Interview Tom Seymour
© Courtesy Taschen / www.taschen.com
Benedikt Taschen sitzt vor seinem Haus in den Hügeln von Malibu, während wir mit dem 59-Jährigen über den 40. Geburtstag seines Verlagsimperiums sprechen – eine Karriere, die ihre Anfänge im Teenager-Schlafzimmer seines Elternhauses hatte. Der Sohn eines Ärzte-Ehepaares war als Kind fasziniert von Donald Duck-Comics. Im Alter von zwölf Jahren startete er einen Versandhandel für Comic-Liebhaber. Er verbrachte seine Teenagerjahre damit, Comics zu beschaffen und mit kleinem Gewinn weiterzuverkaufen, bevor er mit 19 Jahren einen Comic-Laden in Köln eröffnete. Danach machte sich Benedikt daran, sich an die Spitze der Verlagsbranche zu setzen. Während er als Verleger mit gewichtigen „SUMO“-Bildbänden berühmt wurde, produzierte Taschens Verlag zugleich erschwingliche Standardwerke zur Kunst und Gegenwartskultur in hohen Auflagen und mit einem exzellenten Vertriebsnetz. So fanden Taschens Bildbände auch den Weg in Buchhandlungen von Gemeinden, die kein großes Kulturerbe besitzen. Taschen nahm das Kunstbuch aus den Regalen der Nischen-Buchläden der Großstadt und brachte es in den Mainstream. Heute blickt der Verleger auf ein globales Imperium, das er seit 2017 gemeinsam mit seiner ältesten Tochter Marlene führt. Die Inhalte der Taschen-Bildbände sind vielfältig und reichen von Kunst, Architektur, Design, Mode und Film über Lifestyle, Reisen und Fotografie bis hin zur Popkultur.
fotoMAGAZIN: Wie haben Sie den Wechsel zur Doppelspitze mit Marlene in Ihrem Unternehmen bewältigt?
Benedikt Taschen: Ich erinnere mich, wie sie mit der Idee auf mich zukam, für das Unternehmen zu arbeiten. Ich sagte: „Ich hätte dich nie gefragt, doch ich würde dich sofort einstellen.“ Natürlich ist das toll! Sie ist mit diesem Unternehmen aufgewachsen und wir haben viele Gemeinsamkeiten. Dennoch hat sie ihren ganz eigenen Kopf.
fotoMAGAZIN: Wie würden Sie die Zusammenarbeit mit Ihrem Vater beschreiben, Frau Taschen?
Marlene Taschen: Wir ergänzen uns gut. Wir haben einen ähnlichen Spirit und teilen eine Vision, sind aber dennoch sehr unterschiedliche Charaktere. Ich glaube in dieser Hinsicht auch, dass es grundsätzlich hilfreich für die Arbeit ist, dass wir auf verschiedenen Kontinenten leben und ich eine Frau bin.
fotoMAGAZIN: Im Anschluss an den vielbeachteten Helmut Newton-Bildband „Sumo“ veröffentlichten Sie 2004 ein weiteres XXL-Fotobuch, Herr Taschen – eine Monografie, die der amerikanischen Boxlegende Muhammed Ali gewidmet war. Wie war es, mit Ali zu arbeiten?
Benedikt Taschen: Aus dieser Zusammenarbeit entwickelte sich eine langjährige Freundschaft. Dabei war die Beziehung schon fast beendet, bevor sie überhaupt begann. Ich nahm zu Ali über dessen Agenten Kontakt auf, der mich bat, Ali ein Musterbuch zu schicken. Also veranlasste ich, dass er Helmut Newtons Sumo bekommen sollte. Daraufhin rief mich der Agent an und meinte: „Ali ist ein riesiger Bildband voller nackter weißer Frauen geliefert worden. Er möchte wissen, was mit Ihnen los ist! Wahrscheinlich war es nicht die beste Idee, dem berühmtesten Moslem der Welt ein Buch voller Nackter zu schicken.
fotoMAGAZIN: Was können Sie uns über die Zukunftspläne von Taschen berichten?
Benedikt Taschen: Ehrlich gesagt habe ich die meiste Zeit Spaß mit dem, was ich tue, und das wird auch so bleiben. Das Geschäft entwickelt sich ständig weiter und es gefällt mir, dass ich nicht immer und immer wieder Dinge tun muss, die ich vor zehn oder 20 Jahren gemacht habe. Wir sind definitiv bereit, die Marke in andere und neue Bereiche zu bringen. Wir haben die Tradition und die Zeit, uns darauf zu konzentrieren, deshalb denke ich, dass das gut funktionieren wird. Darin steckt immer unsere DNA, sie leitet alles, was wir bei Taschen tun – wir möchten unabhängig, integrativ und inspirierend sein. Eine Marke für Optimisten.
Marlene Taschen: Bücher werden weiter begehrt bleiben. Musik und Film haben im letzten Jahrzehnt vieles revolutioniert. Das Buch ist allerdings ein großer Bestandteil unserer Kultur und ich glaube nicht, dass sich das ändern wird. Natürlich haben sich die Vertriebswege und das zugrundeliegende Geschäftsmodell drastisch gewandelt. Wir wollen uns künftig auch nicht nur auf die Buchproduktion beschränken. Uns interessiert es, eine 360- Grad-Perspektive um ein Thema aufzubauen. Wir haben in der Vergangenheit mit Pop-up-Stores und Ausstellungen experimentiert, haben ein Print-Programm, mit dem wir mehr arbeiten können. Von meinem Vater habe ich gelernt, dass du für vieles zunächst Strukturen schaffen und fest an einer Idee arbeiten musst, um etwas Gutes aufzubauen. Die Stories, die wir bereits jetzt haben, bieten uns die Möglichkeit, mehr daraus zu entwickeln.
Dieses Interview wurde in der fotoMAGAZIN-Ausgabe 01/2021, die am 15.12.2020 erschienen ist, erstmals veröffentlicht.
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