Körperlandschaften von Spencer Tunick

Spencer Tunick ist er kein gewöhnlicher Akt-Fotograf. Er fotografiert Körperlandschaften – Individuen in Massen, die sich so in eine neue Form verwandeln.

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Spencer Tunick-Motiv aus dem Ernst-Happel-Stadion in Wien

Liegefläche für hunderte nackte Männer mit einem eigens für das Event produzierten Fußball: Spencer Tunick-Motiv aus dem Ernst-Happel-Stadion in Wien.

Foto: © Spencer Tunick

Es sind die Massen, die zu Abstraktionen werden und die eigenen Ansichten von Nacktheit und Privatsphäre in Frage stellen oder neu konfigurieren. Spencer Tunick dokumentiert mithilfe von Foto und Video nackte Menschen in der Öffentlichkeit. Seine Arbeit bezieht sich unter anderem auf die komplexe Präsentation von Kunst im öffentlichen Raum.

Seit 1994 hat er über 100 temporäre und ortsbezogenen Installationen organisiert. Diese umfassten Dutzende, Hunderte oder gar Tausende von nackten Freiwilligen. Seine Fotos sind die Aufzeichnung dieser Ereignisse. Die Individuen werden dabei vor den unterschiedlichsten Kulissen inszeniert: in Innenstädten, vor Sandstürme oder in den Schweizer Alpen.

Installation von Fotograf und Künstler Spencer Tunick

Tunick inszeniert weltweit Kunstaktionen – unter anderem in Sydney, New York, London, Barcelona und Düsseldorf.

Foto: © Spencer Tunick

Hautnah mit dabei

So gab es beispielsweise 2007 eine gemeinsame Aktion von Greenpeace und Tunick auf der Bettmeralp, bei der unter anderem auch ein Zeichen gegen den Klimawandel gesetzt werden sollte. fotoMAGAZIN-Redakteur Lars Theiß war damals live und hautnah mit dabei. Auch er ließ für die Kunstinstallation alle Hüllen fallen und berichtete anschließend in der Ausgabe 11/2007 von seinem Erlebnis auf dem Aletschgletscher.

"Über das Web meldete ich mich an. Und schon gingen mir die elementarsten und aberwitzigsten Fragen durch den Kopf: Wie kalt wird es wirklich? Muss ich – als Warmduscher – vorher mit kalten Brausen trainieren? Werde ich blasses Bleichgesicht überhaupt auf dem Foto zu erkennen sein, oder schwebt da nur mein knallroter Kopf vor dem Eis?"

Nach der Fahrt in der Achter-Gondel zum Bettmerhorngrat, empfängt Tunick dann die etwa 600 Freiwilligen und erklärt seine Regeln. "Erst auf Kommando alles ausziehen. Kein Schmuck, keine Armbändchen, keine Brille, kein Haargummi. Tätowierte und Bikinistreifige möglichst weit nach hinten. Nicht Reden. Nicht Lachen. Bei Frontalaufnahmen in die Kamera gucken. Gerade stehen, Arme einfach hängen lassen."

Es folgen verschiedene Stationen und Aufnahmen – im Stehen wie im Liegen und ganz am Ende alle zusammen, dicht gedrängt in der Fleischpfanne. "Eine Schar von Assistenten und Helfern steht Tunick zur Seite. Wichtigste Accessoires sind Leiter, Megafon und Walkie-Talkie. Er fotografiert mit Mamiya 7 und Pentax 67, aber auch mit einer kleinen Digitalen das Drumherum. Assistenten fotografieren und filmen rund um die Installationen." In drei ausgekundschafteten Arealen fotografierte Tunick an diesem Tag die Körperlandschaften. "Auf dem Rückweg zur Bergstation habe ich die Körpertemperatur wieder im Griff und abends, unter der Dusche, brannte auf meinen uneingeschmierten Schultern die Sonne."

Fotografie von Spencer Tunick

Insgesamt haben bereits mehr als 100.000 nackte Menschen an Tunicks Kunstprojekten teilgenommen.

Foto: © Spencer Tunick

Nackt mit Fußball

In einem Fußballstadium, und zwar im Wiener Ernst-Happel-Stadion, fotografierte Tunick dann im Mai 2008. Anlässlich der Fußball-Europameisterschaft im Land organisiert er eine Großaktion mit bis zu 2000 Nackten auf dem Rasen der Arena. Die Greenkeeper der UEFA legen ihr Veto ein und so entsteht dieses Foto am Ende eines langen Shootings mit 20 Motiven auf dem Kunstrasen, der auf die Leichtathletik-Bahn verlegt wurde – mit Männern, die einen Fußball neben sich platziert haben.

Die angereisten Nackedeis bekommen als Belohnung für ihr Gruppenposing einen Original-Print von Tunick geschenkt. Und später erhält der Fotokünstler zu Hause in New York noch einen ganz besonderen Dankesbrief: Ein junges Paar hat sich bei dem mit 20 Assistenten umgesetzten XXL-Event kennengelernt und schickt Hochzeitsgrüße aus der Ferne.

Spencer Tunick-Motiv aus dem Ernst-Happel-Stadion in Wien
Foto: © Spencer Tunick

Dieses und andere Fotos des amerikanischen Körperkünstlers sind nun in der ersten österreichischen Spencer Tunick-Retrospektive zu bestaunen, die das FLATZ-Museum in Dornbirn zeigt: Spencer Tunick „Nudes“ – bis zum 1. Februar 2020 im FLATZ Museum, A-Dornbirn.

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