Wildlife-Fotografie: die richtigen Objektive für Nähe und Distanz in der Natur

Wer bei Wildlife-Fotografie nur an lange Teleobjektive denkt, hat zwar nicht ganz Unrecht, verpasst aber einige tolle Motive! Wir haben für Sie die ­interessantesten Optiken für die Wildnis zusammengestellt.

Sebastian Sonntag

Sebastian Sonntag

Freier Journalist und Fotograf

Wildlife-Fotografie: Der Fuchs hat den Fotografen zwar gesehen, scheint sich aber nicht an ihm zu stören. ­Möglich macht das das Telezoom-Objektiv.

Der Fuchs hat den Fotografen zwar gesehen, scheint sich aber nicht an ihm zu stören. ­Möglich macht das das Telezoom-Objektiv.

© Paul Summer

Die Wildlife-Fotografie ist ein Genre, das Geduld, Timing und vor allem die richtige Technik erfordert. Die größte Herausforderung liegt in der natürlichen Scheu vieler Tiere – oder der von ihnen ausgehenden Gefahr für den Menschen. Entsprechend groß sind die Abstände, die man zu ihnen einhält, was wiederum für lange Brennweiten spricht, wenn man sie formatfüllend fotografieren möchte. Andere Tiere wiederum bewegen sich extrem schnell oder sind winzig klein. Dazu kommen wechselnde Lichtverhältnisse – vom diffusen Waldlicht in der Dämmerung bis zur grellen Mittagssonne. Für gelungene Ergebnisse sind hochwertige Objektive deshalb essenziell, doch das bedeutet nicht, dass Sie Tausende Euro ausgeben müssen. Mit einer durchdachten Auswahl an Tele-, Makro- und Standard-Optiken können Sie auch mit begrenztem Budget beeindruckende Aufnahmen machen.

Wildlife-Fotografie in der Oberklasse: Für das Teleobjektiv AF-S NIKKOR 500 mm 1:4E FL ED VR ruft Nikon Preise ab 11.269,00 Euro auf.

Wildlife-Fotografie in der Oberklasse: Für das Teleobjektiv AF-S NIKKOR 500 mm 1:4E FL ED VR ruft Nikon Preise ab 11.269,00 Euro auf.

© Nikon

Telezooms: Formatfüllende Fotos auf Distanz

Für die meisten Wildlife-Fotografen ist ein Teleobjektiv das Herzstück der Ausrüstung. Es ermöglicht, scheue Tiere aus sicherer Distanz abzulichten, ohne sie zu stören. Profis greifen oft zu Festbrennweiten mit beispielsweise 500mm und einer Blende von f4. Herausragend ist da beispielsweise das Nikon AF-S NIKKOR 500mm f/4E FL ED VR, doch für solche Optiken werden schnell fünfstellige Euro-Beträge aufgerufen, und selbst gebrauchte Modelle werden noch teuer gehandelt – ganz abgesehen davon, dass ein solcher Koloss auch schon mal drei Kilogramm wiegen kann und ­einem damit der Marsch zur Location nicht gerade versüßt wird. Glücklicherweise gibt es aber erschwingliche und auch leichtere Alternativen, die ebenfalls hervorragende Ergebnisse liefern.

Ein Klassiker ist das Sigma 150-600mm f/5-6.3 DG OS HSM Contemporary, das für Vollformat- und APS-C-Kameras von Canon, Nikon und Sony für rund 1000 Euro erhältlich ist. Mit dem großen Brennweitenbereich deckt es vom Reh am Waldrand bis zum Adler im Flug alles ab. Der optische Stabilisator (OS) hilft bei Freihandaufnahmen, und die Bildqualität ist für den Preis erstaunlich gut. Ähnlich attraktiv ist das Tamron 150-600mm f/5-6.3 Di VC USD G2. Das kostet mit rund 1200 Euro nur ein wenig mehr, punktet dafür aber auch mit einer zusätzlichen Wetterabdichtung. Beide Objektive sind mit etwa zwei Kilogramm Gewicht schwer, daher empfiehlt sich für längere Einsätze ein Stativ oder Einbein.

Ein echter Klassiker in der Wildlife-Fotografie: das Sigma 150-600mm F5-6,3 DG OS HSM | Contemporary, erhältlich für Vollformat- und APS-C-Kameras von Canon, Nikon und Sony.

Ein echter Klassiker in der Wildlife-Fotografie: das Sigma 150-600mm F5-6,3 DG OS HSM | Contemporary, erhältlich für Vollformat- und APS-C-Kameras von Canon, Nikon und Sony.

© Sigma

Für kleinere Budgets bietet sich das Nikon AF-P 70-300mm f/4.5-5.6E ED VR (ca. 600 Euro) an, das mit Nikon-DSLRs und via Adapter auch mit Z-Kameras kompatibel ist. Der Brennweitenbereich ist kürzer, aber für größere Tiere wie Hirsche oder Füchse völlig ausreichend. Sony-Nutzer können zum Sony FE 70-300mm f/4.5-5.6 G OSS (ca. 1200 Euro) greifen, das exzellente Schärfe liefert.

APS-C- und MFT-Fotografen profitieren vom Crop-Faktor: Ein Canon EF-S 55-250mm f/4-5.6 IS STM (ca. 300 Euro) entspricht effektiv 88-400 mm, und das Olympus M.Zuiko 75-300mm f/4.8-6.7 II (rund 500 Euro) bietet umgerechnet 150-600 mm. Praxistipp: Ein Telekonverter wie der Sigma TC-1401 1.4x (ca. 250-300 Euro) kann die Brennweite Ihres Objektivs um den Faktor 1,4 erhöhen – aus einem Sigma 150-600mm werden so 210-840 mm. Das erweitert die Reichweite kostengünstig, dazu ist der Konverter mit etwa 190 Gramm kompakt und leicht. Informieren Sie sich vor dem Kauf unbedingt über die Kompatibilität des Telekonverters mit Ihren Optiken!

Wildlife-Fotografie: Für die Vogelfotografie sind Teleobjektive per se sinnvoll, weil sie meist deutlich kleiner sind als andere Wildtiere.

Für die Vogelfotografie sind Teleobjektive per se sinnvoll, weil sie meist deutlich kleiner sind als andere Wildtiere.

© Paul Summer

Allerdings hat diese kostengünstige Option auch einen (kleinen) Nachteil: Ein 1.4x-Konverter reduziert die Lichtstärke des genutzten Objektivs um eine Blendenstufe, aus f/6.3 wird also f/9, was bei schwachem Licht oder schnellen Motiven problematisch sein kann. Außerdem kann sich der Autofokus dadurch verlangsamen oder bei manchen Kameras (besonders Einsteigermodelle) auch gar nicht mehr verfügbar sein. Prüfen Sie deshalb unbedingt, ob Ihre Kamera auch mit Telekonverter den Autofokus bei allen Blenden unterstützt. Für noch mehr Reichweite gibt es das Sigma TC-2001 2x für knapp 400 Euro. Das verdoppelt die Brennweite sogar, kostet Sie allerdings auch zwei Blendenstufen und erlaubt meist nur manuellen Fokus. Telekonverter sind deshalb ideal für helle Tage und statische Motive, weniger für die Action-Fotografie.

Dank der extrem langen Brennweite genügen übrigens selbst nominell kleine Offenblenden von f6,3 oder f8, um das Hauptmotiv sauber vom unscharfen Hintergrund zu trennen. Blenden Sie, wo möglich, dennoch leicht ab, um die Bildqualität weiter zu erhöhen. Ein Tarnzelt oder -netz, kombiniert mit ausreichend Sitzfleisch, erhöht Ihre Chancen, nah an scheue Tiere heranzukommen.

Makro: Die Welt der kleinen Wunder

Wildlife-Fotografie: Ohne Makroobjektiv wäre diese spektakuläre Aufnahme des Kopfes einer Adonislibelle nicht möglich.

Ohne Makroobjektiv wäre diese spektakuläre Aufnahme des Kopfes einer Adonislibelle nicht möglich.

© Foto: © Adobe Stock/ Tomatito26

Nicht immer ist die Distanz zu faszinierenden Tieren in der Natur so groß. Manchmal liegen diese buchstäblich unmittelbar vor Ihren Füßen. Insekten, Spinnen oder Frösche sind faszinierende Motive, die statt ­einer Tele-Optik ein Makroobjektiv erfordern. Hier geht es um die häufig winzigen Details wie die faszinierenden Facetten­augen einer Libelle, die Schuppen eines Schmetterlingsflügels oder Wassertropfen auf einer Ameise. Hochpreisige Optionen wie das Canon RF 100mm f/2.8 L kosten mehr als 1000 Euro, doch auch hier es gibt günstigere Alternativen.

Das Tamron 90mm f/2.8 Di VC USD (ca. 500-600 Euro) ist ein bewährter Allrounder und erhältlich für Canon, Nikon und Sony. Es bietet wie die meisten echten Makro-Objektive einen 1:1-Abbildungsmaßstab (das Objekt wird an der Naheinstellgrenze also in Originalgröße auf dem Bildsensor dargestellt), Bildstabilisierung und eine Lichtstärke, die sich auch für Porträts eignen. Noch günstiger ist das Sigma 105mm f/2.8 EX DG OS HSM (ca. 400 Euro), ebenfalls ein absoluter Klassiker für scharfe Nahaufnahmen. Für spiegellose Systeme eignet sich das Nikon Z MC 50mm f/2.8 (ca. 600 Euro) oder das Olympus M.Zuiko 60mm f/2.8 Macro (ca. 450 Euro), das bei Micro-Four-Thirds effektiv 120 mm entspricht.

Das Makroobjektiv lässt uns in eine komplett fremde Welt eintauchen - auch das ist Wildlife-Fotografie.

Das Makroobjektiv lässt uns in eine komplett fremde Welt eintauchen – auch das ist Wildlife-Fotografie.

© Adobe Stock / Vasekkkk

Zusätzlich zum Objektiv sollten Sie Geld in ein bodennah nutzbares Stativ investieren, beispielsweise eins mit umkehrbarer Mittelsäule, oder auch einen einfachen Sandsack als Kameraablage. Verwenden Sie den manuellen Fokus für Präzision und ein Ringlicht oder einen Reflektor, um Schatten aufzuhellen. Ebenfalls zu beachten: Die Schärfentiefe ist bei Makro-Aufnahmen extrem gering. Blenden Sie deshalb weit ab, bei bewegungslosen Tieren können Sie auch Fokus-Stackering anwenden. Hierbei machen Sie mehrere Aufnahmen mit jeweils leicht verschobenem Schärfepunkt, die Sie in Photoshop (Bearbeiten -> Ebenen automatisch überblenden) zu einer durchgängig scharfen Aufnahme zusammenfügen können. Die beste Zeit für Insektenfotos ist frühmorgens, wenn die Tiere noch träge sind.

Manchmal benötigt man auch in der Wildlife-Fotografie eine Standardbrenn­weite, um beispielsweise das Tier in seiner natürlichen Umgebung zu zeigen.

Manchmal benötigt man auch in der Wildlife-Fotografie eine Standardbrenn­weite, um beispielsweise das Tier in seiner natürlichen Umgebung zu zeigen.

© Adobe Stock / Bridgephotography

Standard-Brennweite: Tier und Landschaft

Nicht immer ist die Nahaufnahme die beste Motiv-Option, manchmal entstehen wirklich spektakuläre Bilder erst, indem man das Tier auf einem Foto in die Umgebung einbettet – etwa ein Fuchs vor einem urbanen Kulisse oder ein Vogel über einer Wiese. Hier kommen lichtstarke Standard-Zooms ins Spiel. Diese bieten nicht nur eine hohe Flexibilität in Sachen Bildausschnitt, sie eignen sich auch hervorragend für Landschaftsaufnahmen ganz ohne Tier.

Das Tamron 17-70mm f/2.8 Di III-A VC RXD (etwa 700 Euro) für Sony APS-C oder Fujifilm X ist für diese Art von Aufnahme ein idealer Kandidat: Es entspricht 25-105 mm, ist lichtstark und stabilisiert. Vollformat-Fotografen können zum Sigma 24-70mm f/2.8 DG DN Art (ca. 1100 Euro) greifen, das für Sony, Panasonic oder Leica L erhältlich ist und eine hervorragende Bildqualität liefert. Günstiger ist das Canon RF 24-105mm f/4-7.1 IS STM (ca. 400 Euro). Diese Variante bietet zwar etwas weniger Lichtstärke, deckt dafür aber eine größere Brennweitenspanne ab.

Wildlife-Fotografie in der Stadt: Für diese Aufnahme ­eines Fuchses im ­Großstadtdschungel Berlins braucht es ebenfalls eine Standard-Brennweite.

Wildlife-Fotografie in der Stadt: Für diese Aufnahme ­eines Fuchses im ­Großstadtdschungel Berlins braucht es ebenfalls eine Standard-Brennweite.

© Adobe Stock / Hark Hesse

Fazit

In einen vollständig ausgerüsteten Wild­life-Fotorucksack gehört mehr als nur ein Teleobjektiv und ein Einbein. Dennoch müssen Sie für tolle Tierfotos in der Natur kein Vermögen ausgeben. Ein Telezoom wie das Sigma 150-600mm bringt weit entfernte Tiere ins Bild und ist für rund 1.000 Euro zu haben, und ein Makro wie das 500 Euro teure Tamron 90mm zeigt die Welt der Insekten. Ein ergänzendes Standard-­Zoom wie das Sigma 24-70mm fängt die Umgebung ein und ermöglicht es Ihnen, das Tier fotografisch in sein natürliches Habitat einzubetten.

Mit diesen bezahlbaren Objektiven sind Sie für die meisten Szenarien gerüstet. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Praxis: Lernen Sie Ihre Ausrüstung kennen, passen Sie sich den Lichtverhältnissen an und nutzen Sie die richtigen Einstellungen. So wird jede Tour – ob im heimischen Wald oder auf ­Safari – zu einem fotografischen Erlebnis.

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