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© Dirk Ludwig
Fotografieren aus der Froschperspektive
Die Welt von unten betrachtet
14.01.2021
Die Untersicht oder Froschperspektive verschiebt viel mehr als nur den Horizont – sie verändert die Sicht auf das fotografierte Motiv. Wir zeigen, welche Wirkung die Froschperspektive hat und geben Tipps und Tricks, mit denen Fotos von unten gelingen.
Schon in der Grundschule lernen die Kinder die drei großen Perspektiven auf die Welt kennen: Neben der „gewöhnlichen“ Augenperspektive beziehungsweise Normalperspektive die erhöhte Vogelperspektive und die Sicht von unten – die Froschperspektive. Dabei kennen die Kinder gerade letztere Perspektive nur zu gut: Sie leben in einer ständigen Sicht von unten auf die „Großen“ und sehen die Welt ganz anders als sie es später als Erwachsene tun.
Wie wirkt die Froschperspektive?
Bei der Froschperspektive spricht man in der Fotografie präziser noch von der Untersicht: Sie macht den Betrachter klein, die Motive werden groß. Zumindest relativ. Zwar hat die Untersicht fotografisch gesehen noch einige andere Überraschungen parat, aber das Grundthema ist immer gleich und muss beim Fotografieren bedacht werden.
Die Stärke dieser optischen Größenverschiebung wird durch den Höhenunterschied zwischen Kamera (Betrachter) und Hauptmotiv bestimmt. Bei dem gezeigten schwarzweiß Foto aus Havanna ging der Fotograf nur in die Knie – die eher moderate Untersicht lässt zwar das historische Fahrzeug und die Personen etwas größer erscheinen, bleibt aber noch fast natürlich. Anders dagegen die eher kräftige Untersicht bei den Fotos zu den Themenbereichen „Architektur“, „Erotikportrait“ oder „Reportage“.
Horizontverschiebung
Streng genommen erfordert die Untersicht immer zwei Aspekte bei der Kameraausrichtung: einen Standort unterhalb der Mitte des Hauptmotivs und das Neigen der Blickrichtung nach oben. Intuitiv wird man dies auch meist so halten. Die Horizontlinie wandert dann nach unten. Mit allen Konsequenzen: Der Untergrund wird nebensächlich, alles oberhalb der Horizontlinie dominiert das Foto.
Die Perspektive ist ein wichtiges Mittel der Bildgestaltung. Mehr zum Thema Bildgestaltung gibt es auch hier.
Die richtige Belichtung
Fotografieren Sie draußen, haben Sie oft ein Problem bei der Belichtung: Das Hauptmotiv steht vor dem (meist hellen) Himmel. Lösen lässt sich das mit den Mitteln, die man auch sonst bei kontrastreichen Motiven anwendet: Ausgewogene Belichtung, Belichtungsreihe, HDR erstellen oder einen Reflektor oder Blitz zum Aufhellen einsetzen. Letzteres erfordert einen von der Kamera losgelösten Blitz, da das von unten kommende Licht schnell sehr unnatürlich wirken kann.
Haben Sie die Wahl und können eine eher lange Brennweite wählen, so lässt sich auch der Hintergrund so positionieren, dass der Himmel eine geringere Rolle spielt.
Welche Brennweite eignet sich für die Untersicht?
Auch die Brennweite (eigentlich der Abbildungsmaßstab, aber in der Praxis entscheidet man über diesen mit dem Einsatz der Brennweite) beeinflusst die Stärke des Effekts der Froschperspektive: Bin ich weitwinklig unterwegs und daher eher nah dran am Motiv, so steigt die perspektivische Verzerrung – und in der Froschperspektive werden die unteren, nah an der Kamera befindlichen Motivteile stark vergrößert. Daher sollten Sie – wenn Sie schon Portraits aus der Untersicht machen – eine möglichst lange Brennweite wählen, um nicht die Beine unnötig länger und dicker werden zu lassen. In der Architektur werden die typischen stürzenden Linien eher noch weiter verstärkt – aber hier entsteht die Untersicht durch die hohen Gebäude fast zwangsläufig.
Froschperspektive in der Architektur-Fotografie
Von einer Froschperspektive spricht man bei der Architektur daher eigentlich erst, wenn ein anderes Motiv im Vordergrund dominiert und die Kamera eine Untersicht auf dieses Motiv hat. Dies können Brunnen oder ähnliches im Vordergrund sein; oft aber sind es Menschen.
Und in vielen Fällen verlassen wir dabei das Genre der Architekturfotografie. Das zeigen die Bilder in dieser Strecke („Architektur“, „Erotikportrait“, „Reportage“), die alle Menschen in den Vordergrund und die Architektur in den Hintergrund stellen. Das Schöne bei der Froschperspektive zeigt sich aber bei allen drei Motiven: Sie verbindet jeweils die Personen mit der Architektur. Besonders wichtig ist dies bei Reportagen, die unbedingt eine erkennbare Umgebung benötigen, um den Kontext zu erklären. Daher werden Sie dort oft in leichter Untersicht mit gemäßigtem Weitwinkel arbeiten.
Portraits von unten fotografieren
Das Portrait aus der Untersicht bleibt die Ausnahme. Denn bei Kopf- und Brustportraits schaut man in die Nase – oder das Model guckt nach unten und macht ein Doppelkinn. Bei Ganzkörperportraits werden die Beine betont – was natürlich manchmal (wie hier) gewollt ist. Hinzu kommt ein Effekt, den Sie sich gelegentlich auch zunutze machen können: Der oder die Portraitierte wirkt dominant und nicht selten auch überlegen.
Tiere von unten fotografieren
Ganz anders bei der Fotografie von Wild- und Haustieren: Hier werden Sie meist mit längerer Brennweite arbeiten und so den Effekt der Untersicht etwas mildern. Es eignen sich in der Regel nur Tiere für eine Untersicht, die wir sonst von oben sehen. Also Pferde und Vögel eher nicht, Hunde (auch große) schon.
Während Sie bei der Wildlife-Fotografie selten die Wahl haben, können Sie Haustiere passend platzieren und auf eine Erhöhung stellen. Je kleiner das Tier im Vergleich zum Menschen, desto interessanter wirkt dabei die Untersicht – einfach, weil das Tier so ungewöhnlich groß wirkt. Oder der Betrachter sich angesichts des riesigen Kaninchens klein fühlt.
Pflanzen aus der Untersicht
Pflanzen, Blüten und vor allem Pilze wirken in einer leichten Froschperspektive ganz anders als üblicherweise von oben. Der Mensch taucht so optisch in die Welt der Kleinstlebewesen ein.
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Markus Linden
Markus Linden hat sein Hobby zum Beruf gemacht: Er schreibt on- und offline über Fotografie und Fotografen, organisiert Fotowettbewerbe und fotografiert selbst leidenschaftlich gerne. Dem fotoMAGAZIN ist er seit 2003 zunächst als Redakteur und jetzt als freier Mitarbeiter verbunden.
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