Vermutlich kennt niemand den Kamera-Gebrauchtmarkt in Deutschland besser als unser Kolumnist und Autor Winfried Warnke: Seit 30 Jahren beschäftigt er sich mit Schätzen aus zweiter Hand. Einmal im Jahr erstellt er für das fotoMAGAZIN den Secondhand-Guide, auch als FOMAG-Liste bekannt. Für unser Technik-Forum schreibt er in jeder Ausgabe die Second-Hand-Kolumne.
Gebrauchtmarkt: Systemwechsel in der Fotografie
Wer früher noch treu zu seiner Kamera hielt, der wechselt heute oftmals sowohl Modell als auch Marke wie selbstverständlich. Denn der Systemwechsel in der Fotografie ist heute so einfach wie nie zuvor – zur Freude des Gebrauchtmarktes
Welch eine Geldvernichtung: Fotografen, die das System wechseln, versenken schnell mal einen hohen dreistelligen Eurobetrag. Früher begleitete eine Kameramarke den Fotobegeisterten über Jahrzehnte. Man war entweder Canon-Fan oder Nikonianer. Minolta, Olympus, Pentax – die Fangemeinde hielt die Treue. Klar, bei großen Innovationen wurde schon mal die Marke gewechselt, aber selbst beim Übergang von Analog zu Digital waren Markenwechsel nicht die Regel.
Heute ist Fremdgehen nicht mehr verwerflich. Es wird rasant, manchmal auch hektisch gewechselt.
Der Gebrauchtmarkt freut sich. Ganze Ausrüstungen überfluten den Handel. Im Knipser-Bereich finden wir eher harmlose Aussteigertypen: Die digitale Massen-Kompakte wird abgestoßen und nicht ersetzt, denn das Smartphone übernimmt. Massenware für einen Spottpreis. Mancher Umsteiger stößt heute seine einfache DSLR-Ausrüstung ab, um bei flexiblen Bridge-Kameras mit großem Brennweitenbereich eine neue Heimat zu finden. Die Leute wollen nicht mehr schleppen. Viele einfachere Canon- oder Nikon-Equipments werden daher veräußert, die Preise für diese Gebrauchten sind mächtig eingebrochen. Selbst ambitioniertere Fotojünger trennen sich von ihrer gehobenen Canon- oder Nikon-Reflex mit Verlustraten bis zu 50 Prozent vom Neupreis und greifen zur 1-Zoll-Bridgekamera.
Weg mit dem Gewicht, die Kamera soll wieder Begleiter werden.
Aber dann gibt es noch die echten Systemwechsler, die als engagierte Fotografen Wechselobjektive schätzen und über einen großen Brennweiten-Park verfügen wollen. Die Systemkameras von Olympus, Panasonic, Fujifilm und Sony sind mit Karacho über den Fotobereich hereingebrochen – für herkömmliche DSLRs eine ernste Bedrohung. Nahezu fluchtartig verkaufen viele DSLR-Jünger ihre gehobenen Mittelklassemodelle (Nikons der 7000-er-Serie/Canon 40D/50D/60D) und suchen eine neue technische Heimat in modernen Objektivparks, optimal auf die kompakteren Spiegellosen abgestimmt. Die Kapitalvernichtung ist enorm. Ein Drittel des ursprünglichen DSLR-Neupreises ist mageres Startkapital für das Neue.
Wer allerdings mit den Bildern seiner alten Weggefährtin nicht zufrieden war, dem hilft in der Regel auch das Neue nicht.
Neuer Trend: Innerhalb des DSLM-Marktes wird weiter gewechselt. Komplette Ausrüstungen von Panasonic, Olympus und Fuji drängen auf den Gebrauchtmarkt. Der Neuigkeiten-Fanatiker will jetzt Sony-Vollformat der Alpha-7-Baureihen.
Zugegeben, das technisch Neue hat seinen Reiz, scheint mehr Bildqualität zu bringen und befriedigt Spieltriebe ungemein. Wer allerdings mit den Bildern seiner alten Weggefährtin nicht zufrieden war, dem hilft in der Regel auch das Neue nicht – das Bild entsteht entscheidend hinter der Kamera.
Diese Kolumne ist in unserer Ausgabe fotoMAGAZIN 03/2016 erschienen.
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