Anton Corbijn

In etwa einem Monat wird sein vierter Spielfilm "LIFE" auf DVD zu haben sein und noch bis morgen können Sie Corbijns große Retrospektive in der C/O Berlin besuchen. Im großen fM-Interview spricht der Holländer über Paparazzi, die Windeln tragen und den Wandel der Fotografie

Manfred Zollner

Manfred Zollner

Chefredakteur fotoMAGAZIN

Anton Corbijn

Der Fotograf Anton Corbijn im Juli 2015 beim fM-Interview in Berlin.

Foto: © Manfred Zollner
 

Ein sonniger Montagmorgen im Juli. Anton Corbijn sitzt im Lounge-Bereich seines Berliner Hotels und schreibt Mails am Laptop, als der Interviewer eintrifft. Er nippt noch kurz an seinem Tee, lehnt sich zurück ins Polstersofa und spricht mit sanfter Stimme über seine Karriere als Fotograf und seine neue Liebe zum Film.

fotoMAGAZIN: Eine der Botschaften, die Ihr Hauptdarsteller Robert Pattinson in Ihrem jüngsten Spielfilm „Life“ vermittelt, ist: „Folge Deinem Instinkt“. Ist das eine Einstellung, die Ihre Karriere, die von Dennis Stock und die seiner Filmfigur in „Life“ zusammenbringt?
Anton Corbjin: Mich hat bei diesem Film nicht James Dean gereizt, obwohl ich ihn jetzt mehr mag als vorher. Die Rolle dieses jungen Fotografen, der den Durchbruch sucht, das ist auch mein Leben. Hier erkenne ich viel von mir wieder. 

fotoMAGAZIN: Stock glaubte früh an die Qualitäten James Deans.
Corbjin: Er erkannte, wofür Dean stand. Um das Jahr 1954 hörten die Leute noch viel auf ihre Eltern. Nun änderte sich alles. Die Musik wurde zur Musik einer Generation, Schauspieler wurden die Stars dieser Generation. Stock merkte, dass da etwas im Entstehen war. Mit Dean fand er jemanden, der das verkörperte. 

fotoMAGAZIN: Wie stark haben Sie in Ihrer Karriere als Fotograf instinktiv gehandelt?
Corbijn: All das, was ich instinktiv anpackte, hat bei mir immer gut funktioniert. Sachen, die ich machte, weil ich dachte, sie könnten meiner Karriere helfen, haben hingegen nicht geklappt. Vielleicht habe ich mich in diesen Fällen nicht zu 100 Prozent reingehängt.

„Ein gutes Portrait muss uns etwas über die Person erzählen und zeigt diese, wie wir sie noch nie gesehen haben.“

Anton Corbijn

fotoMAGAZIN: Ein Beispiel, bitte!
Corbijn: Dinge, von denen ich dachte, sie könnten mir etwas bringen. Bei diesen Bauchgeschichten war das ganz anders. Zum Beispiel damals, als ich spontan ins Flugzeug stieg und zu David Bowie nach Chicago flog. Meine Eltern hatten mir gerade Geld für einen neuen Küchenherd gegeben. Ich wusste, dass David Bowie ein Interview geben würde, bei dem er keine Fotografen duldete. Doch ich dachte mir: das Risiko gehe ich ein. Und kaufte von dem Geld ein Flugticket. Mein Plan ging auf. Derlei Geschichten gibt es viele in meinem Leben. Mit meinen frühen Fotos war ich Dennis Stock vielleicht sogar noch näher. Damals fotografierte ich oft Menschen in ihrem Umfeld. Dennis war kein klassischer Portraitfotograf. Auch er machte solche Portraits. Diese Bilder erscheinen uns 60 Jahre später schön, gerade weil diese Umgebung zeigt, wie stark sich die Dinge verändern können.

fotoMAGAZIN: Sie haben in Ihrer Karriere oft versucht, Grenzen zu überschreiten und Neuland zu betreten ...
Corbijn: Persönliche Grenzen, ja. Ich bin kein großer Revoluzzer, aber ganz für mich persönlich veränderte ich etwas, wenn ich nicht zufrieden war. Meist wollte ich einfach sehen, was es da sonst noch gab. 

fotoMAGAZIN: Das gilt auch für Ihre Bildästhetik. Hier waren Sie permanent auf der Suche nach neuen Ansätzen. 
Corbijn: Eine meiner letzten Ausstellungen, „Hollands Deep“ im Gemeente Museum von Den Haag (derzeit bei c/o Berlin) zeigte diese Entwicklungen auf: Von den cleanen Schwarzweißbildern, der Hinwendung zum quadratischen Format bis zur direktiven Beschäftigung damit, was vor meiner Kamera passiert. Ich denke, damit fing ich an, weil ich nebenher Videos drehte. Bei einem Video denkst du anders. Du tauschst dich mehr mit den Leuten vor deiner Kamera aus. Danach produzierte ich eine konzeptionelle Serie im Paparazzi-Look und das Konzept mit Selbstinszenierungen. Ich habe immer das gemacht, von dem ich in der Zeit dachte, es wäre das richtige für mich. Keine Ahnung, wen ich damit beeinflusst habe. Ich habe all dies sowieso nicht aus kommerziellem Interesse getan.

fotoMAGAZIN: Sie haben öffentlich geäußert, dass Sie sich nun von der Fotografie verabschieden und ganz dem Film zuwenden wollen. Ist das nun wirklich ein Wendepunkt in Ihrer Karriere?
Corbijn: Man sollte niemals nie sagen. In letzter Zeit habe ich viel fotografiert. Doch mein Fokus muss künftig beim Film liegen, er braucht meine ganze Aufmerksamkeit. Deshalb kann ich nicht mit der Fotografie auf dem Level weitermachen, auf dem ich mich bewegte. 

„Mein Fokus muss künftig beim Film liegen, er braucht meine ganze Aufmerksamkeit.“

Anton Corbijn

fotoMAGAZIN: Wäre es denn überhaupt denkbar, beide Karrieren auf dem gleichen Level zu verfolgen?
Corbijn: Mir ist klar, welche Anforderungen das stellt. Die Fotografie war meine große Liebe, deshalb werde ich sie nie komplett aufgeben. Das Abenteuer liegt für mich aber jetzt beim Filmemachen. 

fotoMAGAZIN: Sie sagten mal, für Sie sei die Fotografie eine Art der Meditation: Gehen Sie anders heran, wenn Sie privat fotografieren? 
Corbijn: Ja, weil der Stress-Level ganz anders ist. Wenn du alleine losziehst und einen Maler triffst, den du portraitierst, ist das toll. Diese Tage machen mich glücklich. Aber natürlich kann ich davon nicht leben.

fotoMAGAZIN: Wie lange hat es gedauert, bis Sie entdeckten, dass Sie auch filmisch Geschichten erzählen können und wollen?
Corbijn: Meine Unsicherheit hätte mich davon abgehalten, selbst auf diesen Gedanken zu kommen. Mich machten Freunde wie Herbert Grönemeyer darauf aufmerksam. Meine ersten Videos drehte ich als Reaktion auf all die von mir verhassten Clips, die zu guter Musik gedreht worden waren. In meine Fotos hatte ich viel Zeit gesteckt. Außerdem viele Überlegungen, welche Bilder zu den verschiedenen Musikern passten. Dann sah ich, wie die gleichen Leute anschließend Videos produzierten, die überhaupt keinen Bezug zur Musik hatten. Deshalb fing ich an, kleine Geschichten für diese Clips zu schreiben. Ich mochte keine Videos, bei denen die Band einfach nur spielte. So ging das, bis mir die Leute eines Tages sagten: Du solltest auch mal Spielfilme drehen. Das dauerte aber alles sehr lange. Meine ersten Videos drehte ich 1983, den ersten Spielfilm 2006. 

fotoMAGAZIN: Offensichtlich ist in den USA Ihre Anerkennung als Fotograf mit Ihren Erfolgen als Filmemacher gestiegen. Welche Erklärung haben Sie dafür?
Corbijn: Du bist eben mehr im Blickfeld der Leute. Sie entdecken, dass Sie schon eine Menge meiner Bilder kennen. So ist das mit der Fotografie: man merkt sich nicht immer gleich den Namen des Fotografen. 

fotoMAGAZIN: Dennis Stock meinte 1995 im Interview: „Die Menschen interessieren sich nicht genug füreinander. Wir erkennen nicht einmal, wenn sich uns die Gelegenheit bietet, mehr über jemanden zu erfahren.“ 
Corbijn: Das ist besonders aus seinem Munde interessant, da er seinen Sohn komplett ignorierte. Im Film waren wir mit unseren Aussagen sehr zurückhaltend. Sein Sohn kam an unseren Set und meinte, er habe bei unserem Dreh mehr über seinen Vater gelernt, als im echten Leben. Ich habe mal einen Filmclip mit Dennis Stock gesehen, bei dem ihm irgendwelche Kursteilnehmer Fotos zeigten. Er sagte Dinge wie: „Ich kann nicht glauben dass Sie mir diesen Mist zeigen. Nehmen Sie das sofort weg.“

„Ob ein Bild zur Ikone wird,
kannst du im Moment der Aufnahme unmöglich spüren.“

Anton Corbijn

fotoMAGAZIN: Was zeichnet ein gutes Portrait aus?
Corbijn: Es muss uns etwas über die Person erzählen und es muss sich von Portraits anderer Fotografen unterscheiden, also einen persönlichen Kommentar geben. Idealerweise zeigt es uns die Person dann noch so, wie wir sie noch nie gesehen haben. Diese drei Elemente müssen im richtigen Verhältnis zueinander stehen. 

fotoMAGAZIN: Bekommen Fotografen noch bei den Megastars derlei Chancen, bei denen es immer mehr Einschränkungen gibt?
Corbijn: Ja, das ist schwierig, aber hier reden wir nur von einer ganz bestimmten Form von Portrait: von Prominentenfotos. Ich verstehe, dass es heute eine derart große Nachfrage gibt, dass du nicht jedem deine ganze Aufmerksamkeit schenken kannst. Also arbeitest du als Mega-Star mit ein oder zwei Leuten, denen du vertraust. Wir reden hier von einem Luxussegment der Fotografie. Wie wichtig ist das schon? Und schauen Sie sich mal an, was dabei heraus kommt, wenn jemand eine Stunde mit einem Star verbracht hat. Da denkt man sich oft, das war die Sache nicht wert. Viele meiner berühmten Bilder entstanden übrigens in Situationen, in denen man mir nur ein paar Minuten gewährte. 

fotoMAGAZIN: Wenn Sie heute privat fotografieren, was nehmen Sie dann auf?
Corbijn: Ich fotografiere auf Reisen mit meinem iPhone. Das ist die einzige Art von Digitalfotografie, die ich verwende. Eine verspielte Art von Fotografie, teilweise auch einfach nur Erinnerungsbilder. Sie hat keine tiefere Bedeutung und ist vielleicht gerade deshalb schon wieder bedeutungsvoll. 

fotoMAGAZIN: Im Vergleich von Foto und Film meinte Dennis Stock, im Film könne man das Leben rekonstruieren. Ist Ihnen das als Filmemacher wichtig?
Corbijn: Wenn man an wahren Geschichten arbeitet, kann man diese neu schreiben. Da muss man sehr vorsichtig sein, denn die Filme werden für die Menschen Realität.

fotoMAGAZIN: Ließ Sie genau dieser Aspekt bei einem Film wie „Life“ zögern?
Corbijn: Ich wollte zunächst einen Schwarzweißfilm machen, weil ich dachte, das würde besser zu der Zeit passen. Und besser zu den Fotos von Dennis Stock. Später wurde mir dann erst bewusst, dass Farbe viel geeigneter war. Damit konnte ich die Kunst von Dennis besser herausstellen. Dennis greift sich also Schwarzweiß-Momente aus dieser Farbwelt. Das war also eine wichtige Entscheidung. Für den Film schufen wir Momente, in denen er fotografierte, zeigen aber diese Aufnahmen nicht sofort (sie erscheinen erst am Ende des Films). Darum ging es mir auch nicht.

Der Film

„Life“, Anton Corbijns vierter Spielfilm, schildert die Geschichte der Begegnung zweier großer Persönlichkeiten zu Beginn ihrer Karriere: Der Schauspieler James Dean und Magnum-Fotograf Dennis Stock. Am Ende dieser Begegnung stehen Bilder, die heute Ikonen sind. „Life“ ist unter anderem auch ein Spielfilm über den fotografischen Drang, Bildideen zu verwirklichen und das Erkennen des Potenzials einer Person. Der Film lief im Herbst 2015 in den deutschen Kinos und erscheint am 26. Februar 2016 auf DVD.
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fotoMAGAZIN: Dennis Stock fand, bei der Regiearbeit ginge es um Kontrolle. Ist das etwas, das Sie schätzen?
Corbijn: Bei der Regiearbeit ist Kontrolle sehr wichtig. Wenn das nicht der Fall sein sollte, ist das am Ende nicht mehr dein Film. Das musste ich erst lernen, weil ich ein sehr introvertierter Mensch bin. Der Film zwang mich, Elemente in meinem Charakter zu finden, von denen ich nicht wusste, dass es sie gab. Ich bin nicht der geborene Regisseur. Ich bin ein Typ, der gerne selbst zupackt. Ich erinnere mich noch, wie ich bei meinem ersten Video alles selbst machen wollte und mir die Leute erklärten, dass das ihr Job sei. Doch um den Film zu machen, den du dir vorstellst, musst du aktiv rangehen.

fotoMAGAZIN: Sie sagen, Film sei ein Abenteuer für Sie. Inwiefern ist dieses Abenteuer anders als die Fotografie?
Corbjin: Beim Film ist es viel schwieriger, eine individuelle Ausdrucksmöglichkeit zu finden. Hier liegt für mich das Abenteuer. Wie kann ich lernen, das beste Echo auf meine Vorstellungen und Ideen zu bekommen? Jeder Film nimmt ein Jahr deines Lebens und es steckt eine Menge Druck dahinter, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Das zwingt dich, strikte Entscheidungen am Set zu treffen. Wenn bei einem Fotoshooting nichts rauskommt, kannst du es einfach wiederholen. 

fotoMAGAZIN: Werden Sie die Fotografie aus der Distanz weiter verfolgen?
Corbijn: Ja, ich lese allerdings keine Fotozeitschriften. Schon als ich jung war, fühlte ich mich bei Fotozeitschriften nicht aufgehoben. Sie machten mich nervös und ich hatte immer das Gefühl, nicht Teil dieser Welt zu sein. 

fotoMAGAZIN: Hatten Sie sich vor dem Dreh von „Life“ andere Fotografen-Bio-Pics angesehen, wie beispielsweise den Film „Fur“ über das Leben von Diane Arbus?
Corbijn: Nein. Mein erster Film „Control“ war ja auch eine Art Bio-Pic. Manchmal schaut man sich solche Filme auch eher an, um herauszufinden, was man nicht machen möchte. „Life“ war eine Annäherung an das Leben zweier Typen und welchen Einfluss diese Begegnung auf deren weiteres Leben hatte. Er erklärt uns nicht das Leben eines Fotografen!

fotoMAGAZIN: Wie stark geht es in dem Film überhaupt um Fotografie? Ist das nicht eher ein Film über Ehrgeiz, darüber wie sich zwei Typen gegenseitig in Ihrer Karriere helfen?
Corbijn: Eher letzteres. Das seltsame Ding bei James Dean ist, dass durch seinen vorzeitigen Tod diese Fotos eine andere Bedeutung bekommen, die sie davor nicht hatten. 

fotoMAGAZIN: Wie viel mussten Sie den Schauspielern bei „Life“ noch über ihre Rolle beibringen?
Corbijn: Ich habe wohl mehr mit Rob (Pattinson) als mit Dane (DeHaan) über die Rolle geredet. Dane war schon vorher ein Riesenfan von James Dean, Rob hatte davor noch nie etwas von Dennis Stock gehört. Er musste erst lernen, was es bedeutet, ein Fotograf zu sein. Rob zum Fotografen zu machen war für mich ein wenig pervers, weil ihn die Paparazzi ständig verfolgten. Für ihn war es seltsam, einen Fotografen zu spielen, der andere knipste. Wir hatten beim Dreh Minus 28 Grad und selbst bei dieser Temperatur gab es da einen Typen, der weit entfernt in einem Baum saß und ihn ständig mit seinen Kameras im Visier hatte. Unglaublich. Bei George Clooney (in „The American“) war es das Gleiche. Diese Typen tragen Windeln und können dort den ganzen Tag sitzen, ohne dass sie jemand wahrnimmt.

„Die Paparazzi von heute tragen Windeln, um den ganzen Tag im Baum zu hocken und auf Robert Pattinson zu warten.“

Anton Corbijn

fotoMAGAZIN: Wie stehen Sie zu den Entwicklungen, die der Paparazzo-Beruf heute genommen hat?
Corbijn: Er ist so uninteressant geworden. In den 90er-Jahren gab es Magazine wie Hello und Gracia. Heute gibt es kein Geheimnis mehr. Die Fotos sind schlecht. Die Bilder zeigen uns, dass auch die prominenten Leute ihren Müll vor die Haustür tragen. So entsteht diese ultimative Wirklichkeit. Das kann ich jetzt alles nicht mehr toll finden, das hat mit Federico Fellinis Paparazzo nichts mehr zu tun. Da war zu Dolce Vita-Zeiten noch interessant. Auch Weegee war in New York gewissermaßen Paparazzo. Diese Leute machten noch interessante Fotos.

fotoMAGAZIN: Hatten Sie als Fotograf Interesse daran, Ikonen zu schaffen?
Corbijn: Ich bin mir nicht sicher, ob ich danach suchte. Ich selbst habe nie gedacht, dass meine frühen Fotos Ikonen seien. Sie wurden erst später zu solchen. Ganz oft hängt es davon ab, wie diese Bilder verwendet werden. Es macht einen Unterschied, ob sie in einer Schublade liegen, in einer kleinen Zeitschrift abgedruckt werden oder womöglich öfter reproduziert worden sind. Ich machte beispielsweise ein Foto von Elvis Costello im Bett mit seiner Gitarre. Das war für mich sehr ungewöhnlich. Normalerweise haben bei mir die Musiker keine Instrumente im Arm. Nach der ersten Verwendung wurde es dann in England abgedruckt, später im Rolling Stone und irgendwann war es das Cover eines Paris Match-Buches. Dann schrieb mir Elvis, er würde es gerne als Cover-Motiv seiner Autobiographie verwenden. Das Bild ist aus den Siebzigerjahren und heute eine Ikone. Damals, als ich es fotografierte, wäre ich nie darauf gekommen.

fotoMAGAZIN: Die Erklärung könnte also sein: Wenn sich die Geschichte anschließend auf das Foto legt, wird es erst zur Ikone. 
Corbijn: Das hat ganz bestimmt damit zu tun. Ähnlich war das ja auch mit dem Foto, das Dennis Stock von James Dean am Times Square machte. Was ist so ikonographisch daran? Komischerweise sagten die Filmproduzenten zu mir: Das ist ein großer Moment. Er macht diese Ikone. Wow! Ich sagte nur: Nein, das ist nicht außergewöhnlich. Es regnet, Stock macht ein paar Fotos und denkt, vielleicht machen wir ein andermal noch weitere. Dann wird das Bild verwendet, James Dean stirbt, Hoffnung und Melancholie fließen in diese Aufnahme. Und daraus entsteht dann etwas, das du im Moment der Aufnahme unmöglich spüren kannst.

Anton Corbijn. Retrospektive

Dieses Interview ist in unserer fotoMAGAZIN EDITION No. 5 und in unserer Ausgabe fotoMAGAZIN 10/2015 erschienen.

C/O Berlin zeigt bis einschließlich 31. Januar 2016 rund 600 Fotografien, Filme und weitere Exponate des Künstlers in der großen retrospektive Schau „Anton Corbijn“. Die jeweiligen Kataloge zur Ausstellung – „Hollands Deep“ und „1-2-3-4“ – sind bei Schirmer/Mosel und Prestel erschienen. Ausstellung samt Bildbände dokumentieren den Verlauf und die Höhepunkte des fotografischen Werks Anton Corbijns.

Adresse:
C/O Berlin Foundation
Amerikahaus
Hardenbergstraße 22-24
10623 Berlin
http://www.co-berlin.org
Täglich 11-20 Uhr

Anton Corbijn

Anton Corbijn (*1955 in den Niederlanden) nimmt im Alter von 17 Jahren erstmals eine Kamera in die Hand. Sein Motiv: die heimische Band „Solution“. 1979 zieht es ihn nach London, er arbeitet fünf Jahre lang für den „New Musical Express“ als Fotograf. Bis heute pflegt er die Kontakte zu den Künstlern (wie U2 und Depeche Mode), die er damals knüpfte und mit denen er noch immer zusammenarbeitet. Ab 1983 dreht er Musikvideos und gestaltet u. a. Albumcover. Anton Corbijn lebt in Den Haag, sein beruflicher Fokus gilt heute dem Film.

 

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