Florian Boitin, Chefredaktion des Playboy, in der Contemporary Bar München
© Bernhard HuberHerr Boitin, es gibt den „Playboy“ seit mehr als 50 Jahren in Deutschland, doch noch nie hatte er so viele Abonnenten wie heute. Warum sind Fotos von nackten Frauen im „Playboy“ noch immer relevant, wenn man sie überall im Netz auch gratis zu sehen bekommt?
Grundsätzlich ist das Thema Erotik so alt wie die Menschheit selbst. Und auch die künstlerische Auseinandersetzung mit Erotik ist keine Erfindung der Neuzeit. Wir müssen nur einen Blick auf die Antike werfen. Schon damals gab es einen großen Körperkult, und in vielerlei Hinsicht ist man damals auch viel schamfreier mit dem Thema Nacktheit und Erotik umgegangen. Durch die Fotografie hat man jetzt natürlich immer wieder neue Spielarten in der erotischen Darstellung. Und das wird sich, davon bin ich überzeugt, auch grundsätzlich nicht ändern. Was den „Playboy“ besonders macht, ist nicht nur die sehr hochwertige erotische Art der Fotografie, sondern dass es mittlerweile auch sehr stark darum geht, wen wir inszenieren. Die Nachricht ist heute nicht mehr „Frau nackt im Playboy“. Entscheidend ist, wer diese Frau ist. Es geht im „Playboy“ um Persönlichkeiten. Wir propagieren auch keine Schönheitsideale.
Na ja, das würde ich doch stark bezweifeln. Jedenfalls sehen die Frauen im „Playboy“ doch alle recht ähnlich aus, und Frauen mit Normalgewicht und Normalfigur oder gar dickere Frauen kommen eher nicht so häufig vor.
Jede Epoche hat ihre eigenen Schönheitsideale. Zuzeiten des Malers Rembrandt wurde Normalgewicht beispielsweise deutlich anders definiert als heute, denkt man nur an seine Darstellungen doch recht voluminöser Frauen. Und doch zeigt der deutsche „Playboy“ heute eine Vielfalt wie nie zuvor in seiner mehr als 50-jährigen Geschichte. Beispielhaft nenne ich Hayley Hasselhoff, Tochter des Sängers und Schauspielers David Hasselhoff, die sich als nacktes Curvy-Model im „Playboy“ für Body-Positivity stark machte. Oder Désirée Nick, die sich mit 66 Jahren bei uns für die Sichtbarkeit von Frauen jenseits der 50 einsetzte. Und diese Vielseitigkeit zeigt sich nicht nur bei unseren VIP-Produktionen. Und dennoch: Im Prinzip ist der „Playboy“ heute ein People-Magazin. Es geht um eine intime und erotische Darstellung von Persönlichkeiten. Und ich glaube: Dieser Reiz hat kein Verfallsdatum.
Die Leute kaufen also den „Playboy“ nicht, weil sie darin eine nackte Frau sehen, sondern weil sie darin Simone Thomalla nackt sehen?
Genau. Der „Playboy“ hat das Thema erotische Fotografie natürlich nicht exklusiv. Was aber der „Playboy“ exklusiv hat, sind die Persönlichkeiten, die gezeigt werden. Und das kombiniert mit einer einzigartigen Bildsprache. Eine Bildsprache, die sehr hochwertig ist, manchmal auch provozierend, aber niemals bloßstellend. Frauen, die sich von uns fotografieren lassen, nutzen den „Playboy“ als Plattform und wissen genau, dass das hier ein Safe Space ist. Sie wissen, dass der „Playboy“ eine großartige Marke ist und wir mit den besten Fotografen und den besten Teams arbeiten. Wir sind auch keine Jäger, die durch die Straßen ziehen und auf Hasenjagd gehen, um im Bild zu bleiben. Nein, die Frauen kommen auf uns zu, weil sie den „Playboy“ als Plattform nutzen wollen, um sich selbst in ihrer Weiblichkeit darzustellen.
Ich bezweifle allerdings schon, dass die Bildsprache im „Playboy“ einzigartig ist. Ich würde sie eher als Standard auf hohem Niveau bezeichnen.
„Einzigartig“ ist sicher ein großes Wort. Vielleicht trifft es „stilprägend“ besser. Viele große Künstler wie Herb Ritts, Greg Gorman oder Ellen von Unwerth haben ihre erotische Bildsprache im „Playboy“ oder gemeinsam mit „Playboy“ entwickelt. Was die Bildsprache des „Playboy“ so einzigartig macht, ist, dass sie sehr vielseitig ist. Und wenn ich an die Schwarz-Weiß-Aufnahmen von Herb Ritts denke, wird deutlich: Ja, das ist inzwischen Mainstream. Aber man muss ja sehen, wie und wo sich das entwickelt hat.
Worin „Playboy“ auch heute noch stilprägend ist, ist die Tatsache, dass mindestens jede zweite Fotoproduktion im Heft von weiblichen Fotografen umgesetzt wird. Viele Fotografinnen haben den „Playboy“ inzwischen für sich als Plattform entdeckt. Diese Entwicklung kann man besonders in den letzten zehn bis 15 Jahren beobachten. Der „Playboy“ ist also nicht nur für Prominente eine wichtige Plattform, um sich darzustellen, sondern auch für Fotografinnen und Fotografen. Es gibt ein eigenes Buch mit den „Playboy“-Fotografien von Helmut Newton. Also selbst für eine Ikone wie Newton war „Playboy“ ein wichtiger Meilenstein, um seine erotische Fotografie auf ein neues Level zu heben.
Da stimme ich Ihnen zu. Aber wie hat sich die Bildsprache des „Playboy“ verändert – ganz allgemein und vor allem auch, seitdem Sie in Deutschland Chefredakteur sind?
Grundsätzlich gilt wohl: Der „Playboy“ sieht seine Aufgabe nicht darin, Trends zu erfinden. Wir bilden Trends ab, machen sie sichtbar. Und schon deshalb können und wollen wir uns gar nicht freimachen von gesellschaftlichen Entwicklungen. Und ich glaube, das ist ein wesentlicher Punkt, um zu begreifen, wie sich auch die Bildsprache im „Playboy“ verändert hat. Unsere Gesellschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten verändert und somit auch der Blick auf Weiblichkeit – der Blick auf die Frau. Dementsprechend sehen die Fotos im „Playboy“ heute auch anders aus als noch in den 1970er Jahren. Das war damals ein eher objektifizierender Blick, ein männlicher Blick auf die Frau als Sexualobjekt. Aber auch da muss man sehen, wo das herkommt.
Das Cover des ersten deutschen Playboy, der im August 1972 erschien, zeigte die damals 22-jährige Gaby Heier. Sie war das erste Covermodel des deutschen Playboys und trug auf dem Cover ein T-Shirt mit der Nummer 1 und dem Playboy-Logo (dem Bunny). Sie erschien damals noch nicht nackt auf dem Cover, sondern verhältnismäßig angezogen.
© PlayboyAls „Playboy“ 1972 erstmals in Deutschland erschien, war das der Beginn der sexuellen Revolution. Die Idee der Bewegung war, die Sexualität aus der Tabuzone herauszuholen. Für viele Männer war eine nackte Frau im „Playboy“ die erste Frau neben der eigenen Mutter oder Freundin, die sie unbekleidet gesehen haben. Das heißt, damals waren Sexualität und Nacktheit selbst bereits die Nachricht. Und deshalb war die entblößte Frau, salopp formuliert, für viele Männer das Mittel zum Zweck, um sich dem Thema Sexualität zu nähern.
„Nacktheit ist im Internet nur einen Klick entfernt.“
Playboy-Chefredakteur Florian Boitin
Heutzutage hat sich die Bildsprache dahingehend völlig verändert, weil Nacktheit eben kein exklusives Gut mehr ist – also etwas, das es so nur im „Playboy“ gibt. Nacktheit ist im Internet nur einen Klick entfernt. Im „Playboy“ geht es deshalb um den Blickwinkel. Und die Perspektive hat sich dahingehend verändert, dass die Frau im „Playboy“ heute ganz sicher nicht als Objekt gesehen wird, sondern als sexuelle Persönlichkeit. Und es macht natürlich einen großen Unterschied, ob ich ein Sexobjekt bin oder eine Persönlichkeit mit einer sexuellen Facette. Deshalb spielt es für uns eine große Rolle, dass auch weibliche Fotografen durch die Kameralinsen gucken und wir so nicht mehr den rein männlichen Blick auf die Frau zeigen. Wir wissen, dass der überwiegende Teil unserer Leserschaft männlich ist, aber wir richten uns eben nicht ausschließlich an Männer. Abgesehen davon hat sich auch der Blick der Männer auf Frauen in den vergangenen 20 Jahren spürbar verändert.
Ihre Bildredaktion besteht komplett aus Frauen. Hat das spürbare Auswirkungen auf die Leserinnen und Leser? Kommen Fotos besser oder anders an, wenn sie von Frauen geplant und geschossen werden?
Ich halte es im Umgang mit dem Thema Erotik für entscheidend, dass unsere Fotoredaktion rein weiblich besetzt ist. Andererseits stellen wir fest, dass das Geschlecht der Fotografen überhaupt keine Rolle bei unseren Leserinnen und Lesern spielt. Sie wissen allerdings die gezeigte Vielfalt zu schätzen. Im ersten Heftteil haben wir unseren Titelstar, in der Mitte ist das sogenannte Playmate, und im hinteren Bereich gibt es eine Rubrik, die nennen wir „Blende Sechs“. Darin geht es am ehesten in die Richtung Kunstfotografie. Als Team achten wir sehr darauf, dass diese drei Fotostrecken von der Art und Weise, aber auch natürlich vom Modeltyp her sehr unterschiedlich sind und eine möglichst breite Vielfalt an erotischer Fotografie zeigen. Ich glaube, unsere Leser würde es unendlich langweilen, wenn wir beispielsweise nur noch blonde Frauen am Meer fotografieren ließen.
Wie sieht es denn mit der Bildsprache im internationalen Vergleich aus? Unterscheiden sich die Art der Bilder und der Umgang mit Models in Deutschland von denen in den USA, in Argentinien, in Großbritannien oder in Frankreich?
Im US-„Playboy“ wurde beispielsweise ein Jahr lang keine nackte Frau gezeigt. Natürlich spielt der gesellschaftliche Blick auf das Thema Sexualität und Erotik eine große Rolle. Es gab viele Jahre beispielsweise auch asiatische „Playboy“-Ausgaben, da war es im Prinzip völlig undenkbar, dass die Frau komplett nackt gezeigt wird. Selbst der US-„Playboy“ war zwischenzeitlich mal der Ansicht, dass das mit der Nacktheit vielleicht doch nicht so eine tolle Idee ist und dass diese möglicherweise den ein oder anderen konservativen Werbekunden abschrecken könnte. Als Konsequenz hatten die Verantwortlichen damals entschieden, Nacktheit aus dem Magazin zu verbannen.
„Das Einzige, was ich trug, war Chanel No. 5.“
Marilyn Monroe über ihr Playboy-Shooting 1953
Das war 2016.
Genau. Es hat dann aber nicht einmal ein Jahr gedauert, und der US-„Playboy“ hat sich wieder auf das Alleinstellungsmerkmal des Magazins besonnen. Nämlich dass Nude Photography ein Markenkern des „Playboy“ ist.
Die allererste Ausgabe stammt vom Dezember 1953. Vorne war Marilyn Monroe drauf, innen war sie nackt zu sehen. Von dem Shooting ist folgender Satz von ihr überliefert: „Das Einzige, was ich trug, war Chanel No. 5.“ Das war die allererste Ausgabe. Damit war die DNA des „Playboy“ definiert: Es geht hier um Aktfotografie, aber eben auch um alles andere als Beliebigkeit. Marilyn Monroe war schließlich auch damals nicht irgendjemand. Es ist also vollkommen klar, dass es nicht der richtige Weg sein kann, die Aktfotografie aus dem Heft zu verbannen.
Dann stellte 2019/20 die Corona-Pandemie die Welt auf den Kopf – auch den Playboy?
Fakt ist, dass die Medienlandschaft ziemlich durcheinandergewirbelt wurde und die Covid-Pandemie viel dazu beigetragen hat, dass der „Playboy“ in den USA seit 2022 nicht mehr regelmäßig als Printausgabe erscheint. In diesem Jahr gab es jetzt allerdings eine viel beachtete Sonderausgabe.
Wie ist die Situation des „Playboy“ in Deutschland?
Der deutsche „Playboy“ ist zusammen mit der niederländischen Ausgabe inzwischen die einzige monatlich erscheinende „Playboy“-Printausgabe weltweit.
Darüber hinaus veröffentlichen wir im deutschsprachigen Raum jährlich noch drei bis vier gedruckte Special-Editionen – das gibt es so in keinem anderen Land der Welt. Schon deshalb hat der deutsche „Playboy“ eine Ausnahmestellung.
Natürlich gibt es auch in ästhetischer Hinsicht regionale Unterschiede und Sichtweisen. „Playboy“ hat vielerorts sehr lange auf das Schönheitsideal Pamela Anderson gebaut. Ich verehre Pamela Anderson persönlich sehr und durfte sie auch schon ein paar Mal treffen. Ich beziehe mich in meiner Kritik eher auf die Bildsprache, die lange Zeit sehr stark den 90ern verhaftet war.
Pamela Anderson war zuletzt 2016 auf dem „Playboy“-Cover und besuchte damals auch Chefredakteur Florian Boitin.
© Martin HangenIn osteuropäischen Ländern, in denen der „Playboy“ erscheint, unterscheidet sich die Ästhetik auch häufig von der deutschen Betrachtung. Gerade im russischen „Playboy“ musste alles immer nach Luxus und möglichst teuer aussehen – mit Goldketten, viel Bling-Bling und entsprechend schicken Locations, an denen die Fotoshootings stattfanden.
Ist das so viel anders als in Deutschland?
Der deutsche Blick ist da deutlich puristischer. Es geht uns in erster Linie um die Frau an sich und weniger, sage ich mal, um das Beiwerk. Das heißt nicht, dass wir nicht auch an exotischen Orten fotografieren, aber wir setzen den Fokus eher darauf, was die Fotografierte selbst ausstrahlt. Ich nenne mal ein aktuelles Beispiel: Isi Glück, die wir kürzlich auf dem Titel zeigten. Sie ist eine Party-Schlagersängerin, die seit Jahren nicht nur auf Mallorca sehr erfolgreich ist. Darüber hinaus ist Isi extrem sportlich. Und genau das sieht man auch auf den Fotos. Wenn man der Sängerin beispielsweise in den Sozialen Medien folgt, weiß man, dass für sie neben der Musik der Sport eine zentrale Rolle spielt. Also war es uns wichtig, sie genau von dieser sportlichen Seite zu zeigen, weil wir wussten, dass sie sich damit wohlfühlt. Genau das ist ein wesentlicher Punkt bei der erotischen Fotografie: Unsere Frauen schlüpfen nicht in fremde Rollen, sondern geben etwas Persönliches von sich preis. Und genau das macht die Fotos so authentisch.
Das heißt, dass die Shootings immer mit den Modellen besprochen und geplant werden? Die Redaktion des „Playboy“ sagt nicht einfach: „Ich habe diese und jene Idee, und das wird jetzt gemacht“?
Genau. Das ist immer Teamwork. Und alleine die Vorbereitung eines Fotoshootings kann sich schon mal über Wochen hinziehen, manchmal sogar über Monate. Wir erarbeiten gemeinsam mit der Fotografierten, wie sie dargestellt werden möchte.
Dazu gehören auch Fragen wie „In welchem Umfeld siehst du dich?“, „Willst du von einem Mann oder von einer Frau fotografiert werden?“ „Von einem bestimmten Mann oder einer bestimmten Frau, weil sie beispielsweise für eine ganz besondere Bildsprache stehen?“, „In welcher Umgebung siehst du dich?“ und „Was möchtest du anhaben?“. Denn es ist ja nicht so, als hätten die Frauen im „Playboy“ nie etwas an (lacht).
Eben hatten Sie Helmut Newton erwähnt, der bis 1975 für den „Playboy“ gearbeitet hat. Helmut Newton war natürlich wahnsinnig stilprägend, aber auf seine Weise auch sehr radikal. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass heute so radikale Fotografen wie Wolfgang Tillmans oder Jürgen Teller zum Beispiel auch für den „Playboy“ fotografieren würden. Haben die mal für den „Playboy“ fotografiert? Wäre das denkbar?
Die beiden Genannten selbst noch nicht. Aber: Wir haben vor drei Jahren den 50. Geburtstag von „Playboy“ Deutschland gefeiert, und zu diesem Jubiläum haben wir 50 unterschiedliche Titelseiten von 50 verschiedenen Fotografen und Künstlern produzieren lassen. Da war der Shootingstar unter den deutschen Malern, Leon Löwentraut, genauso dabei wie der Sänger Cro oder die Fotografen Esther Haase und Greg Gorman. Große Beachtung fand auch das Cover des Fotografen Denys Karlinsky, der die queere Künstlerin Géraldine Schabraque für uns fotografiert hat, die in Wirklichkeit ja ein Mann ist. Auch das trauen wir uns. 2018 hatten wir beispielsweise mit Giuliana Farfalla die erste Transsexuelle auf dem „Playboy“-Cover. Wir geben kontroversen Themen, die man nicht zwingend als klassische „Playboy“-Mainstream-Themen wahrnehmen würde, durchaus Raum.
Wie waren denn die Reaktionen auf das Cover mit Giuliana Farfalla?
Unterschiedlich. Aber das nehmen wir gerne in Kauf. Es ist doch so: Der „Playboy“ war den Leuten noch nie egal. Man liebt den „Playboy“, oder man lehnt ihn ab. Denn das Magazin weckt Emotionen und berührt etwas sehr Individuelles und sehr Persönliches, nämlich den Blick auf die Sexualität. Und das berührt bei vielen Menschen noch immer ein Tabu. Erotische Darstellungen hatten schon immer ein gewisses Skandalpotenzial. Das Cover mit Giuliana Farfalla war weltweit Thema in den Medien. Es gab aber auch sehr persönliche Reaktionen von unseren männlichen Lesern. Die beispielsweise gesagt haben: „Oh, jetzt bin ich verwirrt – denn Giuliana Farfalla ist eine wunderschöne Frau, aber sie ist doch eigentlich ein Mann oder war es zumindest. Was heißt das jetzt für meine eigene Sexualität, wenn ich diese Person anziehend finde?“
Das ist doch super, wenn es so viel Selbstreflexion auslösen kann.
Das ist ehrlich gesagt genau das, was wir erreichen wollen, denn das ist etwas, das weit über die Fotografie und den „Playboy“ hinausgeht. Hier geht es darum, sich wirklich und persönlich mit gesellschaftlichen Tabuthemen auseinanderzusetzen und sie zum gesellschaftlichen Diskurs zu machen. Und es ist doch wunderbar, wenn wir da mit unseren Themen dazu beitragen können.
Gibt es Frauen, die es im Nachhinein bereuen, sich für den „Playboy“ ausgezogen zu haben? Schließlich gibt es ja nicht nur positive Kommentare im Netz.
Da kenne ich tatsächlich niemanden. Ein Grund ist möglicherweise, dass wir auch im Vorfeld immer sehr transparent sind. So bereiten wir die Frauen auch auf mögliche Reaktionen vor, indem wir ihnen sagen: „Wir leben in einer Zeit von Shitstorms, wo jeder im Prinzip seine Gehässigkeiten sehr schnell direkt formulieren kann. Damit musst du rechnen.“ Das wissen alle. Daniela Büchner beispielsweise ist eine Frau, die extrem polarisiert. Wir hatten die Reality-TV-Ikone erst kürzlich auf dem Cover, und sie wusste genau, was an Reaktionen kommen würde. Aber genau darum ging es ihr auch – ihren Kritikern und Hatern zu zeigen, dass sie sich durch deren Boshaftigkeiten nicht kleinkriegen lassen würde. Ich finde, das ist eine sehr bewundernswerte Form von weiblicher Selbstbestimmtheit.
Wie wird man Fotograf beim „Playboy“?
In der Regel ist es so, dass sich Fotografen und Fotografinnen mit ihren bereits fertigen Bildstrecken bei uns bewerben. Wenn wir die Fotos spannend finden, drucken wir sie gerne ab. Es kann aber auch dazu führen, dass wir sagen: „Okay, wir verstehen deinen fotografischen Stil, und jetzt probieren wir mal eine komplett neue Produktion zusammen aus.“
2017 gab es den #MeToo-Skandal und den anschließenden öffentlichen Diskurs um meist männlichen Machtmissbrauch unter anderem in der Medienbranche und auch im Bereich der Aktfotografie. Welchen Einfluss hatte #MeToo auf den „Playboy“, sowohl was die Bilder als auch was den Umgang mit Modellen und anderen Mitarbeiterinnen angeht?
Gar keinen, null. Ich wundere mich natürlich auch ein bisschen über die Hysterie, mit der auf das Thema geblickt wird. Für mich hat #MeToo vor allem eine juristische Ebene: Wenn ich mich strafbar mache, dann muss ich auch damit rechnen, zur Rechenschaft gezogen zu werden. Wenn ich meine Macht missbrauche, auch in sexueller Hinsicht, dann muss das Konsequenzen haben. Dass es im Zwischenmenschlichen auch Grautöne gibt, die nicht ganz eindeutig juristisch zu bewerten sind, ist klar.
Vielleicht klingt das etwas konservativ, wenn ich sage, ich behandle andere Menschen so, wie ich selbst behandelt werden will, aber so bin ich erzogen worden, und nach diesem Motto verfahre ich privat wie beruflich. Und das gilt für alle, die mit „Playboy“ oder für „Playboy“ arbeiten. Wir haben beim deutschen „Playboy“ jedenfalls niemals irgendwelche Handzettel austeilen müssen, auf denen stand, welche Verhaltensregeln für „Playboy“ gelten. Als Team leben wir den Verhaltenskodex vor. Wir arbeiten nur mit Menschen zusammen, von denen wir genau wissen, dass wir uns mit ihnen im Vorfeld über den richtigen Umgang mit anderen Menschen nicht unterhalten müssen.
Abgesehen davon finden die Shootings ja auch nicht irgendwo im stillen Kämmerchen zwischen zwei Menschen statt, wo niemand weiß, was da passiert. Alles ist von Anfang bis Ende ein vollkommen transparenter Prozess, in den vor allem Frauen eingebunden sind. Wir standen jedenfalls noch nie vor der Herausforderung, dass wir sagen mussten: „Ach, übrigens, jetzt reden alle über #MeToo – also benehmt euch gefälligst beim Shooting.“
Im Bereich der Aktfotografie sind aber ja durchaus auch komische Leute unterwegs, die es vor allem darauf abgesehen haben, junge nackte Frauen zu fotografieren und sie kennenzulernen.
Ja, natürlich gibt es auch in dieser Branche komische Vögel. Klar ist aber auch, dass wir mit diesen niemals zusammenarbeiten würden. Natürlich probieren wir immer wieder auch neue Fotografen aus, aber im Grunde arbeiten wir mit einem festen Stamm an Fotografinnen und Fotografen, denen wir voll und ganz vertrauen können. Das gilt übrigens auch für unsere Assistenten, Stylisten, Make-up-Artists und andere Teammitglieder. Wenn ich da nur an einer einzigen Stelle einmal hören würde, dass da mal etwas vorgefallen wäre, da können Sie sich sicher sein, dass das erhebliche Konsequenzen für die betreffende Person hätte. Ein wesentlicher Faktor für unseren Erfolg ist somit sicher Vertrauen. Vertrauen in das Team und in all die Menschen, mit denen wir zusammenarbeiten.
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