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© Lewis W. Hine / Courtesy Taschen-Verlag, www.taschen.com
Geschichte der Fotografie
Von den Anfängen 1825 bis in die Moderne
19.08.2020
Wer hat eigentlich die Fotografie erfunden? Welche Fotografen prägten die Geschichte der Fotografie? Und welche Phasen hat die Fotografie bis heute durchlaufen? fotoMAGAZIN wirft einen Blick auf zwei Jahrhunderte Fotografie-Geschichte.
Am 19. August feiert der „World Photography Day“ die Kunst, das Handwerks, die Wissenschaft und die Geschichte der Fotografie. Seit dem frühen 19. Jahrhundert bietet die Fotografie die Möglichkeit besondere Augenblicke einzufangen, Kunstwerke zu erschaffen, wichtige Ereignisse festzuhalten, die Umwelt zu dokumentieren und die eigene Persönlichkeit auszudrücken. Dabei hat die Fotografie in den letzten zwei Jahrhunderten viele Phasen durchlaufen und sich stetig weiterentwickelt: Vom ersten Foto über Visitenkartenbilder, den Anfang der Reisefotografie und die Gruppe f/64 bis hin zu Instagram & Co.
Ein Artikel von: Hans-Michael Koetzle, Anja Martin und Manfred Zollner
Das 19. Jahrhundert – Die Anfänge des Mediums
Die Zeit der Pioniere. Konkurrenz der Positiv-Negativverfahren, topographische Interessen, Kampf um künstlerische Anerkennung. Erfolg des Portraitsfotos und die Anfänge der sozialdokumentarischen Fotografie.
Das erste Foto
Die ersten heute bekannten Fotos machte J.N. Niépce ab 1825. Er belichtete asphaltbeschichtete Platten mehrere Stunden lang, nannte sein Verfahren Heliographie. Um es zu verbessern, schloss er sich mit dem geschäftstüchtigen Louis Jacques Mandé Daguerre zusammen, der später Ruhm und Reichtum für die Erfindung der Fotografie für sich beanspruchen sollte. Übergangen wurde auch der Staatsbeamte Hippolyte Bayard mit seinem Direkt-Positiv-Verfahren. Noch ein Pionier hatte zeitgleich die Fotografie erfunden: Der Brite William Henry Fox Talbot machte 1835 das erste Negativ, doch erst 1841 meldete er seine Kalotypie zum Patent an.
Das erste Foto-Buch – The Pencil of Nature
Natürliche Objekte ohne Bleistift abbilden – das war nach W. H. Fox Talbot das Verdienst der Fotografie. "The Pencil of Nature" nannte er denn auch sein 1944-1946 herausgegebenes Buch, in das er 24 Kalotypien klebte.
Das erste gestellte Foto – Hippolyte Bayard
Mit Bildern anklagen – diese Möglichkeit der Fotografie nutzte einer ihrer verkannten Pioniere bereits 1840. Hippolyte Bayards Direkt-Positiv-Verfahren auf Papier war neben dem Hype um die Daguerreotypie übersehen worden. Mit "Selbstportrait als Ertrunkener" gibt er vor, ins Wasser gegangen zu sein, weil die französische Regierung nichts für seine Erfindung übrig gehabt hätte.
Statussymbol Portrait
1839 öffneten die ersten Fotostudios – noch war Portraitiertwerden eine Tortur. Man musste mehrere Minuten die Augen aufsperren, Kopf und Körper in Stützen einlegen. Mit lichtstärkeren Objektiven und lichtempfindlichen Platten verkürzte sich die Zeit, und das Portraitfoto wurde zum Statussymbol und später zum Massenartikel. Nadar eröffnete 1853 in Paris eins der berühmtesten Studios, machte es zum Treff der Bohème, fotografierte u.a. Victor Hugo. Weitere bekannte Portraitisten: Etiénne Carjat und Mathew Brady.
Visitenkartenbilder
Fotos auf das damals übliche Visitenkartenformat (6 x 9 cm) zu verkleinern, war die Idee von Adolphe Eugène Disdéri, die er sich 1854 patentieren ließ. Man gab sie statt der normalen Visitenkarte aus und sammelte sie wie heute Autogrammkarten. Die Vertreter der europäischen Königshäuser ließen sich genauso ablichten wie Berühmtheiten der Zeit. Disdéris "Carte de Visite" von Napoléon III. wurde innerhalb von drei Monaten 70.000 Mal verkauf.
Stereofotografie
Auf dem Tisch eines bürgerlichen Salons fand sich neben dem Visitenkartenalbum meist auch ein Stapel Stereokarten. Fremde Länder, berühmte Städte, Baudenkmäler und nackte Frauen in 3D zu betrachten, wurde zur leichten Muse, die der Fotografie das Manko der Eindimensionalität nahm. Das Prinzip: Zwei perspektivisch leicht verschobene Fotos werden im Kopf zu einem addiert. Die Präsentation auf der Weltausstellung 1951 und das Interesse Königin Victorias lösten einen Stereo-Boom aus.
Maler mit der Kamera
Konkurrenz und gegenseitige Abhängigkeit kennzeichneten lange das Verhältnis von Fotografie und Malerei. Einerseits nutzten Künstler Fotos als Vorlagen, andererseits versuchten viktorianische Fotografen, die Bildsprache der Gemälde zu kopieren. Gustave Le Gray, Oscar G. Rejlander und Henry R. Robinson verfügten gar über eine Ausbildung als Maler. Auf der Suche nach dem Schönen versuchten sie, die Realitätstreue der Fotografie zu überwinden. Sie nutzen u.a. die Kombinationstechnik, die mehrere Negative zusammenfügte. Le Gray sandwichte Wolkenhimmel in seine Flottenbilder. Rejlander kombinierte allegorische Bühnenszenen. Auch Julia Margaret Cameron wollte das Wirkliche mit dem Idealen verbinden – und den Portraits ihrer einflussreichen Freunde und in Kostümbildern im Stil der Präraffaeliten. Weitere Portraitisten der Zeit: Lewis Carroll, Autor von "Alice im Wunderland", David Octavius Hill & Robert Adamson.
Der frühe Akt
Das Aktstudium mit dem Pinsel hatte bereits eine lange Tradition. Doch wie mit Aktfotos umgehen? Das Auge der Kamera schien weniger distanziert als das Auge des Malers. So wurde der fotografische Blick auf den Körper bald verboten, und Aktfotografen blieben meist anonym.
Der Beginn der Reisefotografie
Seit den fünfziger Jahren kam das Reisen in Mode: Man besuchte die Kolonialgebiete oder ging auf Grand Tour. Und Zuhausegebliebene verlangten nach Erfahrungsersatz. So zogen Fotografen schwer bepackt mit Glasplatten, Dunkelkammerzelt und Chemikalien in die Ferne: Francis Firth nach Ägypten und Palästina, Samuel Bourne nach Indien, John Thomson nach China und Südostasien. Felice A. Beato nach Japan und Francis Bedford als offizieller Reisefotograf des Prince of Wales in den Nahen Osten. Von en Glasnegativen ließen sich große Mengen Abzüge machen, die direkt verkauft oder in Reisebücher geklebt wurden.
Bilder vom Krieg
Roger Fenton hat als erster Fotograf einen Krieg ausführlich dokumentiert. Die britische Krone schickte ihn 1855 auf die Krim, damit er im Stil der Schlachtenmaler ein positives Bild zeichne. Belichtungszeiten von drei bis zwanzig Sekunden und die schwere Ausrüstung erlaubten lediglich Bilder von leblosen Schlachtfeldern und Soldatenportraits. Authentischeres lieferte da bereits der amerikanische Bürgerkrieg. Mathew Brady schickte einen ganzen Trupp Fotografen in den Kampf, darunter Timothy O'Sullivan und Alxander Gardner.
Neue Landschaften
Im Jahrzehnt nach dem Krieg erwachte das Interesse der Natur des amerikanischen Westens. O'Sullivan verewigte 1871 den Grand Canyon, Carleton Watkins schuf Panoramen von Yosemite. Mit ihren Bildern ebneten sie auch den Weg zu späteren Nationalparkgründungen. In Europa suchten Fotografen Neuland in der Höhe: Die Brüder Bisson etwa erkundeten das Montblanc-Massiv.
Sozialdokumentation
Einer der Ersten, die Lebensumstände mit Fotos beschreiben, war in den Achtzigern der Journalist Jacob A. Riis. Sein Thema: Armut und Elend in New Yorker Slums. John Thomson, eigentlich Reisefotograf, nahm sich des Londoner Straßenlebens an. Einer der berühmtesten Sozialdokumentare aber was Lewis W. Hine, der u.a. Kinderarbeit in Nordamerika fotografierte, wofür er seine Kamera schon mal in der Brotbüchse versteckte. Dokumentarisch, aber weniger investigativ arbeitete Eugène Atget in Paris.
Der Fotojournalismus
Weltweit wurden seit den sechziger Jahren wichtige Ereignisse fotografisch dokumentiert. In Zeitungen mussten sie allerdings noch als Holzschnitte und Lithografien erscheinen. Den Durchbruch brachten das Rasterbild und die Autotypie 1881. Innerhalb eines Jahrzehnts wurde das Zeitungsfoto zum Standard der Berichterstattung.
Auf Knopfdruck
"You press the button. We do the rest", so die Idee von George Eastman, der 1888 die Kodak Nr. 1 auf den Markt brachte: eine kleine, leichte Boxkamera mit Fixfokusobjektiv. Zum Entwickeln schickte man die ganze Kamera mit dem Film ein, bekam sie gelandet zurück. Fehlende Köpfe oder Beine waren keine Seltenheit, da die Kamera noch keine Sucher hatte. Mit ihr war der Schnappschuss geboren und die Ära der Amateure angebrochen.
Druckverfahren im 19. Jahrhundert
Zunächst waren Daguerreotypien die beliebteste Form der Abbildung: spiegelnde Unikate auf silberbeschichteten Kupferplatten, fein gezeichnet und scharf. Man bewahrte sie in samtgefütterten Etuis unter Glas auf. Nachteil: Es waren Unikate, nicht vervielfältigbar, empfindlich und teuer. So machten schließlich Papierabzüge das Rennen, die zuerst wegen der Schemenhaftigkeit der Salzpapierprints/Kalotypien ins Hintertreffen geraten waren. Ab 1850 gab eine Albumin(Eiweiß)-Schicht den Abzügen Brillanz. In der größten Albuminpapierfabrik der Welt, in Dresden, schlug man pro Tag über 60.000 Eier auf. Abgelöst wurden diese populärsten Fotopapiere des 19. Jh. Erst vom Gelatinepapier (Aristopapier). Die künstlerische Fotografie verlor sich geradezu in verschiedenen Printarten. Um 1900 waren weit über hundert Edeldruckverfahren bekannt. Die gängigsten: Kohledruck/Pigmentdruck, bei dem eingelagerte Kohlestoff- oder Pigmentpartikel das Bild erzeugen. Haltbares Platin ersetzt das Silber beim Platindruck: exklusiv und nuancenreichen. Dem steht der eher malerische Gummidruck gegenüber: Durch Sonnenlicht entsteht ein pigmentiertes Gummiarabikum-Relief. Als eines der letzten Verfahren etabliert sich der Bromöldruck, bei dem ein Bromsilber-Gelatine-Bild mit Ölfarbe eingestrichen und abgezogen wird.
Mehr zur technischen Geschichte der Fotografie gibt es hier: Geschichte der Fotografie: Von der Daguerreotypie bis zu modernen Sensoren
Seite 1 | Das 19. Jahrhundert – Die Anfänge des Mediums |
Seite 2 | Das 20. Jahrhundert – Der Weg zum Massenmedium |
Seite 3 | Das 21. Jahrhundert – Matrix Reloaded: Das digitale Zeitalter |
fotoMAGAZIN
1949 erschien die erste Ausgabe der ersten Fotozeitschrift im deutschsprachigen Raum. Seither begleiten wir die Fotogeschichte. Unsere Kamera- und Objektivtests unter Labor- und Praxisbedingungen helfen Einsteigern und Profis seit jeher bei der Kaufentscheidung. Mancher Fotograf wurde von uns entdeckt. Und seit Steven J. Sasson 1975 für Kodak die erste Digitalkamera entwickelte, haben wir die digitale Fotografie auf dem Schirm. Unsere Fotoexpertise ist Ihr Vorteil.
Artikel unter dieser Autorenzeile sind Gemeinschaftsprojekte der Redaktion.
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