VINTAGE VIBES: Rollei 35

In der Serie „VINTAGE VIBES“ stellen wir Ihnen analoge Kult-Kameras vor, die nicht nur nostalgischen Wert haben, sondern auch heute noch beeindruckende Ergebnisse liefern. Diesmal die Rollei 35.

Winfried Warnke

Winfried Warnke

Kolumnist und freier Autor

Nur so groß wie eine ­Zigarettenschachtel, ­minimalistisches Design und in gefühlt jedem deutschen Haushalt ­zu Hause: die Rollei 35, hier in der Variante S mit dem Sonnar 2,8/40.

Nur so groß wie eine ­Zigarettenschachtel, ­minimalistisches Design und in gefühlt jedem deutschen Haushalt ­zu Hause: die Rollei 35, hier in der Variante S
mit dem Sonnar 2,8/40.

© Winfried Warnke

Erstaunlich: Wer zum ersten Mal eine Rollei 35 in die Hand nimmt, kann meist nicht glauben, dass dieser charmante Kamera-Winzling mit einem Kleinbildfilm bestückt werden kann. Trotz der geringen Maße (die Kamera ist etwa so groß wie eine Zigarettenschachtel) vermittelt diese Kamera gewichtige Wertigkeit. Zusammen mit dem Hingucker-Design und dem klaren Aufbau war sie damals so erfolgreich, dass heute ein entfernter Nachbau, die Rollei 35 AF, seit 2024 von der Hongkonger Firma Mint Camera in einer modernen Variante angeboten wird.

Abgelehnte Kamera wird zum Top-Seller

Entworfen wurde die Kompaktkamera von Heinz Waaske, damals Chefkonstrukteur bei der ­Firma Wirgin Kamerawerke (Markenname Edixa). Quasi selbstständig im Wohnzimmer entwarf er ab 1962 dieses neue, aufregend unaufgeregte Kamerakonzept. Wirgin war an dieser Idee nicht interessiert und auch Leitz und Kodak winkten ab, was man später arg bereute, denn mehr als zwei Millionen Kameras wurden von dieser Baureihe hergestellt.

Rollei 35: Markteinführung 1966

Rollei griff zu und entwickelte die Kamera zur Serienreife: Die Sucherkamera kam 1966 auf den Markt, eine der letzten kameratechnischen Innovationen „Made in Ger­many“. Alles, was in der deutschen Kamera­industrie Rang und Namen hatte, war in diesem Modell verbaut: Gehäuse und Mechanik von Rollei, der Belichtungsmesser von Gossen und das Objektiv von Zeiss.

Die Bedienung war etwas gewöhnungsbedürftig. Verschluss- und Blendenmechanismus wurden nicht direkt am Objektiv eingestellt, stattdessen gaben zwei Einstellräder an der Vorderseite des Gehäuses der Rollei 35 ihr markantes Gesicht. Der helle Leuchtrahmensucher verzichtet auf ablenkenden Firlefanz, die Belichtungsmessung erfolgte über einen Abgleich von ausschlagender Nadel und Kelle in einem Fenster auf der Oberseite der Kamera, alles klassisch manuell. Das Objektiv ist versenkbar und so wesentlich für die Kompaktheit verantwortlich.

Ein Teil deutscher Kamerageschichte

Die Baureihen unterscheiden sich im Wesentlichen durch drei verschiedene Objektive: Die T-Variante hat ein Tessar 3,5/40 mm mit vier Linsen, die Rollei 35 S ein Sonnar 2,8/40 mm mit fünf Linsen und die 35 B ein Triotar 3,5/40 mm mit drei Linsen.

Die Geschichte der Rollei 35 ist auch ein Teil deutscher Kamerageschichte und eng mit dem Aufstieg und Fall der Firma Rollei verbunden. Ihr damaliger Chef Heinrich Peesel traf richtige Entscheidungen (Produktion der Kamera und Diversifizierung der Angebotspalette), schoss aber als Vorreiter der Globalisierung über das Ziel hinaus: Er baute in Singapur riesige Produktions-Überkapazitäten auf. Das Braunschweiger Fotografie-Unternehmen wollte Anfang der siebziger Jahre hoch hinaus, doch der Traum endete zehn Jahre später mit dem Konkurs.

Die Rollei 35 auf dem Gebrauchtmarkt

Wer sich heute für die kompakte Sucherkamera begeistert (und die Zahl der Fans dieses Klassikers nimmt stark zu), sucht nach exzellent erhaltenen Modellen aus deutscher Produktion (240 Euro) oder nach dem mechanischen Edelklassiker, der Rollei 35 S (180 Euro). Bei beiden Modellen gibt es keine störanfällige Elektronik – Mechanik pur ist die Devise.

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