Focus Breathing: Woher kommt es, was kann ich tun?

Wenn sich beim Fokussieren der Bildwinkel eines Objektivs ändert, bezeichnet man das als Focus Breathing. Aber woher rührt dieses lästige Phänomen? An der Brennweite, wie oft vermutet, liegt es nicht.

Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann

freier Journalist und Technikexperte

Fotograf mit Sony Alpha 7 IV

Die Sony Alpha 7 IV bringt eine digitale Korrektur für das Focus Breathing mit – Voraussetzung ist allerdings ein Sony-Objektiv.

Foto: © Sony

Der Zoomring und der Fokusring eines Objektivs scheinen auf den ersten Blick voneinander unabhängige Funktionen zu haben. Mit dem Zoomring wählen wir den gewünschten Bildwinkel und Bildausschnitt, während wir mit dem Fokusring scharfstellen – sofern das nicht der Autofokus übernimmt. Doch so einfach ist es nicht. Beim Zoomen kann ein scharfes Bild wieder unscharf werden, sofern das Objektiv nicht parfokal ist. Umgekehrt kommt es bei manchen Objektiven vor, dass sich beim Fokussieren auch der Bildausschnitt ändert. Das ist das sogenannte Focus Breathing (teils auch auf Deutsch Fokus-Atmen genannt).

Focus Breathing = Fokus-Atmen

In Erklärungen dieses Effekts wird oft darauf verwiesen, dass die Fokussierung in solchen Fällen die Brennweite ändern würde, doch das führt in die Irre. Es stimmt zwar, dass viele Objektive – auch solche vermeintlich fester Brennweite – durch eine Veränderung der Brennweite scharfstellen, aber das erklärt nicht das Focus Breathing. Das tritt nämlich auch dann auf, wenn sich die Brennweite überhaupt nicht ändert.

Die klassische Fokussierung

Der Bildwinkel eines Objektivs hängt nicht von der Brennweite ab, sondern von der Bildweite, dem Abstand zwischen den Linsen des Objektivs und dem scharfen Bild. Wenn die Kamera scharfgestellt hat, ist das auch die Entfernung zwischen Objektiv und Sensor. Je größer die Bildweite, desto enger ist der Bildwinkel und desto kleiner der Bildausschnitt. Wenn wir auf ein Motiv im Unendlichen fokussieren, ist die Bildweite gleich der Brennweite f.

Je kürzer die Gegenstandsweite g, also die Entfernung zum Motiv ist, desto länger ist die Bildweite b. Dieser allgemeingültige Zusammenhang wird durch die Linsengleichung beschrieben: 1/g + 1/b = 1/f.

Linsengleichung

Die klassische Fokussiermethode besteht darin, den Abstand der Linsen zum Sensor mit einem Schneckengang zu verstellen, bis er der Bildweite entspricht. Bei dieser Methode ist klar, weshalb sich der Bildausschnitt beim Fokussieren ändert. Je näher das Motiv ist, desto länger ist die Bildweite und desto kleiner der Bildausschnitt. Man spricht vom Bildfeldschwund im Nahbereich. Die Brennweite bleibt dabei gleich. Für den Bildwinkel spielt sie nur insofern eine Rolle, als sie gleichzeitig die kürzestmögliche Bildweite ist. Bei einer längeren Brennweite und gleicher Entfernung des Motivs ist auch die Bildweite länger. Nur deshalb haben Objektive mit längerer Brennweite einen kleineren Bildwinkel als solche mit kürzerer Brennweite.

Innenfokussierung

Viele aktuelle Objektive stellen mit einer Innenfokussierung scharf. Die Entfernungseinstellung ändert dabei nicht den Abstand aller Linsen vom Sensor; vielmehr bleibt die Länge des Objektivs gleich. Stattdessen wird nur eine einzelne Linsengruppe zur Fokussierung verschoben. Dadurch verändert sich gewöhnlich die Brennweite, und auch auf diesem Wege lässt sich ein Motiv scharfstellen. Wenn sich die Bildweite nicht ändern soll, wählt man einfach diejenige Brennweite, bei der in diesem Abstand ein scharfes Bild des Motivs entsteht. Damit wäre das Focus Breathing vermieden, denn aufgrund der konstanten Bildweite ändert sich auch der Bildwinkel nicht.

Das widerspricht erst einmal der Intuition. Ausgerechnet dann, wenn man durch eine Veränderung der Brennweite scharfstellt, soll der Bildwinkel gleich bleiben. Dabei ist das im Wortsinne augenfällig, denn unsere Augen fokussieren genau so: Die Linse des menschlichen Auges ist immer gleich weit von der Netzhaut entfernt. Um auf nahe Objekte scharfzustellen, wird sie von Muskeln zusammengedrückt und ihre Brennweite so verkürzt. Bildwinkel und Vergrößerung ändern sich dabei nicht.

Objektive mit Innenfokussierung können Focus Breathing zeigen

Die Ursache liegt in einem bislang nicht erwähnten Faktor: Der Lage der bildseitigen Hauptebene des Objektivs. Die Bildweite ist die Entfernung zwischen Objektiv und scharfem Bild; aber von wo aus wird diese Entfernung bei einem mehrlinsigen Objektiv gemessen? Dies ist eben die bildseitige Hauptebene und diese kann, je nach der Konstruktion des Objektivs, vor der Frontlinse, hinter der Hinterlinse oder irgendwo dazwischen liegen. Wenn man nun eine Linsengruppe im Objektiv verschiebt, ändert sich generell nicht nur die Brennweite, sondern auch die Lage der Hauptebene und damit auch die von dort bis zum Sensor gemessene Bildweite – und der Bildwinkel. Dabei kann auch ein dem Bildfeldschwund im Nahbereich entgegengesetzter Effekt entstehen: Bei kürzeren Entfernungen wächst dann der Bildausschnitt.

So vermeiden Sie Focus Breathing

Um Focus Breathing völlig zu vermeiden, dürfte sich die Bildweite nicht ändern. Man könnte dazu beispielsweise sowohl eine Fokussiergruppe als auch das Objektiv im Ganzen verschieben, aber dadurch ginge ein Vorteil der Innenfokussierung verloren. Alternativ lässt sich die Veränderung des Bildwinkels digital korrigieren, wie es die Sony Alpha 7 IV unterstützt, sofern ein Systemobjektiv mit bekanntem Focus Breathing verwendet wird. Dabei wird der Ausschnitt auf den kleinsten Bildwinkel beschränkt und das Bild nötigenfalls beschnitten, wenn das Objektiv einen größeren Winkel erfasst, wobei man einen Teil der Sensorauflösung verliert. Will man stets den vollen Bildwinkel nutzen, schaltet man diese Korrektur besser ab.

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