Dennis Hopper

Vor den Dreharbeiten zu dem Kultfilm „Easy Rider“ widmete sich Dennis Hopper zwischen 1961 und 1967 intensiv der Fotografie. Wir hatten 1992 Gelegenheit zu einem Interview mit ihm, das wir zum Erscheinen des neuen Bildbandes „Dennis Hopper. Photographs 1961-1967“ wieder veröffentlichen.

Manfred Zollner

Manfred Zollner

Chefredakteur fotoMAGAZIN

Portrait Dennis Hopper
Dennis Hopper. © Terry Richardson

Dennis Hoppers Fotos wurden vom 8. April bis 23. Mai 1993 in einer großen Retrospektive des Aktionsforums Fürth gezeigt. Zur Eröffnung reiste der Hollywood-Star mit seiner damaligen Lebensgefährtin an. Am folgenden Tag wurde er mit einer Limosine von Fürth nach München gebracht, wo ihn Thomas Gottschalk als Gast seiner TV-Show geladen hatte. Unser Interview entstand während der Reise auf dem Rücksitz des Fahrzeugs.

fotoMAGAZIN: In Ihren Filmen und Gemälden thematisieren Sie häufig Gewalt. Bei Ihren Aufnahmen aus den 1960er-Jahren vermisse ich das völlig.
Dennis Hopper: Viele meiner Bilder aus den 60er-Jahren sind voller Gewalt, ich zeige sie nur nicht. Das will ich nicht. Ich habe Aufnahmen von den Unruhen in Los Angeles, Friedensmärschen, Gewalt in den Südstaaten. Diese Aufnahmen stehen meiner Meinung nach für nichts, sie sind keine großartigen Fotos und brächten mich nur in ein heroisierendes Umfeld, das ich von mir weise. Heroisch, weil ich zu einer blöden Zeit an einem blöden Ort war. Man sieht, dass ich dort nichts zu suchen hatte.

Bikers 1967

Bikers, 1967

© 2018 The Dennis Hopper Trust

fotoMAGAZIN: Was schätzen Sie am meisten an Ihren Fotos aus dieser Zeit?
Hopper: Dass ich die richtigen Künstler ausgesucht habe. Ich betrat damals unberührtes Terrain und fotografierte Leute, die noch nie eine Ausstellung hatten. Ich glaubte einfach an sie. Von den 22 bis 23 Künstlern, die ich fotografierte, ließ mich keiner je im Stich. Vielleicht können meine Fotos auch dazu beitragen, dass sich die Leute heute die Arbeiten einiger dieser Künstler wieder ansehen. Von manchen hat man nichts mehr gehört, aber ihr Werk ist nicht verschwunden. Jasper Johns sagte mir mal: "Mach Dir keine Sorgen, wenn man Dich jetzt noch nicht akzeptiert. Mach einfach weiter, pass auf, dass alles gut dokumentiert und an sicherer Stelle untergebracht ist.“

„Ich wollte nicht die Privatsphäre der Menschen verletzen.“

Dennis Hopper, Fotograf, Schauspieler und Regisseur

fotoMAGAZIN: Warum hörten sie 1967 mit dem Fotografieren auf?
Hopper: Ich hatte mit der Fotografie all das gemacht, was ich tun wollte. Nur den Krieg habe ich nicht fotografiert. Ich wollte nach Vietnam, aber die ließen zu diesem Zeitpunkt  keine Fotojournalisten mehr rein. Damals wendete ich mich sogar an einen Senator, aber die wiesen mich zurück, nachdem sie schlechte Presseresonanz bekommen hatten. Ich hatte damals das Drehbuch für den Film „Easy Rider“ zu schreiben begonnen, bei dem ich dann auch die Regie führte. All diese Fotos habe ich gemacht, weil ich Regisseur werden wollte. Die Kamera war zu jener Zeit mein kreatives Ventil.

Aus dem Bildband „Photographs 1961-1967“

fotoMAGAZIN: Hatten Sie Idole, die Sie zur Fotografie führten?
Hopper: Ja, Robert Capa und Cartier-Bresson, ansonsten Aaron Siskind und Harry Callahan. Als ich anfing, fotografierte ich Wände, um zweidimensional arbeiten zu können.

fotoMAGAZIN: Sie fotografierten damals noch keine Menschen?
Hopper: Nein, denn als Schauspieler wurde ich selbst ständig fotografiert. In dieser Situation fühlte ich mich meist nicht wohl. Ich wollte nicht die Privatsphäre der Menschen verletzen. Nachdem ich Cartier-Bressons Buch „Der entscheidende Augenblick“ gelesen hatte, fing ich an, Straßenszenen zu fotografieren. Zwei Galeristen baten mich dann, Künstler für Ausstellungsposter zu portraitieren. Im Gegensatz zu den Schauspielern hatten die Künstler Spaß bei den Aufnahmen, weil sie es nicht gewohnt waren, dass man sie fotografierte. Viele davon waren meine Freunde. So begann ich mit Portraits, aber ganz selten fotografierte ich Schauspieler wie Paul Newman und Dean Stockwell ...

Bruce Conner (in tub), Toni Basil, Teri Garr and Ann Marshall, 1965

Bruce Conner (in tub), Toni Basil, Teri Garr and Ann Marshall, 1965

© 2018 The Dennis Hopper Trust

fotoMAGAZIN: Was ist Ihnen am stärksten von den 60er-Jahren in Erinnerung geblieben?
Hopper: Neulich bezeichnete jemand die Menschen aus den 60er-Jahren als die „unschuldige Generation“. Ich fand, das war eine seltsame Bemerkung. Der Sex, die Drogen die Musik – das alles erschien mir als eine Zeit der kreativen Explosion. Wir waren insofern unschuldig, als wir uns selbst als Versuchskaninchen für unsere Drogenexperimente benutzten. Anfang der 60er-Jahre war die Kunst sehr aufregend.

„Mein kreatives Leben ist ein einziger destruktiver Akt.“

Dennis Hopper

fotoMAGAZIN: 1961 wurden bei einem Brand viele Ihrer Gedichte und Bilder zerstört. Riss Sie das in Depressionen?
Hopper: Ich war niedergeschlagen aber ich fing damals gerade erst an, Objekte mit Fotos zu machen. Die Dinge verändern sich eben. Gerade ist in Los Angeles eine Ausstellung, die den Einsatz des Mediums Fotografie in der Kunst von den 1960er- bis in die 1980er-Jahre zeigt. Man würdigt mich dort als ersten, der diese Objekte in Galerien brachte, die sonst nur Gemälde ausstellten. Nur drei von fünfzehn Objekten haben damals das Feuer überstanden. Mein kreatives Leben ist ein einziger destruktiver Akt. Jetzt habe ich Lust, diese Dinge nochmal zu machen.

Photographs 1961-1967

fotoMAGAZIN: Plötzlich steigt dieser Tage das Interesse an den kreativen Prozessen der 60er-Jahre. Wie erklären Sie sich die neue Aufmerksamkeit für Fotos von Warhol, Finkelstein und Hopper?
Hopper: Wir sind eben jetzt Antiquitäten (lacht). Für mich erscheint das alles noch frisch und neu, da ich selbst beteiligt war. Jetzt ist es an der Zeit, dass die Künstler erzählen, was damals wirklich geschah. Sehr oft dauert es eine Weile, bis die Innovatoren wiederentdeckt werden.

fotoMAGAZIN: Ist nach dem Design, der Architektur und anderen Bereichen der Kunst nun also die Fotografie dran?
Hopper: Ja. Als ich damals fotografierte, durften die Bilder nicht dort gezeigt werden, wo die Maler ausstellten. So integrierte ich sie in den Skulpturen.

fotoMAGAZIN: In dem Film „Flashback“ legte man Ihnen den Spruch: „Die 90er werden die 60er-Jahre wie die 50er wirken lassen“ in den Mund. Könnte dahinter ein Funken Wahrheit verborgen sein?
Hopper: Es passiert jetzt auf jeden Fall eine Menge. Ich würde jedoch gerne noch etwas mehr Kreativität sehen.
 

Steckbrief Dennis Hopper

Als Darsteller und Regisseur hat Dennis Hopper Filmgeschichte gemacht. Nach Filmen wie „Denn sie wissen nicht, was sie tun“ und „Giganten“ widmete sich der Schauspieler, Maler und Poet von 1961 bis 1967 intensiv der Fotografie. Dann beendete er abrupt seine Fotokarriere, um sich auf sein Regiedebüt „Easy Rider“ zu konzentrieren. Dem Kultfilm folgte 1971 ein kommerzielles Desaster mit „The Last Movie“. Hollywoods Enfant terrible durchlebte in New Mexico jahrelange Drogenexzesse, bis qualvoller Entzug und absoluter Erfolgswille 1986 ein Comeback in „Blue Velvet“ ermöglichten. 2010 widmete das Museum of Contemporary Art in Los Angeles dem kreativen Multitalent eine umfassende Ausstellung. Im Alter von 74 Jahren ist er im selben Jahr einem Krebsleiden erlegen.

Selbstporträt Dennis Hopper

Self-Portrait at porn stand, 1962.

© 2018 The Dennis Hopper Trust

Der Bildband „Dennis Hopper. Photographs 1961–1967“

Erschienen im Taschen Verlag. Hardcover, 25 x 33,3 cm, 484 Seiten, 50 Euro

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