Unser Chefredakteur Manfred Zollner hat bereits während seines Studiums der Kommunikationswissenschaft sein Taschengeld als Konzertfotograf verdient. Der langjährige stellvertretende Chefredakteur des Heftes leitet seit April 2019 die Redaktion. Darüber hinaus betreut er das einmal im Jahr erscheinende XXL-Heft fotoMAGAZIN EDITION mit herausragenden Fine Art-Portfolios.
Lothar Schirmer im Hofgarten

Fotobuch-Talks: Interview mit Lothar Schirmer
Wir sprachen mit dem Verleger Lothar Schirmer über Veränderungen des Fotobuchmarktes und Risiken für junge Fotografen, die einen ersten Bildband planen.
fotoMAGAZIN: Was war das erste Fotobuch, das Sie in Ihrem Verlag veröffentlicht haben?
Lothar Schirmer: Das erste Buch, das der Schirmer/Mosel Verlag veröffentlicht hat, war das Buch „Rheinlandschaften“ von August Sander, das wir als Fotokunstbuch bezeichnet haben. Es ist im Jahr 1975 erschienen und war damals in gewisser Weise einzigartig, sozusagen die Geburtsstunde einer neuen Gattung im Buchmarkt.
fotoMAGAZIN: Was hat Sie damals bewogen, sich in diesem Marktsegment des Buchmarktes zu engagieren?
Schirmer: Ich wollte Verleger werden und hatte ein spezielles Interesse an Bildern. Das Kunstbuchsegment war gut gepflegt, die Fotografie, soweit sie künstlerisch ernstzunehmend war, war ohne Betreuung. Das galt sowohl für Geschichtliches als auch für die Gegenwart der Fotografie.
fotoMAGAZIN: Wie hat sich der Fotobuchmarkt seit Ihren Anfängen verändert?
Schirmer: Heute machen eigentlich alle Bildbandverlage auch Fotobücher: Prestel, Hatje Cantz, etc. Von den Druckern, die sich ihr Mütchen an der Fotografie kühlen, ganz zu schweigen. Es gibt also viel Konkurrenz und alles, was ich ablehne, findet – ob es nun aus dem In- oder Ausland kommt – sein Töpfchen. Eigentlich tut mir der Buchhandel Leid, der das alles auslöffeln muss. Mit anderen Worten: Es herrscht eine Angebotsschwemme, die der auf dem Literaturmarkt durchaus ähnlich ist. Da gibt es auch 5000, die Bücher schreiben, aber nur noch 2000, die sie lesen.
Alles, was ich ablehne, findet sein Töpfchen – ob es nun aus dem In- oder Ausland kommt
fotoMAGAZIN: Nach welchen Kriterien suchen Sie heute Fotobuchprojekte aus?
Schirmer: Das ist ganz einfach: Es muss mir erstens gefallen und zweitens muss ich mir zutrauen, es in einer genügend großen Stückzahl zwischen 2000 bis 5000 verkaufen zu können. Wenn diese beiden Bedingungen erfüllt sind, gibt es ein schönes Schirmer/Mosel-Buch.
fotoMAGAZIN: Was halten Sie von den (derzeit häufig anzutreffenden) Finanzierungsmodellen, bei denen der Fotograf einem Verlag bis zu 25.000 Euro „Druckkostenbeteiligung“ bezahlt?
Schirmer: Das finde ich ehrlich gesagt zum Kotzen. Es ist eine Kombination von Betrug und Selbstbetrug.
Finanzierungsmodelle mit Druckkostenbeteiligung sind Kombination von Betrug und Selbstbetrug
fotoMAGAZIN: Was raten Sie jungen Fotografen, die momentan überlegen, ihr erstes Fotobuch bei einem Verlag zu veröffentlichen?
Schirmer: Da gibt es zwei Ratschläge: 1. Nachdenken und 2. Weiterarbeiten.
fotoMAGAZIN: Was halten Sie von den derzeitigen Selfpublishing-Tendenzen unter Fotografen?
Schirmer: Nur zu! Und wenn es der Wahrheitsfindung dient, umso besser! Aber ich warne: Der Buchhandel hat ein Elefantengedächtnis und merkt sich nur die Namen derer, die sich nicht verkauft haben. Um ein Beispiel aus dem Sexleben der Mitteleuropäer zu nehmen: eine ejaculatio praecox ist nur für einen Partner von Interesse.
fotoMAGAZIN: Ist der derzeitige Fotobuchboom nur eines vorübergehendes Phänomen des Büchermarktes, sehen Sie womöglich bereits ein Ende der momentanen Bücherflut?
Schirmer: Sie sprechen von einem Fotobuch-Boom. Das ist ein Angebots-Boom, dem keine entsprechende Nachfrage gegenüber steht. De facto produzieren die meisten Verlage bereits in der Direttissima für das moderne Antiquariat.
De facto produzieren die meisten Verlage bereits in der Direttissima für das moderne Antiquariat
fotoMAGAZIN: Wie groß ist Ihrer Meinung nach der Markt der Fotobuch-Sammler in Deutschland?
Schirmer: Im niedrigen zweistelligen Bereich, würde ich mal sagen. Oder im hohen einstelligen. (Der prominente Mega-Sammler) Manfred Heiting miteingeschlossen.
Hintergrundinformationen zu diesem Fotobuch-Thema finden Sie in der Reportage "Der BücherBoom" von Manfred Zollner, die in unserer Ausgabe fotoMAGAZIN 06/2015 erschienen ist.
Mehr Interview-Bonusmaterial zum Thema Bildbände und Fotobuch auf unserer Übersichtsseite "Dialoge über die Zukunft des Bildbandes".
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