Canon T90 – nostalgischer Design-Klassiker von Colani

In der Serie „Vintage Vibes“ stellen wir Ihnen analoge Kult-Kameras vor, die nicht nur nostalgischen Wert haben, sondern auch heute noch beeindruckende Ergebnisse liefern. Diesmal die Canon T90.

Winfried Warnke

Winfried Warnke

Kolumnist und freier Autor

Die Canon T90 ist ein ­Design-Klassiker mit technischen Innovationen.

Die Canon T90 ist ein ­Design-Klassiker mit technischen Innovationen.

© Kurt Tauber/Kameramuseum.de

Man musste schon ziemlich exzentrisch sein, um als Designer die traditionelle, fest etablierte Form von Spiegelreflexkameras zu revolutionieren: Waren bis zum Erscheinen der Canon T90 im Jahr 1986 Spiegelreflexkameras kantig und hart, so räumte Canon mit diesem Erscheinungsbild radikal auf, als sie den deutschen Star-Designer Luigi Colani (1928–2019) mit dem Entwurf be­­auftragten. Der kreierte eine Kamera-Linie, die über Jahrzehnte das Äußere der professionellen SLR-Kameras prägen sollte.

Gestaltung der Canon T90 bis heute prägend

Eine heutige digitale Canon EOS R5 weist nach fast vierzig Jahren noch die gleichen Design-Grundzüge auf wie die damalige Colani-Kamera. Dessen Markenzeichen waren weiche, organische Formen, ohne rechte Winkel und Ecken. Dieser Design-Guru übertrug seine Formideen auch auf Trucks, Kindernachttöpfe, Möbel und Fernseher. Der Industriedesigner Colani war Visionär, Träumer und Provokateur. Während viele seiner Designideen floppten, setzte sich seine Formgebung nicht nur bei Canon durch, sondern wurde von anderen Herstellern für ihre Kameras übernommen.

Neben diesen ästhetischen Aspekten verwirklichte Colani in der Kamera den wohl wichtigsten Grundsatz für Industrie-Gebrauchsdesign: „Form follows function“. In der T90 wurde der phänomenal realisiert und das spürt man sogar heute noch, wenn man die Canon in die Hand nimmt. Andere SLR-Kameras jener Zeit – auch aus eigenem Hause wie die Canon F1n – sehen dagegen im wahrsten Sinne des Wortes alt aus. Diese damals futuristische Formgebung trug maßgeblich dazu bei, dass hochwertiger Kunststoff auch bei professionelleren Fotogeräten Akzeptanz fand.

Die Canon T90 und Vorbehalte gegen Plastik

Mit der T90 brachte Canon eine Kamera auf den Markt, die die Vorbehalte gegen „Plastik“ massiv abbaute, denn Design und Verarbeitung wirkten wie metallisierter Kunststoff. Aber auch in der Bedienung passte sie zu ihrer revolutionären Grundhaltung. Über ein zentrales Drehrad direkt hinter dem Auslöser ließen sich, kontrolliert über ein großflächiges Display, die wichtigsten Einstellungen vornehmen. Ein Bedienkonzept, das die meisten heutigen digitalen SLRs übernommen haben.

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Als Spiegelreflexkamera mit integriertem Motor war die T90 hinsichtlich der technischen Ausstattung absolut konkurrenzlos und machte dem eigentlichen Profimodell im eigenen Hause, der Canon F1n, den Platz streitig. In der Canon T90 kann man problemlos zwischen drei Belichtungsmess-Charakteristika wählen, die Belichtungsprogramme ließen keine Wünsche übrig. Erstmalig konnte in dieser Kamera mit dem hauseigenen Blitz Speedlite 300TL eine TTL-Messwertspeicherung vorgenommen werden. Der eingebaute Motor mit einer Bildfrequenz von 4,5 Bildern/Sekunde suchte seinesgleichen. Damit war die Kamera 1986 ein wahres Technikwunder und ein mutiger Schritt in Richtung Vollelektronisierung.

Das Ende einer Ära

So wegweisend die T90 auch war, so steht sie auch für das Ende einer Epoche: Als letzte Semiprofi-Kamera ohne Autofokus von Canon war sie auch die letzte, an der noch die manuellen FD-Objektive benutzt werden konnten. Unabhängig davon ist und bleibt die Canon T90 ein technisch und gestalterisch beeindruckendes Wunderwerk und lebt – anders als die meisten Analogen Ende der 1980er Jahre – bis heute designmäßig weiter.

Wer heute mit diesem Design-Wunder und Canon-FD-Objektiven analog fotografieren möchte, muss für ein sehr gut erhaltenes, funktionsfähiges Canon T90-Modell mit Canon FD 1,4/50mm-Objektiv im Privatverkauf um die 200 Euro hinlegen, im Handel ist sie wegen der Gewährleistungsregeln etwa 100 Euro teurer. Doch weil diese fast 40 Jahre alte Kamera durchaus ihre Macken haben kann wie ein ausgefallenes LCD-Display im Sucher, klebrige Verschlussmagnete und generell klebrige Gummiteile an der Kamera, empfiehlt sich der Kauf beim Händler und mit Garantie.

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