die Voigtländer Bessamatic steht für die technische Innovationskraft der Marke in den 1950er-Jahren.

Die Voigtländer Bessamatic steht für die technische Innovationskraft der Marke in den 1950er-Jahren.

© CEphoto, Uwe Aranas

Warum büßt Voigtländer unter Zeiss Innovationskraft ein?

1956 übernimmt die Carl-Zeiss-Stiftung die Firma. Voigtländer wird in den Vertriebskanal von Zeiss Ikon integriert. Was als Synergie gedacht ist, entpuppt sich als Innovationsbremse: Zwei funktionierende Prototypen von Spiegelreflexkameras mit Schlitzverschluss – 1959 und 1963 – gehen nie in Serie. Zeiss stoppt die Freigabe.

Wann beginnt der Niedergang von Voigtländer?

Mitte der 1960er-Jahre trifft die beginnende Kamerakrise Voigtländer besonders hart. Die Konkurrenz aus Japan bringt technisch überlegene Modelle zu niedrigeren Preisen. In Braunschweig hält man zu lange am Zentralverschluss fest. Die Ultramatic gilt als kompliziert und fehleranfällig – ein Imageschaden, der sich nicht mehr korrigieren lässt.

Wann schließt Voigtländer das Werk in Braunschweig?

Im Konzern gibt es keine klare Strategie. Die Umsätze sinken, die Verluste steigen – und schließlich fällt die Entscheidung: Am 4. August 1971 schließt das Werk in Braunschweig. Über 2.000 Beschäftigte verlieren ihren Arbeitsplatz. Eine Ära endet.

Was passiert mit der Marke Voigtländer nach 1971?

1972 übernimmt Rollei die Marke Voigtländer. Kameras wie die VSL3-E entstehen noch im Rollei-Verbund, jedoch ohne eigene Entwicklungstiefe. Nach Rollei geht die Marke 1983 an die Plusfoto GmbH & Co. KG, einen Fachhandelsverbund.

Wem gehört Voigtländer heute?

1997 übernimmt die Ringfoto-Gruppe Plusfoto. Seither ist Voigtländer eine Handelsmarke im Ringfoto-Verbund, Europas größtem Fotofachhandelsnetz.

Neuer Fokus: Cosina baut für Voigtländer

Der Fokussierring des Voigtländer Portrait Heliar 1,8/75 mm E besteht aus Metall mit Diamantriffelung. Die Blende wird per Objektivring eingestellt.

Heute fertigt der japanische Hersteller Cosina unter Lizenz Kameras und Objektive mit dem Namen Voigtländer exklusiv für die Ringfoto-Gruppe. Zuletzt das  Voigtländer Portrait Heliar 1,8/75 mm E.

Bild: Voigtländer

Wer produziert heute Kameras und Objektive unter dem Namen Voigtländer?

Seit 1999 fertigt der japanische Hersteller Cosina unter Lizenz Kameras und Objektive mit dem Namen Voigtländer. Im Fokus stehen manuelle Festbrennweiten, vor allem für das Leica-M-Bajonett, Micro-Four-Thirds und Sony E. Die Produkte, wie zuletzt das Voigtländer Portrait Heliar 1,8/75 mm E, überzeugen durch klassische Optik, hohe Lichtstärke und präzise Mechanik – geschätzt von Liebhaber:innen, Reportagefotograf:innen und Analog-Fans.

Voigtländer ist heute kein Hersteller mehr – aber eine lebendige Idee. Sie lebt in hochwertigen Objektiven weiter, getragen von Ringfoto und gebaut mit japanischer Präzision.

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