Im Test: Sony Alpha 99 II
Die schnelle und hochauflösende SLT im Vollformatvergleichstest
23.03.2017
42 Megapixel und ein Autofokus, der bei 12 Bildern/s noch mitkommt: Sonys neues Flaggschiff Alpha 99 II will der etablierten Vollformat-Konkurrenz das Fürchten lehren. Unser Test klärt, ob sich die SLT-Kamera zum Chef im DSLR-Oberhaus aufschwingt.
Um das SLT-System von Sony war es zuletzt ruhiger geworden. Vor über vier Jahren hat Sony mit der Alpha 99 letztmalig eine Vollformatkamera für das A-Bajonett vorgestellt. Immerhin wurde im Frühjahr 2016 der Einsteigermarkt mit der Alpha 68 berücksichtigt. Sony hat sich stattdessen in den letzten Jahren mehr auf das sehr erfolgreiche E-Mount konzentriert – da hörte so manch einer schon das Totenglöckchen für das A-Bajonett läuten. Doch jetzt meldet sich Sony mit einem Paukenschlag im DSLR-Oberhaus zurück. Die Alpha 99 II vereint zwei Eigenschaften in einer Kamera, die sich bisher ausgeschlossen hatten: eine sehr hohe Auflösung von 42,4 Megapixel und eine beeindruckenden Serienbildrate von 12 Bildern/s. Selbst bei dieser rasanten Schussfahrt soll ein neuartiger „Hybrid Phase Detection AF“ das Motiv sicher im Fokus halten. In der Tabelle haben wir die Alpha 99 II mit anderen hochauflösenden Vollformatkameras in der Preisklasse von 2000 bis 4000 Euro verglichen.
Neuartiger Autofokus
Die Alpha 99 II sieht zwar aus wie eine DSLR, setzt jedoch auf einen Videosucher anstelle eines klassischen Prismensuchers. Eine spiegellose Systemkamera im DSLR-Gewand ist die Alpha 99 II dennoch nicht. Denn wie bei einer klassischen Spiegelreflexkamera sorgt bei Sonys neuem Flaggschiff ein eigenständiges Autofokusmodul per Phasenvergleichsmessung für die korrekte Entfernungseinstellung. Ein feststehender semitransparenter Strahlenteiler leitet dazu rund 30 Prozent des einfallenden Lichts auf das AF-Modul mit 79 Sensoren (davon 15 Kreuzsensoren) um.
Unterstützt wird das AF-Modul der Alpha 99 II von 399 Phasenvergleichszellen auf dem Bildwandler. Sie decken ca. 80 Prozent des Bildbereichs ab – da können selbst Sportboliden wie die Canon EOS-1D X Mark II oder die Nikon D5 nicht mithalten.
Wie es sich für eine professionelle Sport- und Action-Kamera gehört, lässt sich der AF der Alpha 99 II in vielfältiger Weise an die Wünsche des Fotografen und Erfordernisse des Motivs anpassen. Etwa die Tracking-Empfindlichkeit: Soll der AF solange wie möglich einem einmal erfass-ten Motiv folgen? Oder soll er möglichst rasch auf ein neues Objekt wechseln, sobald es im Sucherausschnitt erscheint? Zudem kann man die AF-Felder in diversen Gruppen zusammenfassen, die Priorität zwischen AF-Genauigkeit und Serienbildgeschwindigkeit gewichten und vieles mehr. So vielfältig sind die Möglichkeiten, dass allein drei Seiten im völlig neu gestalteten Menü der Alpha 99 II der Autofokus-Konfiguration vorbehalten sind.
Reihenaufnahmen macht die Alpha 99 II mit einer Rate von bis zu 12 Bildern/s
Schneller ist nur noch die Canon EOS-1D X Mark II (14 B/s), nicht aber die Nikon D5 (12 B/s). Allerdings bescheidet sich das Spitzenmodell von Canon mit einer halb so hohen Bildauflösung wie die Alpha 99 II. Die muss bis zu 500 Megabyte/s (bei Raw-Aufnahmen) durch den Bildprozessor schleusen und in den Pufferspeicher schaufeln. Sony hat diesen Zwischenpuffer erfreulich üppig bemessen. Für 59 Raw-Dateien oder 70 JPEGs hält die Alpha 99 II ihr Höchsttempo durch, bis die Serienbildrate vorübergehend einbricht.
Als Flaschenhals erweist sich bei langen Bildserien die Speicherkarte. Solange der Pufferinhalt auf die Karte übertragen wird, nimmt die Alpha 99 II nämlich keine Befehle entgegen, nur der Auslöser funktioniert weiterhin. Immerhin hat Sony der Kamera einen Fortschrittsbalken spendiert. Er informiert detailliert darüber, wann der Inhalt des Puffers auf die Speicherkarte übertragen sein wird. Wie hoch die tatsächliche Serienbildrate in der Praxis ist, hängt stark von der geforderten AF-Leistung ab. Bewegt sich das Motiv parallel zur Kamera, rattert die Alpha 99 II gleichmäßig wie eine Nähmaschine. Bewegt sich das Motiv dagegen lotrecht zur Kamera und der Fotograf fordert zudem eine hohe AF-Genauigkeit, unterbricht die Alpha 99 II die Bildserie schon einmal für einen Herzschlag.
Handhabung der Alpha 99 II
Mit einem Gewicht von 850 Gramm fällt der Body der Alpha 99 II angenehm leicht aus. Wird sie nicht gerade mit einem lichtstarken Tele-(Zoom) bestückt, lässt es sich mit ihr problemlos einhändig fotografieren. Dazu trägt auch der ergonomisch ausgeformte Griffwulst bei, Daumen und Zeigefinger der rechten Hand erreichen die wichtigsten Bedienelemente mühelos. Als Vier-Wege-Controller gibt es einen kleinen Joystick auf der Rückseite, der nach wie vor etwas schwammig zu steuern ist. Der Auslöser ist ebenfalls gewöhnungsbedürftig und reagiert fast schon zu sensibel.
Der elektronische Sucher der Alpha 99 II zeigt nicht nur das größte Sucherbild ihrer Klasse, er gibt es mit einer Auflösung von 2,36 Millionen Bildpunkten auch sehr detailliert wieder. Gut ist ferner die Kontrastwiedergabe, mit der EVFs bisweilen Schwierigkeit haben. Das Sucherbild ist hell genug, um selbst im Licht der tiefstehenden Dezembersonne alles erkennen zu können. Rauschen in dunkler Umgebung verkneift sich der elektronische Sucher. Bei höchster Serienbildrate von 12 Bildern/s zeigt er jedoch anstelle eines Live-Bildes die jeweils letzte Aufnahme. Die Gefahr, dass das Motiv bei Mitziehern aus dem Sucher auswandert, ist jedoch bei einer derart hohen Serienbildgeschwindigkeit gering.
Beim Display bleibt alles beim Alten. Es ist mit einem Doppelscharnier angeschlagen und zusätzlich drehbar. Auf diese Weise lässt es sich nahezu über den Sucher klappen und von oben überblicken, das schont den Rücken beim Stativeinsatz. Mit 1,23 Millionen Bildpunkten bei einer Diagonalen von drei Zoll löst das Display standesgemäß hoch auf, Touch-Bedienung kennt es allerdings nicht.
Von der Vorgängerin Alpha 99 übernimmt die Alpha 99 II einen kleinen Multicontroller auf der linken Kamerafront. Standardmäßig stellt man damit den AF-Modus ein, der praktische Drehschalter lässt sich jedoch auch mit anderen Funktionen belegen.
Erweiterter Funktionsumfang
Sony führt bei der Alpha 99 II einige Funktionen erstmals ein, die bei anspruchsvollen Kameras anderer Hersteller schon länger Gang und Gäbe sind. Dazu gehört zum Beispiel, dass man jetzt das Messfeld des Spotbelichtungsmessers an das aktive Fokusfeld koppeln kann. Ferner erlaubt es die Alpha 99 II, den Belichtungsmesser neu zu eichen – und zwar für jede der fünf Messmethoden separat. Beim Belichtungsmesser neu hinzugekommen ist der Modus „Highlight“, der die Belichtung an der hellsten Partie des Motivs ausrichtet. Verfeinert hat Sony die AF-Mikrojustage, sie nimmt nun zusätzlich zum Bildzentrum auch einen Wert für die Bildränder auf.
Wie bei Sony üblich, ist auch die Alpha 99 II mit einem Bildstabilisator per Sensorshift ausgestattet. Er kann nun zusätzlich Verwacklungen um die Hoch- und Querachse der Kamera ausgleichen. Nicht nur dadurch, dass die Alpha 99 II nahezu jedes angesetzte Objektiv stabilisiert, eignet sie sich bestens auch für Videoaufnahmen. Hinzu kommt, dass beim Videodreh das gesamte AF-System funktioniert – dadurch arbeitet der Autofokus der Alpha 99 II bei Videoaufnahmen deutlich schneller als bei der DSLR-Konkurrenz. Ihre Videoauflösung beträgt bis zu 4K (3840 × 2160 Pixel), ein externes Mikrofon sowie ein Kopfhörer lassen sich anschließen.
Verabschiedet hat sich Sony vom integrierten GPS-Empfänger, den es beim Vorgängermodell noch gab. Stattdessen bezieht die Alpha 99 II Ortskoordinaten von einem per Wi-Fi gekoppelten Smartphone. Über eine derartige Wi-Fi-Verbindung lässt sich die Alpha 99 II auch fernsteuern, eine Anschlussbuchse für eine herkömmliche Kabelfernbedienung gibt es aber weiterhin. Auch eine traditionelle PC-Buchse zum Anschluss eines Studioblitzes ist an Bord der Alpha 99 II, nicht aber ein integrierter Blitz.
Wie ist die Bildqualität der Sony Alpha 99 II?
Die Alpha 99 II basiert im Wesentlichen auf demselben 42,4-Megapixel-Sensor, der auch in der für ihre gute Bildqualität gelobten Alpha 7R II seinen Dienst verrichtet. In der SLT-Kamera sinkt die Lichtausbeute allerdings bedingt durch den Strahlenteiler für das Phasen-AF-Modul um rund eine halbe Blendenstufe. Per se sind das mit zunehmender ISO-Empfindlichkeit keine guten Aussichten für die Bildqualität. Das gilt auch für die hohe Auflösung, bei der Alpha 99 II beträgt der Pixelpitch nur 4,5 µm, die Canon EOS-1D X Mark II kommt bei lediglich 20 Megapixel Auflösung auf vergleichsweise üppige 6,5 µm Pixelabstand. Um die hohe Auflösung nicht schon bei moderaten ISO-Werten im Rauschen untergehen zu lassen, hat Sony beim Sensordesign keine Mühen gescheut. Zum einen ist der Bildwandler in BSI-Technik ausgeführt, die Datenleitungen liegen hinter den lichtempfindlichen Dioden und nicht davor. Außerdem bestehen alle Signalleitungen auf dem Sensor aus Kupfer, das fast doppelt so leitfähig ist, wie eine übliche Aluminium-Verdrahtung.
Überraschung dann im Testlabor: Die Alpha 99 II zeigt sich wenig beeindruckt vom lichtschluckenden Strahlteiler. Beim Bildrauschen liegt sie bis ISO 6400 auf dem sehr guten Niveau der Alpha 7R II. Nur die Canon EOS 5D Mark IV rauscht weniger, allerdings bei deutlich geringerer Netto-Auflösung. Hier überflügelt die neue Sony-SLT mit 41 Megapixeln bei ISO 100 alle Kameras ihrer Klasse.
Hat der Strahlenteiler also gar keine Auswirkungen auf die Bildqualität? Doch: Beim Dynamikumfang bleibt die Alpha 99 II im Mittel um -0,3 EV hinter der Canon EOS 5D Mark IV sowie der Alpha 7R II zurück. Zudem deutet die hohe Artefaktnote daraufhin, dass Sony das superbe Ergebnis bei der neuen Alpha II auch mit einer kräftigen Bildaufbereitung erzielt. Doch für qualitätsbewusste Fotografen bietet die neue Sony ja die Möglichkeit zur Aufzeichnung im Raw-Format.
FAZIT
Sony hebt ab: 12 Bilder/s bei einer Auflösung von über 42 Megapixeln – das kommt schon fast der Quadratur des Kreises gleich. Dabei bleibt die Alpha 99 II kein Papiertiger. Ihr Autofokus überzeugte in unserem Test beim Shooting auf dem Modellflugplatz und beim Hundetraining. Überzeugen kann auch die Bildqualität: Die Kamera meistert ihren Job auf dem Sportplatz wie im Fotoatelier mit Bravour. Die Ausstattung der neuen Alpha 99 II ist ebenfalls top, nur GPS in der Kamera gibt es nicht mehr. Jetzt sollte Sony noch den inzwischen etwas angestaubten Objektivpark auf den neuesten Stand bringen, und für die hohem Anforderungen des 42-Megapixel-Sensors optimieren. Ein Schnäppchen ist die neue SLT von Sony mit ihrem Preis von 3600 Euro nicht, aber das Preis-/Leistungsverhältnis stimmt. Im Vergleich zur ebenso teuren Alpha 7R II hat die 99 II bei der Geschwindigkeit deutlich mehr zu bieten.
Text und Praxistest: Martin Vieten
Labormessungen: Anders Uschold
> Hier gelangen Sie zum Download der Tabelle mit allen Ergebnissen aus unserem Test.
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Dieser Test ist in unserer Ausgabe fotoMAGAZIN 2/2017 erschienen.
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