Rollei, bzw. die „Werkstatt für Feinmechanik und Optik Franke und Heidecke“ in Braunschweig, schuf mit der Rolleiflex eine Kamera-Ikone für Profis. Die Rolleicord (Foto) kam 1933 auf den Markt, als preisgünstigere Variante der Rolleiflex für engagierte Amateure.
© ClickerHappy/PixabayDie Marke Rollei steht für deutsche Präzisionskameras wie die legendäre Rolleiflex, die die professionelle Fotografie des 20. Jahrhunderts prägten. Heute verbindet die Marke diese Tradition mit Retro-Kameras, analogem Filmmaterial und modernem Fotozubehör. Grund genug, sich einmal detaillierter der Geschichte dieses Unternehmens anzunehmen.
Das Unternehmen Rollei gab es in der Vergangenheit in verschiedenen Gesellschaftsformen, die Sie alle im letzten Teil dieses Textes in einer tabellarischen Übersicht finden. Um nicht zu verwirren wird "Rollei" im folgenden Text mitunter als pars pro toto für Marke, Unternehmen und Produkte aus der langen Rollei-Geschichte verwendet. Aber der Reihe nach:
Reinhold Heidecke und Paul Franke gründeten am 1. Februar 1920 die „Werkstatt für Feinmechanik und Optik Franke & Heidecke“. Ihr Ziel war es, eine neuartige Rollfilmkamera zu entwickeln, die Aufnahme und Sucher mit zwei separaten Objektiven vereinte. Aus dieser Idee entstand 1929 die Rolleiflex – eine kompakte Mittelformatkamera im Format 6×6 Zentimeter, die professionelle Bildqualität lieferte und zugleich mobil genug für den Alltagseinsatz war.
Die Kamera-Ikone von Rollei
Die Rolleiflex prägte schon bald die Pressefotografie der 1930er- bis 1950er-Jahre. Ihre Popularität war so groß, dass weltweit mehr als 500 Nachbauten erschienen, vor allem aus Japan. Bis 1956 hatte Rollei bereits eine Million Kameras verkauft. Fotografen wie Vivian Maier, Diane Arbus, Helmut Newton und Alfred Eisenstaedt setzten sie ein, um ikonische Reportagen, Straßenfotografien und Modeaufnahmen zu schaffen. Auch Unterwasserpioniere wie Hans Hass nutzten Rolleiflex-Modelle in speziell entwickelten Gehäusen – ein ungewöhnlicher Einsatzbereich, der die Vielseitigkeit der Kamera unterstrich.
Die Rolleiflex wurde 1928/29 von Franke & Heidecke in Braunschweig entwickelt und war die erste zweiäugige Spiegelreflexkamera (TLR) für Rollfilm. Sie wurde schnell zu einem weltweit anerkannten Profi-Werkzeug.
© Alfred Derks/PixabayBesonders legendär wurde innerhalb der Baureihen die Rolleiflex 2,8 F. Mit ihrem massiven Metallgehäuse, 1,2 Kilogramm Gewicht und rein mechanischem Aufbau verkörpert sie deutsche Ingenieurskunst par excellence. Sie zwingt zum bewussten Fotografieren, belohnt aber mit Ruhe, Präzision und einem ikonischen Aufnahme-Erlebnis – vom Blick von oben durch den Lichtschachtsucher bis zum charakteristischen Surren des Compur-Verschlusses. Berühmte Fotografen wie Richard Avedon, Robert Capa oder Lee Miller schufen mit diesem Modell Bildikonen der Porträt- und Reportagefotografie.
Rollei und seine Innovationen im Kamerabau
Schon früh ergänzte Rollei das Spitzenmodell durch eine günstigere Variante für ambitionierte Amateure: Die 1933 eingeführte Rolleicord verzichtete auf einige Komfortfunktionen, bot aber dieselbe Bildgröße und ein robustes, zuverlässiges Gehäuse. Damit öffnete sich Rollei einem breiteren Publikum, ohne die Marke zu verwässern. In den 1950er-Jahren folgte mit dem Rolleimarin ein Unterwassergehäuse, das erstmals professionelle Mittelformatfotografie unter Wasser erlaubte. Damit wurden Expeditionen und Naturdokumentationen möglich, die zuvor technisch kaum umsetzbar waren.
Nach 1960 begann das Unternehmen damit, neue Formate zu erschließen. Die Rollei 35 etwa war bei ihrem Erscheinen 1966 die kleinste vollwertige 35-mm-Kamera der Welt. Sie bot hohe Bildqualität in einem handtellergroßen Gehäuse und wurde zum Verkaufsschlager. Parallel entstand mit der Rolleiflex SL66 eine einäugige Mittelformatkamera, deren Tilt- und Shift-Mechanismus für Perspektivkontrolle bei Architekturfotografie revolutionär war.
Damals die kleinste vollwertige 35-mm-Kamera der Welt: die Rollei 35 von 1966.
© Mariya Muschard/PixabayDie technische Weiterentwicklung führte 1975 zur elektronisch gesteuerten Rolleiflex SLX. Sie bot ein modulares System mit Wechselmagazinen, elektronischem Zentralverschluss und integrierter Belichtungsmessung – ein Vorgriff auf spätere professionelle Studiokameras. Diese Reihe markierte den Höhepunkt von Rolleis Innovationskraft im Mittelformat und bereitete das elektronische 6000er-System vor.
Internationale Expansion
Mit wachsendem Erfolg wagte Rollei Ende der 1960er-Jahre den Sprung ins Ausland. 1971 eröffnete das Unternehmen eine Produktionsstätte in Singapur – als einer der ersten europäischen Kamerahersteller überhaupt. Die internationale Fertigung senkte Kosten, führte aber dazu, dass der Mythos „Made in Germany“ an Strahlkraft verlor. Gleichzeitig stieg der Wettbewerb durch japanische Hersteller, die den Trend zu Kleinbild-SLRs frühzeitig erkannten und dominierten.
Ab Mitte der 1970er-Jahre geriet Rollei in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Die Nachfrage nach zweiäugigen Kameras brach ein, und die neuen Märkte konnten die Verluste nicht auffangen. Es folgten mehrere Eigentümerwechsel und Umfirmierungen: vom Traditionsnamen Franke & Heidecke über Rollei-Werke bis zur Rollei Fototechnic GmbH. Das Unternehmen konzentrierte sich in den 1980ern erneut auf Mittelformatkameras, entwickelte aber auch digitale Kompaktkameras und spezialisierte Vermessungssysteme.
Trotz dieser Bemühungen blieb Rollei ein Hersteller zwischen Tradition und Modernisierung – einerseits hoch angesehen für Qualität und Optik, andererseits immer wieder von Marktveränderungen unter Druck gesetzt.
Rollei und seine analoge Filmproduktion
Neben den Kameras betrieb Rollei jahrzehntelang eine bedeutende eigene Filmproduktion. Die Marke war ein Pionier in der Herstellung von Schwarzweiß- und Farbfilmen, die für ihre feine Körnung, hohe Schärfe und ihren großen Tonwertumfang geschätzt wurden. Mit Filmen wie RPX 25, RPX 400 oder Retro 80S deckte Rollei ein breites Spektrum fotografischer Anwendungen ab – von hochauflösenden Landschaftsaufnahmen bis hin zu Reportage- und Available-Light-Fotografie.
Zum hundertjährigen Jubiläum 2020 wurde mit einem limitierten Film-Duo „Paul & Reinhold“ an die Gründer Paul Franke und Reinhold Heidecke. Die beiden Schwarzweiß-Negativfilme teilten denselben Bildcharakter – eine symbolische Hommage an die gemeinsame Vision der Firmengründer und an ein Jahrhundert Unternehmensgeschichte.
Das limitierte Schwarzweiß-Negativfilm-Duo „Paul & Reinhold“ erinnerte 2020 anlässlich des 100-jährigen Bestehens von Rollei an die Gründer Paul Franke und Reinhold Heidecke.
© RolleiRollei im 21. Jahrhundert
Der Beginn des neuen Jahrtausends brachte eine tiefgreifende Zäsur. 2007 wurde das Unternehmen aufgespalten: Die Profikameras verblieben unter dem traditionsreichen Namen Franke & Heidecke in Braunschweig, während die Markenrechte an die RCP-Technik GmbH gingen. Mit diesem Schritt begann eine strategische Neuausrichtung: Weg vom reinen Kamerabau hin zu Foto- und Videozubehör.
2015 firmierte RCP-Technik schließlich zur Rollei GmbH & Co. KG um und etablierte sich in Norderstedt bei Hamburg. Statt neue Mittelformatkameras zu entwickeln, setzte man nun auf Stative, Filter, Blitztechnik, Kamerataschen und Actioncams. Dem Unternehmen gelang es, sich als Zubehörspezialist neu zu positionieren. Gleichzeitig blieb die analoge Filmtradition erhalten: Analog-Filme bedienen bis heute eine Nische für analoge Enthusiasten, die Wert auf klassische Aufnahmeprozesse und fein abgestimmte Materialien legen. Herstellung und Vertrieb unter Lizenz obliegen der Hans O. Mahn GmbH & Co. KG (Maco) in Stapelfeld bei Hamburg.
Die Rollei-Unternehmensgeschichte im Überblick
1920
Gründung von Franke & Heidecke in Braunschweig. Beginn der Rolleiflex-Entwicklung, die bald Weltruhm erlangt.
1962
Umbenennung in Rollei-Werke Franke & Heidecke. Ausbau des Sortiments und Vorbereitung internationaler Expansion.
1970/71
Produktionsstart in Singapur – einer der ersten Schritte europäischer Kamerahersteller in die Auslandfertigung.
1979
Rechtsformwechsel zu Rollei-Werke Franke & Heidecke GmbH & Co. KG.
1981
Neustrukturierung als Rollei Fototechnic GmbH & Co. KG. Fokus auf Mittelformat und erste digitale Experimente.
2004
Umfirmierung zu Rollei GmbH. Sitzverlegung nach Berlin; Produktionsauslagerung nach Braunschweig.
2007
Aufspaltung in drei Unternehmen:
- Franke & Heidecke (Profikameras),
- RCP-Technik (Consumerprodukte)
- Rollei Metric (Photogrammetrie).
2009
Insolvenz Franke & Heidecke; Übernahme von Produktion und Service durch DW Photo GmbH & Co. KG in Braunschweig.
seit 2009
DW Photo GmbH & Co. KG: Fortführung professioneller Mittelformatkameras (Hy6, SLX, SL66) in Braunschweig.
2010–2015
Rollei GmbH in Berlin/Norderstedt: Ausbau des Zubehörportfolios (Stative, Filter, Actioncams).
seit ca. 2010
Hans O. Mahn GmbH & Co. KG (Maco): Produktion und Vertrieb von Rollei-Filmen unter Lizenz.
seit 2015
Rollei GmbH & Co. KG in Norderstedt: Weiterführung der Marke im Zubehör- und Consumerbereich.
Rückkehr mit analogem Charme
Ein bemerkenswertes Signal setzte man 2024: Mit der Rollei 35 AF präsentierte das Unternehmen eine Neuauflage der legendären Rollei 35. Optisch fast unverändert, technisch aber mit LiDAR-basiertem Autofokus und OLED-Display ausgestattet, richtet sie sich an Liebhaber analoger Fotografie, die klassische Handhabung mit moderner Komforttechnik verbinden möchten. Die Kamera ist jetzt auch in Schwarz erhältlich. – Abgesehen von der 35 AF erweitert Rollei 2025 sein Angebot im Bereich optischer Produkte und Objektive, beispielsweise mit dem ersten eigenständigen Objektiv Rollei AF 85mm F1,8, das mit Sony- und Nikon-Bajonetten kompatibel ist
Dieser Schritt ist mehr als ein nostalgisches Projekt. Er zeigt, dass Rollei die eigene Geschichte aktiv nutzt, um im Zeitalter digitaler Fotografie eine emotionale Verbindung zur Filmfotografie herzustellen. Während andere Hersteller analoge Kameras aus ihren Programmen gestrichen haben, besetzt Rollei damit bewusst eine Nische, in der Begeisterung für mechanische Präzision und entschleunigtes Fotografieren wächst.
Neue digitale Modelle im Retro-Stil
Parallel dazu setzt Rollei auf digitale Kompaktkameras im Retro-Stil. Nach der Powerflex 10x Retro folgte im Sommer 2025 die Powerflex X8 Dual Lens, eine Kamera mit ungewöhnlichem Doppelobjektiv-Konzept: Auf der Vorderseite sitzt ein Selfie-Weitwinkel, auf der Rückseite ein Hauptobjektiv mit achtfachem Zoom. Beide nutzen kleine CMOS-Sensoren, die maximal 8 Megapixel liefern und bis 64 Megapixel hochinterpolieren können. Die Kamera richtet sich mit ihrem Preis um 300 Euro an Einsteiger, bietet aber Extras wie ein großes 3,6-Zoll-Touchdisplay, 4K-Videoaufzeichnung, einen Blitzschuh sowie Anschlüsse für Mikrofon und HDMI.
Powerflex X8 Dual Lens mit 8fach-Zoom.
Bild: RolleiAuch wenn die Bildqualität durch die winzigen Sensoren nicht an aktuelle Smartphones heranreicht, zeigt die Powerflex X8 Dual Lens, wohin Rollei seine Marke führen will: erschwingliche Kameras für alle, die ein eigenständiges Gerät statt eines Smartphones bevorzugen – verpackt in auffälligem Design mit ungewöhnlichen Features. Zusammen mit der analogen Rollei 35 AF entsteht so ein Portfolio, das Tradition und Neuinterpretation verbindet und die Marke erneut ins Gespräch bringt. Vor diesem Hintergrund scheint nicht einmal mehr ein digitales Comeback der legendären Rolleiflex völlig ausgeschlossen.
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