Gefühlsausbrüche im Fotoautomaten

Der Fotoautomat ist das hippe „Tiny House“ der Porträtfotografie. Halb Alber-Koje für Heranwachsende, halb Bürokraten-Bilderbox für das schnelle Passbild.

Manfred Zollner

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Chefredakteur fotoMAGAZIN

Kolumne Manfred Zollner

Kolumne Zollners Zeilen

Illustration: © Getty Images

Fotoautomaten sind unverkennbar eine bewährte Erfindung aus dem Analogzeitalter der Fotografie. Hinter hastig zugezogenen Schmuddelvorhängen liefert das Porträtgenre hier zuverlässig Instantware in Porträtstreifen für den schnellen Bildgenuss. Automatenbesucher vertrauen dessen flotter Sofortbildtechnik, befolgen dafür willig simple Positionierungsanweisungen und geben sich beim spontanen Kammerspiel alsbald der Strahlkraft blendender Blitze hin.

“Der Fotoautomat ist die Antwort der Fotografie
auf die Currywurstbude.“

Diese beengten „Freiräume“ der Fotografie an U-Bahnhöfen, bei Behörden oder vor Berlins nächtlichen Partyzonen sind weit mehr als allzeit geöffnete Fotostudios für Bilder im Kleinstformat. Hier knutschen Frischverliebte für erste Fotobeweise ihrer Zuneigung, hier posen Freundinnen in Cocktaillaune und hier entstehen aber nicht selten Bildnisse, die jahrzehntelang in Deutschlands Handtaschen und Geldbörsen durchs Leben geschleppt werden.

Der Fotoautomat ist die Antwort der Fotografie auf die Currywurstbude. Visuelles Fast Food haben bereits die als „Blechfotos“ bekannten Ferrotypien des 19. Jahrhunderts geliefert, die sich auf Jahrmärkten großer Beliebtheit erfreuten.

Angeheitert trat so mancher Kirmesbesucher damals zum Juxfoto mit Freunden an. Der Automat knipst heute noch exzentrische Gesten und Gefühlsausbrüche, bei denen behördliche Passbild-Autorisierer deutliche Normverstöße bemängeln würden. Doch für derlei formale Portraits wäre ohnehin ein professioneller Fotograf oft der bessere Ansprechpartner.

Manfred Zollner, Chefredakteur fotoMAGAZIN.

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