Kamera-Gold

Warum einige Kamera-Schätze auf Auktionen zwar immer wieder Rekordpreise erzielen, Kameras als Anlageobjekte aber trotzdem eher ungeeignet sind.

Winfried Warnke

Winfried Warnke

Kolumnist und freier Autor

Winfried Warnkes Secondhand Kolumne

Mickrig, mickrig – gerade mal etwas über null Prozent Zinsen bringen Bundesanleihen, Geldanlage sieht anders aus. Wahnsinn: Über zwei Millionen Euro brachte die Versteigerung einer Leica aus der 0-Serie (Baujahr 1925) auf einer Wiener Auktion.

In einer Zeit, in der diskutiert wird, für größere Guthaben Strafzinsen zu verlangen und Europa sich im Finanzkrisen-Modus befindet, ist die Versuchung riesig, in sichtbare, fühlbare Sachwerte zu investieren. Kamera-Gold als alternative Geldanlage lockt. Es sind die exquisiten und sauteuren Einzelstücke, die für Aufmerksamkeit sorgen. Wenn zwei, drei Superreiche gerade Lust auf diese Spezialitäten haben, explodieren auf Auktionen die Preise.

Mit raren Leicas spekulieren können die, die auch Verluste mühelos wegstecken können. Für die anderen kommt dann wohl die normale Leica infrage: schön zu haben, aber als Anlageobjekt ungeeignet. Wer sich vor 30 Jahren eine neue Leica M6 für knapp 4000 Mark in den Tresor legte, bekommt heute gut 1000 Euro dafür. Effektive Geldanlage ist das nicht.

„Sämtliche Digitalkameras sind wahre Preisvernichter: Selbst eine edle Leica M9 von 2009, Neupreis gut 5000 Euro, erzielt heute neuwertig gerade mal 3000 Euro.“

Winfried Warnke

Ähnliches gilt für die hübschen Rolleiflexen oder legendären Nikon-F-Kameras. Hersteller haben diese Anlegergruppe im Visier: Seit geraumer Zeit fluten Sonderserien den Markt. Was so streng limitiert ist, ist Marketing pur. Hier soll Knappheit eine finanzielle Wertigkeit vermitteln, doch die Realität sieht anders aus. Stores und Boutiquen übernehmen den Vertrieb. Hochpreisige Sondereditionen sind eher Modeprodukte, denn Anlageobjekte.

Sämtliche Digitalkameras sind wahre Preisvernichter: Selbst eine edle Leica M9 von 2009, Neupreis gut 5000 Euro, erzielt heute neuwertig gerade mal 3000 Euro. Die rasante technische Weiterentwicklung macht digitale Ware zum absoluten Anlage-No-Go. Dennoch, für den etwas betuchteren Otto Normalverbraucher haben Foto-Klassiker schon ihren Reiz, weniger anlage- denn genussorientiert. Damit die Rendite nicht komplett in den Keller geht, sollten Sie alles Elektronische meiden, Spitzenprodukte der jeweiligen Baureihen oder Meilensteine erwerben und einen exzellenten Zustand wählen.

Diese Kolumne ist in unserer Ausgabe fotoMAGAZIN 12/2016 erschienen.

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