Objektiv

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Moderne Objektive wie das Tamron 3,5-6,3/16-300mm Di II VC PZD bestehen aus einer Vielzahl von Baugruppen und Einzelteilen (Foto: Tamron)

Was steckt eigentlich im Objektiv?

Optik, Mechanik und Elektronik sind die Elemente, die über die Qualität eines Objektivs entscheiden
05.06.2015

Know-How: Wir haben das Zoomobjektiv Canon EF-S 4-5,6/17-85 mm IS USM zerlegt!

Ein Objektiv hat mindestens zwei Fenster, doch wirklich erkennen kann man drinnen nicht viel. Um einmal zu zeigen, was alles in einem aktuellen Zoomobjektiv für Spiegelreflexkameras drinsteckt, haben wir uns

Zerlegte Blende eines Zoomobjektives

Zerlegte Blende eines Zoomobjektives

Die Blende steuert beim Objektiv die Größe des Lochs, durch das das Licht fällt. Sie wird elektrisch gesteuert.

Foto: AngelaFranke

professionelle Hilfe geholt. Thomas Burisch, Betriebsleiter bei den Rüdiger Maerz Vertragswerkstätten und erfahrener Techniker, zerlegte für uns mit einem Schraubendreher, einer kleinen Zange und hin und wieder sanfter Gewalt ein Canon-Standardzoom, das EF-S 4-5,6/17-85 mm IS USM.

Am Ende lagen rund 175 Einzelteile auf dem Tisch. Das populäre Objektiv für APS-C-Reflexen weist exemplarisch alle Komponenten auf, die heute in sehr vielen Modellen integriert sind. Dazu gehören der Autofokus mit Ultraschallmotor (USM), eine Brennweitenverstellung und ein optischer Bildstabilisator.

​Entgegen der Anmutung der Fotos unten in der Galerie, die sämtliche Einzelteile des 17-85-mm-Zooms zeigen, sind die Komponenten in Baugruppen zusammengefasst. Zu den

Zerlegter Bildstabilisator eines Zoomobjektivs

Zerlegter Bildstabilisator eines Zoomobjektivs

Ein optischer Bildstabilisator im Objektiv gleicht in gewissem Umfang Verwacklungen der Kamera durch Ausgleichsbewegungen einer Linse aus.

Foto: Angela Franke

wichtigsten zählen das hintere Gehäuseteil, die Hauptplatine, der Bildstabilisator, die Blende, der AF-Motor, die Fokussiergruppe und die Tuben, in denen sich alles abspielt. Dazwischen das, um was sich alles dreht: die Linsen.

Beim EF-S 17-85 mm sind es 17 Linsen in 12 Gruppen. Eine der Linsen ist eine beidseitig asphärisch, also nicht kugelförmig geschliffene Glaslinse. Im hier zerlegten Canon-Objektiv kommt – wie bei allen EF-Objektiven – eine elektrische Blende zum Einsatz. Andere Hersteller wie Nikon oder Pentax verwenden mechanische Blenden. Während letztere mittels eines Hebels über das Kamerabajonett die Blende einstellen, geschieht das bei Canon über einen kleinen Motor im Objektiv.

Je nach Objektiv schwankt auch die Zahl der Blendenlamellen, die zusammen ringförmig angeordnet über die Größe der Blendenöffnung entscheiden. Je mehr der rundlich geformten Lamellen zum Einsatz kommen, desto eher kann die Blendenöffnung der idealen Kreisform nahe kommen. Das wirkt sich auf den Schärfe- und besonders Unschärfeeindruck im Bild aus. Das sogenannte Bokeh, also die Art der unscharfen Punkte außerhalb der Schärfeebene, wird davon stark beeinflusst. Je runder die Blendenöffnung, umso angenehmer erscheint die gewollte Unschärfe im Vorder- und Hintergrund. Außerdem wirken die oft bei Gegenlicht auftretenden Blendenflecken harmonischer.

Schwachstellen

Die Linsenanordnung

Die Linsenanordnung

Die 17 Glaslinsen des Canon EF-S 17-85 mm sind in Gruppen und Untergruppen eingeteilt. Hinten sitzt eine beidseitig asphärische Linse

Foto: Angela Franke

Sehr komplexe Bauteile sind der Bildstabilisator und der ringförmige Ultraschallmotor. „Die Bildstabilisatoren sind im Falle eines Defekts fast immer mechanisch und nicht elektronisch kaputt“, weiß Thomas Burisch. Eine Reparatur dieser Gruppe ist sehr aufwendig, weshalb sie im Schadensfall komplett getauscht wird. Letzteres gilt auch für den getriebelosen Ultraschallmotor. Der wird kaum repariert, sondern gleich gewechselt.

Für den Fotowerkstatt-Experten gibt es eine weitere Schwachstelle in Objektiven: „Die Flexkabel brechen gerne“, sagt Burisch. Kein Wunder, dass die filigranen, hauchdünnen Leitungen durch die stets gleichen Bewegungen beim Zoomen und Fokussieren irgendwann leiden. Im Fall von Sturz oder Stoß sehen die Schäden natürlich ganz anders aus. Geht das Objektiv samt angesetzter Kamera zu Boden, soll eine von den Konstrukteuren vorgesehene Sollbruchstelle zum Tragen kommen. Das verwendete Material für das Objektivbajonett ist etwas weicher als das des Kamerabajonetts. Beim „idealen“ Sturz bricht also das Objektivbajonett und das Kamerabajonett bleibt unversehrt. Der Tausch oder die Reparatur des zerstörten Objektivbajonetts ist einfacher und günstiger als die Schadensbehebung auf der Kameraseite.

Dieser Technik-Artikel ist in unserer Ausgabe fotoMAGAZIN 10/2014 erschienen. 

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Lars Theiß
Über den Autor
Lars Theiß

Unser Redakteur Lars Theiß kümmert sich vorwiegend um Tests und Praxisthemen rund um Kameras, Objektive und Zubehör. Seit 1995 arbeitet der besonders an naturfotografischen Themen interessierte Wahlhamburger beim fotoMAGAZIN. Zu seinen weiteren Aufgabenbereichen gehören die Objektivtests, Secondhand-Themen und die fotoMAGAZIN-Spezialausgabe Einkaufsberater.