Wie funktioniert ein Kamera-Verschluss?

Wie der Verschluss einer Kamera arbeitet, scheint zum fast schon banalen Grund­lagenwissen zu gehören. Tatsächlich ist das Thema komplexer als man anfangs vermuten würde – spätestens, wenn es um den elektronischen Verschluss geht.

Farbiges Porträt von Andreas Jordan vor neutralem Hintergrund

Andreas Jordan

Andreas Jordan leitet das Technik-Ressort beim fotoMAGAZIN.

Zentralverschluss

Zentralverschlüsse sitzen im Objektiv und kommen in Kompaktkameras sowie in Mittelformatkameras zum Einsatz – hier das Bauteil aus einer Hasselblad-Kamera.

Bild: Hasselblad

Die meisten Wechselobjektivkameras für fotografische Einsatzbereiche sind mit einem mechanischen
Schlitzverschluss ausgestattet. Hierbei bewegen sich zwei Verschlussvorhänge über das Bild und geben bei kurzen Belichtungszeiten nur einen Schlitz frei, durch den der Sensor belichtet wird – erst ab der Blitzsynchronzeit (meist 1/200 s oder 1/250 s) ist der Sensor kurz komplett offen, wird also nicht teilweise von einem der Verschlussvorhänge verdeckt.

Nikon Z9

Der elektronisch gesteuerte Schlitzverschluss in der Profikamera EOS-1D X von Canon ermöglicht Verschlusszeiten von 1/8000 s und Blitzsynchronzeiten von 1/250 s.

Bild: Canon

Im Mittelformat sind bspw. bei Hasselblad oder Leica auch Zentralverschlüsse im Einsatz, die sich – ähnlich wie eine Blende – im Objektiv befinden. Der Vorteil des Schlitzverschlusses in der Kamera ist die kürzeste Belichtungszeit, die bei Profikameras 1/8000 s beträgt, während bei Zentralverschlüssen meist bei 1/1000 s (aktuelle Leica-S-Objektive) oder maximal 1/2000 s (Hasselblad XCD) Schluss ist.

Nachteil: Die Blitzsynchronzeit endet beim Schlitzverschluss in der Regel bei 1/200 s oder 1/250 s, während sich mit Zentralverschlüssen alle Zeiten mit dem Blitz synchronisieren lassen. Allerdings gab es zuletzt beim Schlitzverschluss Fortschritte: Die Sony Alpha 1 kann diesen bis zu 1/400 s mit dem Blitz synchronisieren.

Ein weiterer Vorteil des Zentralverschlusses ist, dass er weniger Erschütterungen in der Kamera erzeugt, was vor allem bei sehr hochauflösenden Kameras kritisch sein kann. Die aktuelle Kamerageneration hat das Problem aber – unter anderem durch mechanische Dämpfung oder eine elektromagnetische Steuerung – gut in den Griff bekommen.

Im Zweifelsfall kann der erste elektronische Verschlussvorhang helfen, bei dem der Sensor vor Beginn der Belichtung quasi „abgeschaltet“ (technisch präziser: zurückgesetzt) wird und nur noch der zweite Verschlussvorhang mechanisch erfolgt. Womit wir beim Thema elektronischer Verschluss wären, der in Zukunft eine immer stärkere Rolle spielen dürfte.

Der elektronische Kamera-Verschluss

Nachdem bei spiegellosen Systemkameras schon die Spiegelmechanik durch die Elektronik ersetzt wurde, scheint es nahezuliegen, auch den mechanischen Kamera-Verschluss durch einen elektronischen zu ersetzen.

Die potenziellen Vorteile liegen auf der Hand: Die Kosten für die hochwertige Mechanik entfallen, die mechanische Anfälligkeit wird reduziert, es treten keine störenden Vibrationen mehr auf, es sind schnellere Serienbilder möglich und die Kamera kann komplett lautlos auslösen (wen das stört, der kann ein simuliertes Auslösegeräusch einschalten).

Rolling Shutter

Die Nikon Z9 ist die erste spiegellose Vollformatkamera, die ganz auf einen mechanischen Verschluss verzichtet und ausschließlich einen elektronischen Verschluss nutzt. Möglich macht dies der Stacked-CMOS-Sensor, der sich sehr schnell auslesen lässt.

Bild: Nikon

Tatsächlich haben fast alle aktuellen spiegellosen Systemkameras – und auch einige SLRs – zusätzlich zum Schlitzverschluss einen elektronischen Verschluss, der oft auch besonders kurze Belichtungszeiten ermöglicht.

Warum werden dann überhaupt noch mechanische Verschlüsse verbaut? Der Hauptgrund ist das zeilenweise Auslesen von CMOS-Sensoren, das noch zu langsam erfolgt. Besonders deutlich wird dies beim Blitzen. Die meisten Kameras können mit elektronischem Kamera-Verschluss überhaupt nicht blitzen. Genauer gesagt haben die Ingenieure den Blitz hier deaktiviert, da die Synchronzeiten zu lang wären.

Ausnahmen sind einige Olympus-Kameras, die den E-Verschluss bis zu 1/50 s mit dem Blitz synchronisieren können – in der Praxis dürfte das häufig zu lang sein. Auch hier gab es allerdings kürzlich Fortschritte. Wieder einmal ist es Sony mit der Alpha 1, die immerhin mit 1/200 s mit E-Verschluss blitzt. (Aktualisierung: Inzwischen können auch die Canon EOS R3 und die Nikon Z9 mit E-Verschluss und kurzen Zeiten blitzen).

Banding

Langsame elektronische Verschlüsse können zu Verzerrung von sich schnell bewegenden Motiven führen (Bild links). Der Verschluss der Sony Alpha 1 ist so schnell, dass dieser „Rolling Shutter“-Effekt kaum noch auftritt (Bild rechts).

Bild: Sony

Möglich macht dies die neuste CMOS-Sensor-Generation in Stacked-Bauweise mit integriertem DRAM-Speicher. Eines der wichtigsten Ziele bei der Sensorentwicklung dürfte es daher in den nächsten Jahren sein, die Auslesegeschwindigkeit zu erhöhen.

Damit lassen sich auch andere Nachteile des E-Verschlusses minimieren, bspw. der „Rolling-Shutter“-Effekt, bei dem sich schnell bewegende Motive durch das zeilenweise Auslesen „kippen“ bzw. verzerrt werden. Besonders bei Videoschwenks ist dies lästig. Außerdem können beim E-Verschluss unter flackerndem Kunstlicht horizontale Streifen entstehen – das berüchtigte Banding – und das Bokeh kann in Form abgedunkelter Unschärfekreise leiden

Beim Fotografieren mit elektrischem Verschluss und flackerndem Kunstlicht kann es zu Streifenbildungen kommen („Banding“). Die Sony Alpha 1 bekommt dieses Phänomen durch eine Anti-Flicker-Einstellung in den Griff. Bei den meisten Kameras steht Anti-Flicker nur in Kombination mit dem mechanischen Verschluss zur Verfügung.

Bild: Sony

Kommt der globale Verschluss?

Aktuelle CMOS-Sensoren werden also – anders als ältere CCD-Sensoren – zeilenweise ausgelesen, daher der „rollende“ Verschluss. Diesen Vorgang kann man beschleunigen, aber konsequenter wäre es, wenn alle Pixel gleichzeitig ausgelesen würden. Solche globalen Verschlüsse („Global Shutter“) gibt es bereits seit längerem bspw. in industriellen Anwendungen.

Im fotografischen Bereich kommt der Global Shutter bisher kaum zum Einsatz, da er zusätzliche Elektronik auf dem Sensor benötigt, welche die lichtempfindliche Fläche reduziert und damit zu stärkerem Rauschen und geringerem Dynamikumfang führen kann.

Eine Ausnahme ist die Messsucherkamera Pixii aus Frankreich mit APS-C-Sensor und 11 Megapixeln, die ausschließlich einen Global Shutter und keinen mechanischen Kamera-Verschluss mehr mitbringt. Leider konnte uns der Hersteller bisher kein Testgerät zur Verfügung stellen. (Aktualisierung: die Nachfolgerin der ersten Pixii kommt wieder ohne Global Shutter aus, hat dafür aber eine höhere Auflösung). Panasonic hatte bereits 2018 die Entwicklung einer Videokamera mit organischem Sensor und Global Shutter angekündigt, die aber noch nicht im Einsatz zu sein scheint.

Dieser Artikel stammt aus fotoMAGAZIN 9/21. Aktualisierungen sind im Text gekennzeichnet.

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