Sebastião Salgado in seiner Ausstellung in der Galerie Bene Taschen in Köln im Jahr 2020.
© Damian ZimmermannSebastião Ribeiro Salgado wurde am 8. Februar 1944 im Bundesstaat Minas Gerais in Brasilien geboren und wuchs auf der Fazenda seiner Eltern auf. Er studierte zunächst Wirtschaftswissenschaften in São Paulo und lernte dort seine zukünftige Frau Lélia Deluiz Wanick kennen. Er engagierte sich gegen die Militärdiktatur in seiner Heimat und emigrierte schließlich 1969 nach Paris, um dort seine Dissertation zu schreiben, während seine Frau Architektur studierte. Ab 1971 arbeitete er für die Internationale Kaffeeorganisation und reiste dafür nach Afrika, wo er mit der von seiner Frau geliehenen Leica fotografierte. Das löste eine solche Begeisterung in ihm aus, dass er sich 1973 als Fotograf selbstständig machte.
Salgado war Mitglied mehrerer Fotoagenturen, darunter auch 15 Jahre lang bei der legendären Fotografenagentur Magnum, die er allerdings 1994 wieder verließ, um seine Bilder selbst zu vermarkten. 1981 war er beim Anschlag auf den frisch gewählten US-Präsidenten Ronald Reagan dabei und machte innerhalb von nur 90 Sekunden rund 70 Fotos. Nach eigener Aussage habe er mit den Bildern so viel Geld verdient, dass er andere Projekte damit finanzieren konnte.
Cemetery of the Town of Hualtla de Jiménez, Mexico, 1980
© Sebastião Salgado, Courtesy Galerie Bene TaschenIn der größten Goldmiene der Welt fotografiert
So reiste er 1986 in die brasilianische Goldmine Serra Pelada, um dort die freiwilligen Goldschürfer zu fotografieren, die unter archaischen Bedingungen arbeiteten und lebten: Mit Schaufeln und Spitzhacken arbeiteten Tausende Glücksritter, Abenteurer und Kriminelle gleichzeitig in diesem riesigen Loch im Regenwald, sodass Serra Pelada gemessen an der Arbeiterzahl als größte Goldmine der Welt galt.
In dieser Zeit festigte sich auch sein fotografischer Stil, der sich bis zu seinem Tod nicht stark verändern sollte. Salgados Fotos sind geprägt von Dramatik und einem Hang zum Pathos sowie feinen, aber nicht zu komplexen, dafür aber höchst ästhetischen Kompositionen, was in Anbetracht des Elends, das er abbildete, nicht kritiklos betrachtet wurde. So war er 1991 mehr als einen Monat lang in Kuwait und fotografierte die Löscharbeiten der im Zweiten Golfkrieg in Brand gesetzten Ölquellen. Durch den Lärm dort habe sein Gehör dauerhaft Schaden genommen. Die Bilder gingen damals um die Welt und er wurde mit dem Leica Oskar Barnack Award ausgezeichnet.
„Ich wurde krank, körperlich wie seelisch.“
Salgado fotografierte im Jugoslawienkrieg und war danach in Ruanda. Diese Erlebnisse traumatisierten ihn: „Ich habe mitbekommen, wie brutal, hasserfüllt und vollkommen respektlos die Menschen miteinander umgegangen sind. Es war extrem gewalttätig, dabei befanden wir uns in einem reichen europäischen Land mit gebildeten und wohlhabenden Menschen. Jeder hatte ein Haus, jeder hatte ein Auto, jeder hatte einen Fernseher. Danach habe ich den Genozid in Ruanda miterlebt und es war exakt das Gleiche. Auch hier wurde der Mensch wieder zu dem selben gewalttätigen, brutalen Tier, und ich sah 15.000 Menschen sterben. Das hat mich verändert. Ich wurde krank, körperlich wie seelisch. Ich brauchte eine Auszeit.“
Drei Monate verbrachte Salgado am Meer und ging danach zurück auf die Farm seiner Eltern. „Die war in einem katastrophalen Zustand. Es gab keine Bäume mehr, keinen Wasserfall, keine Tiere. Alles war ausgetrocknet. Die Farm war noch kranker als ich.“
Xingu, Mato Grosso, Brazil, 2005
© Sebastião Salgado, Courtesy Galerie Bene TaschenSeine Frau Lélia hatte dann die Idee, einfach einen neuen Regenwald zu pflanzen, und das taten sie auch. Und mit den Bäumen kehrte nicht nur das Leben auf der Farm zurück, sondern auch in Salgado selbst – und das veränderte auch seine fotografische Sichtweise auf die Welt. Nach all dem Leid und all den Kämpfen, die er gesehen hatte, wollte er nun den Planeten selbst betrachten und stürzte sich acht Jahre lang in sein nächstes großes Projekt, das schließlich in Genesis mündete. Dafür reiste er um die ganze Welt und fotografierte die letzten Naturräume in Wüsten und Meeren, Urwäldern und Vulkanlandschaften, um statt der Zerstörung die Schönheit unserer Welt festzuhalten.
Verdientes Geld investierte Salgado in den Umweltschutz
Anschließend reiste Salgado für sein Projekt „Amazônia“ sechs Jahre lang durch das Amazonasgebiet in Brasilien und hielt auch dort die Schönheit von Regenwald, Flüssen, Bergen und der indigenen Bevölkerung fest. Das durch die Bücher, Ausstellungen und Bildverkäufe eingenommene Geld investierte er in den Umweltschutz, und die Wiederaufforstung seiner Farm wurde dafür zum Sinnbild.
Iceberg between the Paulet Island and the South Shetland Islands, Antarctica, 2005
© Sebastião Salgado, Courtesy Galerie Bene TaschenSalgados Sohn Juliano Ribeiro Salgado und der deutsche Regisseur Wim Wenders drehten gemeinsam den Dokumentarfilm „Das Salz der Erde“ über das Leben und Wirken des Fotografen und Umweltaktivisten, was Salgado auch in einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht hat. Zudem erhielt er 2019 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels – als zweiter Bildkünstler in der Geschichte des Preises überhaupt.
Am Donnerstag verschickte das Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln eine Pressemitteilung, in der es auf die ab Ende Oktober 2025 laufende Salgado-Ausstellung „Amazônia“ hinwies. Nur einen Tag später starb Sebastião Salgado in Paris. Mit ihm geht einer der ganz großen und wichtigen Fotografen unserer Zeit.
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