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Im Test: Nikon D6
Kurz nach Markteinführung der Canon EOS-1D X Mark III brachte Nikon im Mai 2020 sein neues Flaggschiff, die Nikon D6, auf den Markt. Wir haben die beiden Sport-SLRs in fotoMAGAZIN 7/2020 im Labor- und Praxistest gegeneinander antreten lassen.
Üblicherweise erneuern beide großen Hersteller ihre Sport-SLRs alle vier Jahre zu den Olympischen Spielen – und so standen auch im Jahr 2020 bei Canon und Nikon die entsprechenden Neuheiten für das Frühjahr auf dem Programm. Ursprünglich wollte Nikon die D6 bereits Anfang April auf den Markt bringen, die Corona-Krise hat die Auslieferung im Handel aber auf Ende Mai verzögert. Canon hatte mit dem Timing mehr Glück: Die EOS-1D X Mark III wurde schon vor der Corona-Pandemie vorgestellt und wir konnten bereits in fM 2/2020 ein Vorserienmodell in der Praxis und in 4/2020 die finale Kamera im Labor testen (> zum Test). Da die Olympischen Spiele und andere Sport-Großveranstaltungen 2020 aus den bekannten Gründen ausfallen, dürfte die Verzögerung bei Nikon nicht so schwer wiegen – zumal sich viele Sportfotografen in der Krise fragen werden, ob sie wirklich über 7000 Euro in das neuste Flaggschiff investieren können oder ob es nicht auch weiterhin die Vorgängerin tut.
Gute Ergonomie und verbesserte Konnektivität
An der Bedienung der Nikon D6 hat sich nichts Wesentliches geändert. Die Kamera ist wegen des neuen GPS-Moduls minimal höher, ein Kensington-Lock vereinfacht die Diebstahlsicherung. Canon wagt sich bei der EOS-1D X Mark III etwas weiter vor und hat als neues Bedienelement einen „Smart-Controller“ integriert, der ein schnelleres Verschieben das AF-Messfeldes ermöglicht. Herkömmliche AF-Joysticks bringen natürlich beide Kameras im Hoch- und Querformat mit. Bei der D6 sind nicht nur die Bedienelemente unverändert, auch Sucher, Monitor und physikalische Schnittstellen sind identisch. Vor allem der große Monitor mit einer Diagonale von 8,1 cm und einer Auflösung von 2,4 Millionen Punkten beeindruckt. Er erlaubt die Touch-Bedienung, darunter auch neue Funktionen im Wiedergabemodus. So kann man beispielsweise durch das Wischen nach oben oder unten Bewertungssterne vergeben oder das Bild gegen ein versehentliches Löschen schützen.
Neuerungen gibt es allerdings bei der drahtlosen Konnektivität. So lassen sich nun besonders wichtige Aufnahmen für die Übertragung in die Redaktion per WLAN oder Ethernet an den Anfang der Warteschlange setzen. Über 1000BASE-T-Ethernet soll die Übertragung außerdem 15 % schneller erfolgen. Bluetooth und WLAN sind wie bei Canon erstmals fest eingebaut, wobei natürlich auch weiterhin der leistungsstärkere externe Adapter WT-6 verwendet werden kann, der auch FTP unterstützt. Beide Speicherkartenlaufwerke der D6 können nun neben XQD- auch mit den zumindest theoretisch noch schnelleren CFexpress-Karten umgehen, die auch in der Canon EOS-1D X Mark III zum Einsatz kommen. Bei der D5 wurde die CFexpress-Unterstützung per Firmware-Update nachgeliefert.
Leistungsfähiger Autofokus und weitere Ausstattungsmerkmale
Im Zentrum der Weiterentwicklung beider Sport-SLRs steht der Autofokus. Canon war hier schon im Oktober 2019 vorgeprescht und hatte ankündigt, dass die EOS-1D X Mark III neue AF-Algorithmen nutzen wird, die auf „Deep
Learning“ beruhen. Konkret bedeutet dies, dass die Kamera mit zahlreichen Bildern gefüttert wurde, damit sie die entsprechenden Motive identifizieren kann – beispielsweise Skifahrer mit Helm. Im laufenden Betrieb lernt der EOS-AF nicht mehr hinzu. Verbesserungen bei der Objekterkennung könnten theoretisch per Firmware-Update implementiert werden – ob das tatsächlich passieren wird, ist aber noch unklar.
Nikon wirbt dagegen nicht mit Deep Learning. Trotzdem ist der AF sehr leistungsfähig und wurde gegenüber der D5 verbessert. Auf den ersten Blick irritierend: Die Anzahl der AF-Messfelder wurde von 153 auf 105 reduziert, allerdings handelt es sich ausschließlich um Kreuzsensoren (vorher 99) und die Bildfeldabdeckung wurde verbessert. Außerdem lässt sich nun ein Startpunkt für das AF-Tracking definieren. Durchquert das Objekt diesen Punkt, so heftet sich der AF an das Motiv und verfolgt es. Eine höhere Empfindlichkeit hat das mittlere AF-Messfeld (-4,5 EV), der Rest stellt bis -4 EV scharf. Canon nutzt 191 Messfelder, von denen 155 Kreuzsensoren sind, allerdings reicht die Empfindlichkeit nur bis -4 EV. Bei beiden Kameras unterstützt der Belichtungsmesser den Autofokus. Bei Canon löst er 400.000 Pixel auf, bei der D6 180.000 Pixel. Trotz der niedrigeren Auflösung kann der Belichtungssensor der D6 im Sucherbetrieb Gesichter und – bei nicht zu großem Abstand – auch Augen erkennen; die EOS erkennt nur Gesichter. Für die verbesserten AF-Algorithmen ist bei Nikon der Bildprozessor Expeed 6 zuständig – die D5 war noch mit dem Expeed 5 ausgestattet.
Im Live-View nutzen Canon und Nikon unterschiedliche Verfahren zum Fokussieren. Bei der D6 ist der Fotograf auf einen reinen Kontrast-AF angewiesen, der – abhängig vom Objektiv – ein wenig pumpt, was vor allem bei der Videoaufnahme stört. Canons Dual Pixel CMOS AF mit Doppelpixeln funktioniert in dieser Hinsicht etwas besser. Apropos Video: Hier geht der Punkt eindeutig an Canon: Die EOS-1D X Mark III nimmt mit bis zu 5,5K ohne Crop mit 60p auf, allerdings funktioniert der AF erst ab 30p, bzw. in Full-HD/60p. Bei der Nikon D6 hat sich gegenüber der D5 beim Video nichts geändert. Die Kamera nimmt maximal 4K mit 30p und Crop auf (alternativ 25p und 24p), der volle Weitwinkel steht erst ab Full-HD/60p zur Verfügung. Aus Zeitrafferaufnahmen kann die D6 ein Video mit 4K-Auflösung erstellen.
Auch wenn sich die beiden Sport-SLRs in vielen Punkten ähneln, so gibt es doch noch einige weitere Unterschiede bei der Ausstattung. Pluspunkte für Nikon gibt es für den minimal höher auflösenden Bildsensor (21,3 statt 20,1 effektive MP), Fokus-Stacking, Intervallaufnahmen und die längere Akkulaufzeit von 3580 statt 2850 Aufnahmen nach CIPA-Standard (im Serienbildmodus sogar 8670 Aufnahmen nach Nikon-Testverfahren). Die meisten Vorteile der EOS haben wir schon erwähnt. Hinzu kommt der minimal größere Sucher (Vergrößerung 0,76fach statt 0,72fach), das 200 Gramm niedrigere Gewicht und das neue Bildformat HEIF. Dieses erzeugt kleinere Dateien als das Raw-Format, hat aber dennoch eine bessere Qualität als JPEG (Farbtiefe 10 statt 8 Bit). Allerdings unterstützen bisher noch nicht viele Bildbearbeitungsprogramme Canons HEIF-Dateien.
14 Bilder pro Sekunde
Die Seriengeschwindigkeit hat Nikon bei der D6 von 12 Bilder/s auf 14 Bilder/s beschleunigt. Grundsätzlich sind bei Nikon maximal 200 Bilder in Folge möglich, was bei JPEGs mit einigermaßen schnellen Speicherkarten in der Praxis kein Problem ist. Die EOS schafft im Sucher-Betrieb dagegen 16 Bilder/s und ist bei JPEGs nur von der Kapazität der Speicherkarte beschränkt. Bei Raws hängt die Serienbildlänge bei Nikon vom eingestellten Format ab. Der Fotograf hat grundsätzlich zunächst die Wahl zwischen 12 und 14 Bit Farbtiefe. Außerdem lässt sich in beiden Farbtiefen zwischen unkomprimiert, verlustfrei komprimiert und komprimiert wählen. Unkomprimiert macht aus unserer Sicht wenig Sinn, da die Qualität nicht besser ist als bei verlustfrei komprimiert.
Zum Test der Serienbildgeschwindigkeit haben wir zunächst eine sehr schnelle CFexpress-Karte genutzt – die SanDisk Extreme Pro mit einer Schreibgeschwindigkeit von 1400 MB/s. Dabei haben wir bei gut 14 Bilder/s folgende Serienbildlängen ermittelt:
- 14 Bit, komprimiert: 107 Raws in Folge
- 14 Bit, verlustfrei komprimiert: 100 Raws in Folge
- 12 Bit, komprimiert: 157 Raws in Folge
- 12 Bit, verlustfrei komprimiert: 142 Raws in Folge
Wir haben den Test dann auch noch mit einer theoretisch langsameren XQD-Karte von Sony durchgeführt (Schreibgeschwindigkeit 400 MB/s). Überraschenderweise schreibt die D6 hier schneller auf die Karte und wir konnten etwas längere Serien schießen:
- 14 Bit, verlustfrei komprimiert: 114 Raws in Folge
- 12 Bit, verlustfrei komprimiert: 192 Raws in Folge
Offensichtlich sind der Controller oder die Firmware der Kamera besser auf XQD-Karten als auf CFexpress optimiert. Im Live-View schießt die D6 übrigens ebenfalls gut 14 Bilder/s, allerdings ohne AF/AE-Nachführung. Wer lautlos fotografieren will, kann zusätzlich den elektronischen Verschluss aktivieren, dann sinkt die Geschwindigkeit aber auf knapp 10 Bilder/s.
Sehr gute Ergebnisse bei der Bildqualität
Wir haben die D6 im Labor im JPEG-Modus mit dem Referenzobjektiv AF-S Micro Nikkor 2,8/60 mm vermessen. Die Kamera erreicht bei ISO 100 und 200 hervorragende Wirkungsgrade von über 90 %, ab ISO 400 fällt der Wirkungsgrad unter 90 %, ab ISO 1600 unter 80 % und ab ISO 6400 unter 70%. Das ist dann doch etwas niedrig – sowohl die D5 als auch die EOS-1D X Mark III erzielen hier bessere Ergebnisse. Der Grund dürfte eine zurückhaltendere Scharfzeichnung sein, was der D6 an anderer Stelle Pluspunkte bringt: Die Scharfzeichnungsnote hat sich von 2,4 auf 1,9 verbessert und ist damit die beste im Testfeld. Beim Bildrauschen hat sich in den unteren ISO-Stufen wenig verändert. Ab ISO 3200 fällt es dagegen besser aus als bei der D5, kommt aber nicht an die hervorragend niedrigen Rauschwerte der EOS heran. Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Belichtungsumfang. Unter dem Strich erzielt die EOS bei der Bildqualität das bessere Ergebnis. Im Raw-Modus lässt sich allerdings noch einiges aus den Dateien der D6 herausholen.
FAZIT
Die Nikon D6 ist eine tolle Sport-SLR, die vor allem beim Autofokus und den Serienbildern punkten kann. Der Canon EOS-1D X Mark III muss sie sich allerdings in einigen Punkten geschlagen geben. Die Neuerungen gegenüber der D5 fallen etwas mager aus und vermutlich dürften viele Fotografen – auch angesichts der schwierigen Auftragslage – zögerlich bei der Neuanschaffung sein.
> Hier gelangen Sie zum Download der Tabelle mit allen Ergebnissen aus unserem Test.
Labormessungen: Anders Uschold
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Dieser Test ist in unserer Ausgabe fotoMAGAZIN 7/2020 erschienen.
Kameras im Test
Andreas Jordan ist Journalist und Mediendesigner und arbeitet seit 1994 als Redakteur und Autor mit den Schwerpunkten Multimedia, Imaging und Fotografie für verschiedene Fach- und Special-Interest-Magazine (u. a. Screen Multimedia, Computerfoto, MACup) und Tageszeitungen (Hamburger Abendblatt, Berliner Kurier). Seit 2003 ist er Redakteur beim fotoMAGAZIN und leitet dort seit 2007 das Ressort Test & Technik.
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