Fokus Fotorecht: EU will Panoramafreiheit einschränken

Bildjournalisten und Millionen Hobbyfotografen droht ein kaum lösbarer Konflikt mit dem Urheberrecht.

Fokus Fotorecht, Paragraph
© Thinkstock

Der nächste Vorstoß gegen das Fotografieren in der Öffentlichkeit: Jetzt droht die EU das Urheberrecht zu verschärfen und sorgt damit weltweit für Entsetzen. Bildjournalisten und Millionen Hobbyfotografen droht ein kaum lösbarer Konflikt mit dem Urheberrecht – es sind tolle Nachrichten für Anwälte.

Sommerzeit ist Reisezeit, gerade wenn es in Deutschland schüttet. Wer jetzt last minute auf Reisen geht, sollte die Kamera einpacken. Denn wenn es nach dem Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments geht, gibt es bald weniger Fotofreiheit als zuvor und für jeden Facebook-Upload bräuchte man ein kleines Rechtsgutachten. Der jetzt bekannt gewordene Beschluss hat weltweit für Aufsehen gesorgt: Petapixel schlägt Alarm, das Blog BoingBoing sieht bereits das Ende der Straßenfotografie in Europa gekommen, Netzpolitik.org als deutsche Beobachter nennen die Einschränkung schlicht „ugly“ - und die Wikipedia sorgt sich um ihren Bildbestand.

Es geht um die Panoramafreiheit – grob gesagt die Freiheit, Gebäude und dauerhafte Kunstwerke zu fotografieren und entsprechende Fotos beliebig zu verbreiten. Mag ein Gebäude als architektonisches Werk Urheberrecht genießen oder eine Skulptur, für die Fotografen macht das Urheberrechtsgesetz eine Ausnahme: Sie dürfen fotografieren und damit das Kunstwerk „kopieren“. Das gilt sogar europaweit – mal dürfen Gebäude samt Kunstwerken fotografiert werden (so in Deutschland), mal nur die Gebäude, manche Länder erlauben nur das private, nichtkommerzielle Fotografieren.

Grenzenlos ist die Freiheit auch in Deutschland schon jetzt nicht. Vor 20 Jahren verhüllte das Künstlerpaar Christo und Jeanne-Claude zum Beispiel den Reichstag – und schrieb damit Kunst- wie auch Rechtsgeschichte. Ein Postkartenverlag fotografierte das Spektakel und verkaufte die Bilder. 8 Jahre später urteilte der Bundesgerichtshof: Das war rechtswidrig. Die Kunstaktion war nicht „bleibend“, wie es § 59 UrhG verlangt, sondern vorrübergehend. Kommerzielles Fotografieren war damit lizenzpflichtig.

Harmonisierung des Urheberrechtes?

Nun möchte die EU das Urheberrecht harmonisieren – und damit auch die Panoramafreiheit. In einem Text hat der Rechtsausschuss des Europaparlaments eine folgenreiche Abwägung getroffen. Danach dürfen künftig Bilder nur noch unkommerziell verbreitet werden. Foto-Skandale und -Skandälchen dürften sich häufen, denn bald könnte man auch für selbstgeschossene Fotos abgemahnt werden. Dokumentarfotografen und Bildjournalisten könnten sich nicht mehr auf die Freiheit der Straßen berufen, sondern brauchen Anwälte für jeden Schuss auf ein Gebäude.

Die Regelung trifft nicht nur Profis

Auch für private Fotografen ist der Vorstoß ein großes Problem. Denn wenn Nutzer auf kommerzielle Plattformen wie Facebook oder Instagram Bilder hochladen, übernehmen sie die Gewähr, alle erforderlichen Rechte zu besitzen – denn Facebook braucht eine Lizenz, um die Bilder überhaupt anzeigen zu können. Die deutsche Piraten-Politikerin Julia Reda zeichnet daher ein dramatisches Bild:

„Blacked out London-Eye-2009“ by Kham Tran – www.khamtran.com – Derived from File:London-Eye-2009.JPG. Licensed under CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

Der Text brächte Millionen von Europäern in Konflikt mit dem Urheberrecht.

Am 9. Juli wird das Plenum des EU-Parlaments über den Text abstimmen – und damit eine wichtige Weiche für die Fotofreiheit in Europa stellen. Wenig, aber genug Zeit für Fotografen, um gegen diese Idee Sturm zu laufen.

Blacked out London-Eye-2009" by Kham Tran

Dr. Hendrik Wieduwilt ist Anwalt und fotografiert schon lange genug, um zu wissen, wie man einen Film einlegt. Sein Spezialgebiet sind internet- und medienrechtliche Themen, die er gelegentlich auch journalistisch bearbeitet.

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