Harald Schmitt: Der ehemalige Stern-Fotograf über seine Reisen durch Osteuropa

Auch im Ruhestand lässt ihn die Neugierde nicht los: Nach seiner Zeit beim Stern reist der Fotoreporter Harald Schmitt mit seiner Frau Annette, um die Länder Osteuropas zu fotografieren.

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Porträt Harald Schmitt

„Bauernschlau, pfiffig, freundlich im Umgang mit Personen, selbstbewusst und sympathisch“ – so wurde der Stern-Korrespondent Harald Schmitt in seiner Stasi-Akte charakterisiert.

Foto: © Ladan Rezaeian

Interview: Damian Zimmermann

35 Jahre lang war Harald Schmitt (*1948) festangestellter Foto­graf beim Stern. In dieser Zeit hat er mehr als 100 Länder bereist und war unter anderem als Osteuropa-Korrespondent unterwegs. Obwohl ihm die Geschichte hinter den Fotos meist wichtiger war als die Fotos, hat er sechs Mal den World Press Photo Award gewonnen.

Viele seiner Aufnahmen sind heute Ikonen der Pressefotografie. Nun ist im Kerber Verlag sein neuer Bildband „Facing the Balkans“ erschienen und am 6. März 2022 startete seine Ausstellung „In 50 Jahren um die Welt“ im Ostholstein Museum Eutin.

fotoMAGAZIN: Sie sind mit 29 Jahren zum Stern gekommen und waren dort 35 Jahre lang festangestellter Fotograf. Das ist heute überhaupt nicht mehr vorstellbar.
Harald Schmitt: Das war natürlich ein Segen für mich. Heute haben die Zeitschriften kein Geld mehr. Ich habe zwar nicht mehr die goldenen Zeiten, aber doch zumindest noch die silbernen Zeiten des Fotojournalismus erlebt. Die wirklich goldenen Jahre haben Robert Lebeck und Thomas Höpker miterlebt – die sind noch in der ersten Klasse geflogen (lacht).

Viel wichtiger war aber: Wir hatten drei oder vier Wochen Zeit für eine Geschichte. Damals sagte niemand: „Was?! Sie wollen mit dem Zug von Hamburg nach Köln fahren? Geht das nicht per Zoom?“ Ich habe sehr viel über den Zusammenbruch des Sozialismus berichtet und wenn ich meinte, ich muss nach Polen fliegen, dann habe ich das gemacht. Damals fragte niemand, wie lange ich brauche. Das ist heute einfach nicht mehr vorstellbar, denn für Fotoreportagen wird fast nichts mehr gezahlt.

fotoMAGAZIN: Seit ein paar Jahren sind Sie im Ruhestand und arbeiten selbstfinanziert an einem großen Projekt über Osteuropa.
Harald Schmitt: Ich habe das Glück, dass ich nicht nur eine staatliche Rente, sondern zusätzlich eine Betriebsrente von Gruner + Jahr beziehe. Das gibt mir die Freiheit, auch an freien Projekten zu arbeiten, wie zum Beispiel an dem Osteuropa-Projekt, für das meine Frau Annette und ich über fünf Jahre immer wieder unterwegs waren.

Wir sind allein 45.000 Kilometer im Auto gefahren und haben 24 Länder besucht. Finanziert haben wir das alles komplett selbst – mit einer Ausnahme: Von der VG Bild-Kunst haben wir ein Stipendium in Höhe von 8000 Euro bekommen.

„Die Länder Osteuropas sind uns viel näher als zum Beispiel die USA.“

Harald Schmitt über sein neues Osteuropa-Projekt

fotoMAGAZIN: Stammt Ihr Interesse an Osteuropa aus der Zeit beim Stern, in der Sie Korrespondent in dieser Region waren?
Harald Schmitt: Meine Frau hatte schon immer eine Affinität für den Osten. Und bei mir kam das durch meine Korrespondenten-Tätigkeit in der Tschechoslowakei, Polen und Russland. Wir sind beide begeistert vom Osten und finden, dass uns diese Länder viel näher stehen als zum Beispiel die USA. Außerdem haben wir dort in einigen Ländern Freunde. Die besuchen wir dann und sie können uns Neues erzählen.

Als gelernter Fotoreporter suche ich ja immer nach Geschichten. Das tolle Bild mit Porträt im Sonnenuntergang ist mir nicht wichtig. Der Mensch ist wichtig und nicht das Licht. Falls das Licht nicht gut ist, wenn ich dort bin, dann warte ich auch nicht bis zum Abend, sondern mache trotzdem gleich mein Foto und erzähle im Text etwas über die Person.

fotoMAGAZIN: Es gibt aber noch immer häufig die Meinung, dass ein Bild für sich alleine sprechen müsse.
Harald Schmitt: Ein Foto soll Anreize geben, eine Geschichte zu lesen. Beim Stern ist es schwer, eine Reportage zu fotografieren, weil du in nur zwei, maximal vier Doppelseiten eine ganze Geschichte erzählen sollst. Du musst also lernen zu verdichten und auf einer Doppelseite möglichst viel zu erzählen.

Deswegen habe ich mir fast immer Themen überlegt, auf die ich im jeweiligen Land meinen Schwerpunkt legen will. Also zum Beispiel in Rumänien eine Geschichte über die Rückkehrer aus Deutschland oder Österreich, weil diese sagen, dass es nicht sein kann, dass die gut ausgebildeten Rumänen das Land verlassen. Darüber zu berichten ist mir wichtiger als das Foto an sich. Um an solche Geschichten zu kommen, fahren wir meist über die Landstraßen. Auf der Autobahn kriegst du nichts mit von dem, was unverhofft passieren kann.

> zur Website des Fotografen: www.harald-schmitt.com

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