Richard Bram: Ein zeitgenössischer Meister der Street Photography

Der öffentliche Raum als Schauplatz der Begegnungen: Der Amerikaner Richard Bram zeigt uns mit seiner Street Photography das Theater der Straße.

Manfred Zollner

Manfred Zollner

Chefredakteur fotoMAGAZIN

Gläubiger

Corso Vanucci, Perugia 2018.

Foto: © Richard Bram

Was ist das eigentlich: ein Street Photographer?

Der Begriff erscheint auf den ersten Blick etwas verschwommen. Wir könnten uns vorstellen, ein „Straßenfotograf“ sei eine Art moderner Asphalt-Cowboy, der mit seiner Kamera durch die Stadt zieht. Doch wen oder was sucht er dort? In diesem Zusammenhang ist immer wieder vom „Puls der Straße“ die Rede – doch auch das erscheint nur bedingt aussagekräftig. Vielleicht sucht der Street Photographer auch überhaupt nicht, sondern flaniert durch die Metropole, lässt sich treiben wie einst Marcel Proust und wartet auf die Dinge, die passieren.

Für Street Photographer Richard Bram ist es ein Spaziergang mit gewisser Einstellung

Richard Bram nennt das „Going for a Walk with Attitude“ – Spazierengehen mit einer gewissen Einstellung. Für den in London lebenden Amerikaner bedeutet Street Photography das Festhalten von seltsamen, ungewöhnlichen Augenblicken des Alltags, die sich allein dadurch verändern, dass sie ins Rechteck eines Fotos gebracht werden.

„Heute halte ich nach einer signifikanten Geste Ausschau“, sagt Richard Bram. „Sie bringt für mich erst Leben in ein Motiv. Als ich begann, auf der Straße zu fotografieren, beobachtete ich Menschen, stellte mir vor, was sie wohl als Nächstes tun würden, wohin sie deuten oder blicken könnten, welche Mimik sie dabei zeigen würden und wen oder was sie berühren könnten. Ich wartete auf etwas Besonderes, egal wie schnell der Moment vorbeiziehen würde. Und versuchte, diesen Augenblick beim Druck auf den Auslöser festzuhalten.“

Straßenfotografie ist für Bram das Antizipieren und Festhalten von echten, besonderen Momenten. Im besten Falle könne uns eine Aufnahme die ganze Lebensgeschichte eines Menschen erzählen, doch das sei nicht die Essenz der Street Photography, sondern Fotojournalismus, sagt er.

Sollte die Street Photography vielleicht eher so etwas wie eine fotografische Suche nach der „Conditio humana“ des Großstadtmenschen sein? Nach seinen Stimmungen und all den kleinen Absonderlichkeiten des Zusammenspiels gewisser Orte und individueller Emotionen?

„Meine besten Bilder erzeugen beim Betrachter mehr als eine Emotion. “

Richard Bram, Street Photographer

In der Tradition der humanistisch gesinnten Fotografie sieht sich Richard Bram heute nur noch bedingt. „Die Augenblicke, die ich heute festhalte, sind fast immer Bilder von Menschen, aber vielleicht sind sie mit zunehmendem Alter ein wenig härter geworden.“ Heute lebt der Fotograf in London und New York und hat auch viel in anderen Städten gearbeitet. Früher habe er mehr nach Motiven mit klugen Gegenüberstellungen von Person und Bildhintergrund Ausschau gehalten, erzählt er. Mit den Jahren habe sich die Street Photography allerdings weiterentwickelt und heute betrachte er derlei Motive als klischeebehaftet. „Nun konzentriere ich mich stärker auf die signifikante Geste – diese eine, kleine Bewegung, die dem Foto Leben einhaucht. Meine besten Bilder erzeugen beim Betrachter mehr als eine Emotion. Vielleicht stellt er sich daraufhin einige Fragen, zu denen es keine einfachen Antworten gibt.“

Nicht nur in Deutschland erfährt die Street Photography derzeit einen Boom, bilden sich örtliche Communities und Festivals. Wieviel ist übrig geblieben von jener „Poesie der Straße“, die einst beispielsweise Robert Doisneau, Willi Ronis und Edouard Boubat festgehalten haben? Es gibt sie noch, vielleicht hat sich jedoch ihr Rhythmus und ihr Vokabular verändert.

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