Erst vor wenigen Wochen wurden Jürgen Wilde und seine Frau Ann von der DGPh mit dem Kulturpreis 2025 geehrt – als späte, aber höchst verdiente Anerkennung für ihr gemeinsames Lebenswerk.
Bild: © Philipp J. Bösel DGPhAnn und Jürgen Wilde (Jahrgang 1937) gelten als Pioniere auf dem Foto-Kunstmarkt in Deutschland und haben wesentlich dazu beigetragen, dass das Medium hierzulande überhaupt als Kunst akzeptiert wurde. Insofern war es durchaus eine mutige Entscheidung, als sie bereits 1972 in Köln die erste kommerzielle, ausschließlich der Fotografie gewidmete Galerie gegründet haben. Sie zeigten Fotografie konsequent als Kunst: im Passepartout, fein gerahmt und in klassischer Hängung an weißen Wänden. Damit veränderten sie die Wahrnehmung eines Mediums, das bis dahin kaum als sammelwürdig galt.
In ihrem Galerie-Programm verbanden sie die Foto-Avantgarde der 1920er und 30er Jahre – August Sander, Albert Renger-Patzsch, Germaine Krull, Florence Henri, Aenne Biermann, Karl Blossfeldt – mit zeitgenössischen Positionen aus Europa und den USA. Ihre Galerie entwickelte sich so zum Treffpunkt für Sammler, Kunsthistoriker, Kuratoren und Künstler aus aller Welt und trug maßgeblich dazu bei, Fotografie im internationalen Kunstkontext zu verankern.
Ehemaliger Mitarbeiter von L. Fritz Gruber
Jürgen Wilde, eigentlich Kunsthistoriker und Fotograf, war in den 1960er Jahren Mitarbeiter von L. Fritz Gruber bei den legendären Photokina-Bilderschauen in Köln, wo er wissenschaftliche Genauigkeit mit seinem ästhetischen Gespür verbinden konnte. 1968 erwarb er Teile des Nachlasses des Kunsthistorikers Franz Roh, was einen Wendepunkt in seinem Leben darstellte: Von da an widmeten sich Ann und Jürgen Wilde mit beispielloser Konsequenz der Erforschung und Bewahrung der Fotografie der Neuen Sachlichkeit und des Neuen Sehens. Mit Akribie und Leidenschaft spürten sie unbekannte oder vergessene Werke auf – etwa von Germaine Krull oder Moï Vers – und gaben ihnen ihren Platz in der Kunstgeschichte zurück. Sie berieten Museen und Ausstellungshäuser, lieferten Impulse für die Präsentation und Vermittlung fotografischer Kunst und wirkten als Leihgeber und Kuratoren mit. Ihr Wirken prägte auch die für die Fotografie bahnbrechende documenta 6 (1977), die das Medium endgültig in den Kanon der bildenden Künste aufnahm.
Nach der Schließung ihrer Galerie 1985 widmeten sich Ann und Jürgen Wilde vollständig der wissenschaftlichen Arbeit an den Archiven von Karl Blossfeldt und Albert Renger-Patzsch, die 1991 in die Liste national wertvollen Kulturguts aufgenommen wurden. Parallel dazu entstand eine herausragende Sammlung, die in ihrer Tiefe und Qualität bis heute einzigartig ist. Diese Sammlung und die Archive bilden heute das Herz der Stiftung Ann und Jürgen Wilde, die seit 2010 in den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen / Pinakothek der Moderne in München beheimatet ist. Erst Ende September wurden Ann und Jürgen Wilde mit dem Kulturpreis der DGPh für ihr Lebenswerk ausgezeichnet.
Sein Einfluss reicht weit über Galeriearbeit hinaus
Jürgen Wilde war nicht nur ein Kenner, sondern auch ein Lehrer – streng, präzise, aber immer von tiefem Respekt vor dem Medium Fotografie erfüllt. „Wer mit ihm arbeitete, lernte den Unterschied zwischen einem Vintage Print und einem späteren Abzug nicht als technische Kategorie, sondern als Ausdruck von Integrität und künstlerischer Authentizität zu begreifen“, erinnert sich die Fotografie-Expertin und Gutachterin Simone Klein in ihrem Nachruf, den sie für die DGPh verfasst hat. „Sein Einfluss reicht weit über die Galerie- und Museumsszene hinaus – in die Arbeit von Sammlerinnen, Auktionatoren, Wissenschaftlerinnen und jungen Fotohistorikern, die von ihm gelernt haben, was Qualität und Haltung bedeuten.“
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