Straßenfotografie: Freiheit ohne Grenzüberschreitung

Ein Fall aus Köln entfacht eine bundesweite Diskussion darüber, wie sich voyeuristische Aufnahmen im öffentlichen Raum künftig ahnden lassen. Die Politik plant schärfere Regeln, während die Fotoszene fürchtet, dass strengere Vorschriften das spontane Arbeiten in der Straßenfotografie stark einschränken könnten.

Ein Fall aus Köln löst eine Debatte aus: Wie schützt man vor voyeuristischen Aufnahmen im öffentlichen Raum – ohne die Straßenfotografie zu gefährden? Die Politik plant neue Regeln, die Fotoszene warnt vor unbeabsichtigten Folgen.

Yanni Gentsch bei der Pressekonferenz anlässlich ihrer Petition mit NRW-Justizminister Dr. Benjamin Limbach in Düsseldorf.

© Screenshot (WDR)

Im Februar 2025 wurde die Kölnerin Yanni Gentsch beim Joggen in einem Waldstück von einem Mann auf einem E-Bike verfolgt. Er filmte gezielt mit seinem Smartphone ihr Gesäß. Gentsch stellte den Spanner zur Rede und forderte ihn auf, die Aufnahmen zu löschen. Die 30-Jährige filmte das Gespräch mit ihrem Smartphone. In der Nachbearbeitung machte sie das Gesicht des Mannes unkenntlich und veröffentlichte das Video bei Instagram. Es ging viral.

Wo das Strafrecht an Grenzen stößt

Eine Anzeige bei der Polizei blieb indes folgenlos. Das Filmen ihres bekleideten Körpers ist weder eine Straftat noch eine Ordnungswidrigkeit. Gentsch richtet sich deshalb mit einer Petition an Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD). Sie fordert, den § 184k StGB so zu ändern, dass alle voyeuristischen Aufnahmen strafbar werden. Die Petition hat inzwischen fast 160.000 Unterstützer.

Der Fall zeigt eine deutliche Lücke im Gesetz. Strafbar sind heute nur Aufnahmen, die einen geschützten Intimbereich umgehen – etwa heimliche Fotos unter der Kleidung. Bei vollständig bekleideten Personen im öffentlichen Raum greift die Norm nicht. Dass gezielte und sexualisierte Aufnahmen ohne Einwilligung straffrei bleiben, sorgt für Kritik und politischen Druck.

Betroffene schildert Folgen und fordert Änderungen

Gegenüber der Bild-Zeitung erklärte Yanni Gentsch, sie könne nicht nachvollziehen, warum eine Anzeige gegen ihren Verfolger nicht möglich gewesen sei. NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) fordert klarere Regeln für digitale sexuelle Übergriffe. Er sieht ein wachsendes Problembewusstsein in der Politik und betont, der Staat müsse Betroffene „wirksamer vor digitaler sexueller Gewalt schützen“.

Politik reagiert – aber nicht geschlossen

Mehrere Landesjustizminister wollen das Sexualstrafrecht erweitern. Sie verweisen auf die wachsende Zahl digitaler Übergriffe im öffentlichen Raum. Dennoch erreichte ein Antrag aus NRW und Hamburg bei der Herbsttagung der Landesjustizminister am 7. November 2025 keine Mehrheit. Der Vorschlag sah vor, Voyeur-Aufnahmen und sexuell motivierte, nicht körperliche Belästigungen unter Strafe zu stellen.

Das Risiko für die Straßenfotografie

In der Fotoszene wächst die Sorge vor unbeabsichtigten Nebenwirkungen eines neuen Straftatbestands. Straßenfotografie lebt von spontanen Situationen und ungeplanten Momenten. Fotografen fürchten, dass unklar formulierte Regeln zu Missverständnissen führen könnten – etwa wenn zufällige Bildausschnitte oder Alltagsmomente vorschnell als heikel eingestuft werden. Entscheidend ist die Absicht: Nur gezielt voyeuristische Aufnahmen sollen strafbar sein, nicht das dokumentarische Arbeiten im öffentlichen Raum. Zudem muss weiterhin unterschieden werden, in welchem Kontext solche Fotografien genutzt werden. Ein solches Gesetz darf nicht dazu führen, dass Fotografen, die im öffentlichen Raum arbeiten, unter Generalverdacht stehen, wie es zum Beispiel in Deutschland im Bereich der Fotografie von Kindern stattfindet.

Wie geht es weiter?

Das Bundesjustizministerium prüft derzeit, wie eine neue Norm aussehen könnte. Sie soll gezielte voyeuristische Aufnahmen erfassen, ohne journalistische oder künstlerische Arbeit im öffentlichen Raum zu beeinträchtigen. Denkbar sind klare Kriterien: Nähe zur gefilmten Person, Verfolgungssituationen oder eindeutige Hinweise auf eine sexuelle Absicht.

Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) kündigte an, bis Anfang 2026 einen Gesetzentwurf vorzulegen. Das Gesetz soll noch vor der Sommerpause 2026 wirksam werden. Es soll mehr Schutz vor Übergriffen schaffen und zugleich die Freiheit der Straßenfotografie erhalten.

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